Unterhaltsreform: Das Unterhaltsrecht soll stark vereinfachen

Einfach – überschaubar – planbar, das sind die Oberbegriffe, unter die der DAV eine zeitgemäße Regelung des Ehegattenunterhalts stellen möchte. Das Prinzip der Eigenverantwortung soll die Vorherrschaft übernehmen, die lebenslange Versorgung soll die Ausnahme werden.

Der Deutsche Anwaltverein hat dem bisher geltenden Unterhaltsrecht den Kampf angesagt und konkrete Reformvorschläge zur Neuregelung unterbreitet. Der nacheheliche Ehegattenunterhalt soll auf die drei Grundtatbestände der

  • Betreuung eines gemeinsamen Kindes,
  • den Kompensationsunterhalt sowie
  • einen auf zwei Jahre befristeten Übergangsunterhalt reduziert werden.

Sämtliche weiteren Unterhaltstatbestände sollen entfallen.

Unterhaltsrecht zwischen Hausfrauenehe und Eigenverantwortlichkeit

Nach Auffassung des DAV muss die Unterhaltsdebatte in Deutschland die stark veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und die veränderte Einstellung der Gesellschaft zu Ehe und Familie in Rechnung stellen und das geltende Unterhaltsrecht komplett überarbeiten. Der DAV kritisiert, dass das geltende Unterhaltsrecht unentschlossen zwischen dem Prinzip der Eigenverantwortung und dem altbundesrepublikanischen Leitbild der Hausfrauenehe hin und her laviert. Ein modernes Unterhaltsrecht müsse am Leitbild der personalen Eigenverantwortlichkeit jedes Ehepartners orientiert sein.

Unterhaltsbelastungen oft lebenslang

Der DAV verweist auf die historische Entwicklung des Unterhaltsrechts. Bis zum Jahr 1976 war das deutsche Scheidungs- und Unterhaltsrecht vom Verschuldensprinzip geprägt. Die große Reform des Scheidungsrechts ersetzte im Jahr 1976 das Verschuldensprinzip durch das Zerrüttungsprinzip und verband  dies mit detailliert geregelten Unterhaltsansprüchen, die - abgesehen von einigen Ausnahmen - ebenfalls weitgehend von Verschuldensgesichtspunkten unabhängig waren. Dies führte in der Praxis zu erheblichen und langjährigen, oft lebenslangen Belastungen des Unterhaltspflichtigen.

Die Reformen blieben immer Stückwerk

Im Jahr 1986 brachte das UÄndG erstmals den Gedanken einer (begrenzten) Eigenverantwortlichkeit des Unterhaltsberechtigten durch Einführung der Möglichkeit, den nachehelichen Unterhalt (Aufstockungsunterhalt) zeitlich zu begrenzen und unter bestimmten Voraussetzungen herabzusetzen. Mit dem UÄndG 2008 wurden die Möglichkeiten der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts erweitert, das Prinzip der eigenverantwortlichen Versorgung der Ehepartner deutlich gestärkt und schließlich durch die Änderung des § 1578b BGB im Rahmen einer Billigkeitskontrolle die Möglichkeiten der Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs zusätzlich ausgedehnt.

Unterhaltsverpflichtung nicht planbar

Der DAV kritisiert, dass diese Reformen auf der Hälfte des Weges stehen geblieben sind und inzwischen nicht mehr klar ist, ob die personale Eigenverantwortlichkeit oder doch der lebenslange Versorgungsgedanke Leitbild des Unterhaltsrechts ist. Die Billigkeitsvorschriften seien inzwischen auch durch die Rechtsprechung völlig überfrachtet. Von dem grundsätzlichen, in § 1569 BGB formulierten Prinzip, das jeder Ehepartner für sich selbst zu sorgen hat, mache das Gesetz und auch die Rechtsprechung so viele Ausnahmen, dass die Höhe der Unterhaltsverpflichtungen grundsätzlich nicht mehr vorhersehbar und planbar sei

