Abbruch der ersten Ausbildung lässt Unterhaltspflicht nicht entfallen
Eltern schulden ihren Kindern Unterhalt für eine begabungsangemessene Ausbildung. Weder der Abbruch einer Erstausbildung noch die Geburt eines Kindes und eine sich anschließende dreijährige Kinderbetreuungs(„aus“)zeit stellen Pflichtverletzungen des Kindes dar, die den Unterhaltsanspruch des Vaters entfallen lassen, so das OLG Celle in seiner kürzlich ergangenen Entscheidung.
Ausbildungsgang mit Hindernissen
Die heute 24-jährige Tochter des Beklagten begann 2006 zunächst eine Ausbildung zur Bürokauffrau, die sie nach eigenen Angaben wegen Mobbings im März 2007 wieder abbrach. Ein Jahr später wurde sie schwanger und besuchte währenddessen eine Weiterbildungsmaßnahme zur beruflichen Orientierung. Nachdem das Kind Anfang 2009 zur Welt kam, trennte sie sich im folgenden Jahr vom Vater des Kindes und übernahm die Kindererziehung alleine. Seit September 2012 macht die Klägerin nun eine Ausbildung zur Sozialassistentin, um später als Erzieherin arbeiten zu können.
Für den Vater nicht akzeptabel
Der Vater glaubte den Mobbingvorwürfen seiner Tochter nicht und warf ihr vor, die erste Ausbildung grundlos abgebrochen zu haben. Seiner Auffassung nach sei die Tochter mit nunmehr 24 Jahren auch zu alt für eine Ausbildung. Er verweigerte daher die Zahlung des Ausbildungsunterhalts und verwies seine Tochter auf die Möglichkeit, eine berufsbegleitende Ausbildung zu absolvieren. Das sahen die Richter anders und verurteilten den Vater zur Zahlung des Ausbildungsunterhalts.
Orientierungsphase muss dem Kind zugebilligt werden
Ein Kind hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gem. § 1610 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung. Das Gegenseitigkeitsprinzip verpflichtet das Kind wiederum dazu, die Berufsausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Hierbei muss dem Kind jedoch eine seiner Lebenssituation, seinem Alter und seinem Entwicklungsstand entsprechende Orientierungsphase zugebilligt werden.
Abbruch der Ausbildung ist kein schweres Fehlverhalten
Beim Abbruch ihrer Erstausbildung kommt es für die Unterhaltspflicht nicht auf die Schuldfrage an. Auch wenn die Tochter die Ausbildung aus freien Stücken – also nicht schuldlos wegen Mobbings – abgebrochen hätte, stelle dies kein schweres Fehlverhalten dar, das den Unterhaltsanspruch entfallen lassen würde. Gerade Jugendlichen und jungen Erwachsenen müsse eine gewisse Orientierungsphase zugestanden werden. Nach Auffassung der Oberlandesrichter hat der einmalige Ausbildungsabbruch vorliegend daher keine negativen Konsequenzen für den Unterhaltsanspruch.
Schwangerschaft und Kinderbetreuung stellen keine Pflichtverletzung dar
Auch die Schwangerschaft und die dreijährige Kinderbetreuungszeit können der Tochter nicht als Pflichtverletzung gegenüber dem Unterhaltsschuldner vorgehalten werden. Diese Zeiten sind im Unterhaltsrecht gesetzlich geregelt (§ 1615l BGB). Im Fall des Ausbildungsunterhalts könne dann nichts anderes gelten. Da die Tochter somit ihre Ausbildungsobliegenheit gegenüber dem Vater nicht verletzt hat und diesem weitere Unterhaltsleistungen bei einem anrechenbaren Einkommen in Höhe von 4.780 EUR persönlich und wirtschaftlich zumutbar sind, besteht ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gem. §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB.
(OLG Celle, Urteil v. 10.10.2013, 610 F 5057/12).
Hintergrund: Mit dieser Entscheidung folgt das OLG Celle auch der Auffassung des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte in einer Grundsatzentscheidung erst kürzlich entschieden, dass sich ein Kind bei der Entscheidungsfindung für die richtige Ausbildung bis zu drei Jahren Zeit nehmen darf (BGH, Beschluss v. 3.7.2013, XII ZB 220/12), und sich damit von seiner früheren Auffassung verabschiedet, ein Jahr müsse als Orientierungsphase ausreichen.
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