Eltern im Pflegeheim, wer trägt die Kosten?
Für unterhaltspflichtige Kinder stellt der Rückgriff des Sozialhilfeträgers oft eine hohe Belastung dar. Ärgerlich wird es für die Betroffenen besonders dann, wenn sie zu den Eltern oder dem betroffenen Elternteil keine positive Beziehung hatten oder wenn die Bedürftigkeit der Eltern durch das Verhalten anderer herbeigeführt wurde. Für diese Fälle hat das OLG Oldenburg den Versuch einer Grenzziehung unternommen.
Totale Kontaktverweigerung
Ein Vater hatte nach der Scheidung von seiner Ehefrau über einen Zeitraum von 27 Jahren jegliche Versuche seines Sohnes, Kontakt zu ihm aufzunehmen, zurückgewiesen. Als der Sohn zur Beerdigung des Großvaters erschien, wechselte der Vater kein Wort mit ihm. In seinem Testament verfügte er, dass der Sohn nur den „strengsten Pflichtteil“ erhalten soll. Als der Vater ins Pflegeheim kam, teilte die Stadt Bremen dem Sohn mit, dass sie Unterhaltsansprüche des Vaters gegen den Sohn auf sich übergeleitet habe und er mit der Inanspruchnahme für die Unterbringungskosten des Vaters rechnen müsse.
Herabwürdigende Behandlung
Der in Anspruch genommene Sohn berief sich auf § 611 BGB. Hiernach können Unterhaltspflichten herabgesetzt werden oder auch ganz wegfallen, wenn der Unterhaltsberechtigte sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Den Tatbestand dieser Vorschrift sah das mit der Sache befasste OLG als verwirklicht an. Zwar stellt nach Auffassung des Senats nicht jede Verweigerung eines Kontaktes eine schwere Verfehlung dar, jedoch sei die langjährige Verweigerung des Vaters vorliegend in einem Maße kränkend für den Sohn gewesen, dass darin eine schwere Verfehlung zu sehen sei. Der Vater habe seine väterlichen Pflichten über einen Zeitraum von 27 Jahren schwer verletzt, und zwar unabhängig von der Frage, auf welchen Gründen diese Kontaktverweigerung beruhe.
Nachhaltige Kränkung
Das Gericht würdigte die Ignorierung des Sohnes bei der Beerdigung des Großvaters als ein in besonderem Maße herablassendes Verhalten. In diese Richtung gehe auch die testamentarische Verfügung, dass der Sohn nur den „strengsten Pflichtteil“ erhalten soll. Wer so von seinem Vater behandelt werde, der sei diesem gegenüber nicht zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Da keine Unterhaltsansprüche bestünden, hätten solche auch nicht auf den Sozialhilfeträger übergehen können. Das OLG gab dem Sohn daher in vollem Umfang Recht.
Konsequenter Entsprechung
In einem weiteren Fall entschied der gleiche Senat des OLG ebenfalls zu Gunsten des Sohnes. Dort war die psychisch erkrankte Mutter in diversen Versorgungseinrichtungen untergebracht worden. Als eine auf Rentenbasis angesparte Lebensversicherung der Mutter fällig wurde, hatte das Sozialamt den Rentenbetrag kapitalisierten lassen und die Auszahlung an sich erwirkt, um auf diese Weise erbrachte Leistungen zurückzuerhalten. Hierdurch fiel das Einkommen der Mutter um monatlich 160 € niedriger aus. Nach Auffassung des OLG durfte dieser Sachverhalt nicht zu Lasten des Sohnes gehen. Der monatliche Fehlbetrag sei vielmehr fiktiv dem monatlichen Einkommen der Mutter hinzuzurechnen und sei weiter zu Gunsten des Sohnes bei der Berechnung seiner Unterhaltspflichten zu berücksichtigen.
(OLG Oldenburg, Urteile v. 24.10.2012, 14 UF 80/12 u. 14 UF 82/12)
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