„Verwirkter“ Unterhaltsanspruch kann wieder aufleben
Nach fest kommt lose
Aus der im Jahr 2005 geschiedenen Ehe der Parteien war ein gemeinsames Kind hervorgegangen. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs erhielt die Ehefrau seit 2006 nachehelichen Unterhalt in Höhe von 700 Euro monatlich von ihrem Ex-Mann. Dieser machte später den Wegfall seiner Unterhaltspflicht geltend. Grund: Seine Frau hatte bereits im Frühjahr 2004 eine „auf Dauer angelegte Beziehung“ zu einem anderen Mann aufgenommen. Diese neue Beziehung ging zwar im November 2008 wieder in die Brüche. Gleichwohl bestand der Ehemann auf ein Entfallen seiner Unterhaltspflicht – auch für die Zeit ab Dezember 2008.
AG versagt weiteren Unterhalt, OLG beschränkt ihn lediglich
Das Amtsgericht gab seiner Abänderungsklage statt und versagte der Ex-Gattin wegen ihrer verfestigten neuen Lebensgemeinschaft für die Zeit ab Januar 2008 weiteren Unterhalt gemäß § 1579 Nr. 2 BGB. Das daraufhin von der Frau angerufene Berufungsgericht hat den Unterhalt für die Zeit ab Dezember 2008 indes lediglich herabgesetzt und die Frage, ob es nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu einem Wiederaufleben des Unterhaltsanspruches komme, dem BGH als Revisionsinstanz überlassen.
BGH: Beschränkter oder versagter nachehelicher Unterhaltsanspruch lebt wieder auf
Der Bundesgerichtshof bejaht diese Frage und führt aus:
„Zweck der gesetzlichen Neuregelung der Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit im Falle einer verfestigten Lebensgemeinschaft des Berechtigten ist es, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt.
Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unterhaltsanspruch kann grundsätzlich wieder aufleben, wobei es einer umfassenden Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf. Bei Beendigung der verfestigten Lebensgemeinschaft lebt ein versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur dann, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität geschuldet ist, das im Ausnahmefall eine weitergehende nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.“
Hintergrund: Neue Partnerschaft kann zu Wegfall des Unterhaltsanspruchs führen
Schon nach der Rechtsprechung zum alten Recht konnte ein länger andauerndes Verhältnis des Unterhaltsberechtigten zu einem anderen Partner einen Härtegrund i.S.v. § 1579 Nr. 7 BGB a.F. darstellen, der zur Unzumutbarkeit einer weiteren uneingeschränkten Unterhaltsbelastung für den Unterhaltspflichtigen führte, wenn sich die Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hatte, dass sie als eheähnliches Zusammenleben anzusehen und gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten war. Dazu mussten die neuen Partner nicht einmal räumlich zusammenleben und einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Beurteilung, ob ein „eheähnliches Zusammenleben“ vorliege, oblag vielmehr dem Tatrichter im Einzelfall. Mit Neufassung des § 1579 Nr. 2 BGB zum 1. Januar 2008 in Kraft wurde die verfestigte Lebensgemeinschaft als eigenständiger Härtegrund in das Gesetz übernommen.
Endgültig aus der ehelichen Solidarität gelöst
Eine verfestigte Lebensgemeinschaft kann insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie
- ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt,
- das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit,
- größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims
- oder die Dauer der Verbindung
den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahe legen. Ausschlaggebend ist aber, ob der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte, der eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt.
Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs bei Wegfall des Härtegrundes?
Nach Auffassung des BGH kann ein nach § 1579 BGB beschränkter oder versagter Unterhaltsanspruch bei Wegfall des Härtegrundes grundsätzlich wieder aufleben. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift von der früheren Regelung in § 66 EheG, die noch eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs vorsah.
Der BGH verweist zudem argumentativ auf die Regelung des § 1586a Abs. 1 BGB, wonach bei Auflösung einer Zweitehe gegenüber dem geschiedenen ersten Ehegatten (nur) der Betreuungsunterhalt wieder auflebt. Zwar beinhalte die Eingehung einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht zwangsläufig eine gleiche endgültige Wirkung wie die Eingehung einer neuen Ehe. Auch der Vorschrift des § 1579 Nr. 2 BGB liege allerdings die Überlegung zugrunde, dass ein widersprüchliches Verhalten des Unterhaltsberechtigten vorliegt, wenn er sich in eine neue verfestigte Lebensgemeinschaft begebe, aber gleichzeitig die nacheheliche Solidarität aus der geschiedenen Ehe einfordere.
Praxishinweis: Solidarität nur wegen der Kinder
Nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen lebt ein nach § 1579 Nr. 2 BGB versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig nur im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur ausnahmsweise, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität gefordert werden kann, das eine fortdauernde nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann. Auch die Eingehung einer neuen Ehe des Unterhaltsberechtigten führe stets zur endgültigen Auflösung der nachehelichen Solidarität, so dass es für ein Wiederaufleben anderer Tatbestände an einer Legitimation fehlt, während ein Wiederaufleben des Betreuungsunterhalts auf das schutzwürdige Interesse der gemeinsamen Kinder zurückzuführen sei.
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.7.2011, XII ZR 84/09)
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