Die Grundprinzipien eines modernen Unterhaltsrechts

Aus diesen Widersprüchen muss der Gesetzgeber nach Meinung des DAV herausfinden und das Prinzip der Lebensstandardgarantie endgültig aus dem Unterhaltsrecht verbannen. Hierzu formuliert der DAV die Grundprinzipien eines modernen Unterhaltsrechts:

  • Eigenverantwortung als Leitmotiv, das heißt nach der Scheidung versorgt sich jeder Ehegatte grundsätzlich selbst.
  • Grundlage für die Berechnung der Höhe des Unterhalts sind nicht die Bewahrung eines bestimmten Lebensstandards, sondern allein die Bedürftigkeit des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.
  • Billigkeitsentscheidungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Reduzierung auf drei Unterhaltstatbestände

1. Betreuungsunterhalt

  • Betreuungsunterhalt soll zu gewähren sein, solange ein Elternteil ein gemeinsames Kind betreut.
  • In den ersten drei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Kindes soll den betreuenden Elternteil nach Auffassung des DAV keine Obliegenheit treffen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
  • Nach Vollendung des dritten Lebensjahres des gemeinsamen Kindes soll Betreuungsunterhalt nur noch dann verlangt werden können, soweit und solange eine Betreuung durch dritte Personen nicht möglich ist.
  • Von einem Betreuungsbedarf soll in der Regel bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres des gemeinsamen Kindes auszugehen sein.

Wichtig: Ansprüche auf Betreuungsunterhalt soll es nicht nur für Ehepaare, sondern auch für nicht verheiratete Eltern eines Kindes geben.

2. Kompensationsunterhalt

Ein Ehegatte soll nach der Scheidung von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen können, soweit er aufgrund einer qualifizierten Aufgabenteilung während der Ehe finanzielle Nachteile erlitten hat, die nach der Scheidung fortbestehen. Dies gilt beispielsweise für den Ehepartner, der während der Ehe Kinder versorgt und deswegen eine Berufsausbildung oder seinen Beruf aufgegeben hat und hierdurch fortwährende Einkommensnachteile in Kauf nehmen muss. Versorgungsnachteile, die während der Ehe entstanden sind, sollen allerdings keine Nachteile im Sinne der Vorschrift sein.

 

Wichtig: Die Höhe des Unterhalts soll sich nicht nach dem bisherigen Lebensstandard, sondern nach dem angemessenen Lebensbedarf des Berechtigten richten

3. Übergangsunterhalt 

Der Übergangsunterhalt soll für eine Übergangszeit nach der Ehe gewährt werden und dem berechtigten Ehegatten die Möglichkeit geben, seine Lebensstandard ohne große Brüche auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. Hier soll für die Höhe des Unterhalts der Maßstab das Lebensniveau sein, das der Unterhaltsberechtigte aus eigener Erwerbstätigkeit erreichen könnte.

 

Wichtig: Der Übergangsunterhalts soll in der Regel einen Zeitraum von zwei Jahren nicht überschreiten.

Vieles an den Vorschlägen des DAV ist zu begrüßen 

Der DAV hat seine Vorschläge sämtlichen, für die Erarbeitung von Gesetzentwürfen und die Gesetzgebung zuständigen Organen zugeleitet. Ob die vorgeschlagenen Beschränkungen von Unterhaltsansprüchen in jeder Hinsicht dem ethischen Leitbild der Gesellschaft gerecht werden und der schwächere Ehepartner durch die Vorschläge zumindest partiell nicht doch zu stark benachteiligt wird, darüber wird noch zu diskutieren sein. Die beabsichtigte

  • stärkere Betonung der Eigenverantwortlichkeit und
  • eine starke Vereinfachung des Unterhaltsrechts durch eine Reduktion der Unterhaltstatbestände

wird jedenfalls das Unterhaltsrecht für alle verständlicher und für Juristen sicher auch leichter händelbar machen. Insoweit sind die Vorschläge jedenfalls sehr begrüßenswert.

 

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