Sittenwidrige Begrenzung des nachehelichen Betreuungsunterhalts bei klassischer Rollenverteilung
Anlässlich ihrer Heirat schlossen die Eheleute einen Ehevertrag, wobei für die Ehe grundsätzlich der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelten sollte.
Ehevertrag war sehr einseitig
Bei Beendigung der Ehe, ausgenommen im Todesfall eines Ehegatten, wurde ein unabänderlicher Ausschluss des Zugewinns vereinbart.
Zudem wurde der Verzicht des nachehelichen Unterhalts vereinbart. Ausgenommen hiervon war der Fall, dass ein Ehegatte in Not gerät. Diese Notlage sollte laut Ehevertrag dann vorliegen,
„wenn dem Ehegatten der monatliche notwendige Eigenbedarf - Selbstbehalt - nach der überwiegend verwendeten Unterhaltstabelle, derzeit die Düsseldorfer Tabelle, nicht zur Verfügung steht. An Unterhalt wird dann geschuldet die Differenz zwischen den tatsächlichen Einkünften des Ehegatten und dem Betrag des notwendigen Eigenbedarfs. … Dieser notwendige Unterhalt kann nur dann verlangt werden, wenn der bedürftige Ehegatte zum Zeitpunkt des Verlangens Kinderbetreuungsunterhalt nach den §§ 1570, 1572 Nr. 2 BGB verlangen könnte.“
Ehefrau war aufgrund Kinderbetreuung in Teilzeit berufstätig
Die Beteiligten waren zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages beide vollschichtig berufstätig. Knapp drei Jahre später wurde der erste Sohn und nach zwei weiteren Jahren der zweite Sohn geboren.
Die Ehefrau, welche zuvor als Assistentin der Geschäftsführung in einem Unternehmen tätig war, arbeitete nach der Geburt des ersten Kindes auf Teilzeitbasis im Autohaus des Ehemannes, der weiterhin dort als geschäftsführender Gesellschafter in Vollzeit arbeitete.
Nach der Trennung war die Ehefrau der Ansicht, dass der Ehevertrag sie unangemessen benachteilige und deshalb nichtig sei.
Auskunft in Hinblick auf Zugewinn und Unterhalt beantragt
Im Scheidungsverbundverfahren hatte sie daher Stufenanträge zum Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt erhoben und Auskunft über das Vermögen ihres Ehemannes nebst entsprechenden Nachweisen verlangt. Das Amtsgericht Celle hatte einen Auskunftsanspruch mit Bezugnahme zum Ehevertrag abgelehnt.
- Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau hatte vor dem OLG Celle hinsichtlich des Auskunftsanspruches zum nachehelichen Unterhalt schließlich Erfolg.
- Die Abweisung des Auskunftsanspruches hinsichtlich des Zugewinnausgleichs war nach Auffassung des OLG hingegen nicht zu beanstanden.
Betreuungsunterhalt gehört zum Kernbereich der Scheidungsfolgen
Nach dem Beschluss des OLG ist die im Ehevertrag getroffene Regelung zum nachehelichen Unterhalt sittenwidrig und daher nichtig, da sie den Betreuungsunterhalt, der zum Kernbereich der gesetzlich geregelten Scheidungsfolgen gehört,
- in einer Weise begrenze,
- die eine dem Kindeswohl entsprechende Kinderbetreuung
- entweder ausschließe
- oder die damit verbundenen Einbußen alleine auf die wirtschaftlich schwächere Ehefrau überwälze,
argumentierte das Gericht.
Wo liegt beim Ehevertrag die Grenze der Vertragsfreiheit?
Grundsätzlich unterliegen die Folgen einer Scheidung der Vertragsfreiheit der Ehepartner. Diese Vertragsfreiheit
- findet jedoch nach der ständigen Rechtsprechung ihre Grenze dort,
- „wo die Vereinbarung zu einer einseitigen
- und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigten Lastenverteilung führt,
- die für einen Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint.
Daher kann eine solche vertragliche Regelung von vorne herein nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein.
Kernbereich der Scheidungsfolgen ist besonders geschützt
Die mit einer Regelung verbundenen Lasten wiegen dabei umso schwerer, je mehr die vertragliche Vereinbarung in den Kernbereich der Scheidungsfolgen
- z.B. neben des Alters- und Krankenvorsorgeunterhalts
- insbesondere der Anspruch auf Unterhalt wegen Betreuung minderjähriger Kinder
eingreift. Schließen die Beteiligten daher zu Lasten eines Ehegatten Ansprüche aus dem Kernbereich der Scheidungsfolgen aus oder schränken sie diese so ein, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung nicht mehr erreicht werden kann, so ist die Vereinbarung sittenwidrig, soweit sie nicht ausnahmsweise durch besonders bedeutsame Belange des anderen Ehegatten gerechtfertigt erscheint.
Absicht zur Familiengründung entspricht Konzeption der Ehe und der allgemeinen Lebenserfahrung
Eine Modifikation oder Ausschluss dieses Anspruches hindere allerdings dann nicht die Wirksamkeit des Vertrages, wenn bei Vertragsschluss ein Kinderwunsch noch nicht bestand oder aufgrund der beiderseitigen Berufstätigkeit beider Ehegatten noch nicht absehbar war, dass einer der Ehegatten seine Berufstätigkeit aufgeben würde, so das Gericht. Dies war vorliegend jedoch nicht gegeben, da es bei kinderlosen Ehegatten im gebärfähigen Alter naheliege, dass diese eine Familie gründen möchte. Auch war bereits bei Heirat absehbar, dass die Ehefrau die beruflichen Einschränkungen, welche mit der Kinderbetreuung regelmäßig einhergehen, alleine zu tragen haben würde. Diese bereits bestehende „Tendenz zur Alleinverdienerehe“ führe somit dazu, dass die Modifikation des Betreuungsunterhaltes in den Kernbereich der Scheidungsfolgen eingreife und einer besonderen Wirksamkeitskontrolle zu unterziehen sei.
Finanziellen Folgen der Kindererziehung einzig von der Ehefrau getragen
Da in vorliegendem Fall der Anspruch auf Betreuungsunterhalt vielmehr insgesamt ausgeschlossen werden sollte und nur im Notfall auf das Existenzminimum als Obergrenze beschränkt war, würden die erheblichen finanziellen Folgen der Kindererziehung einzig von der Ehefrau getragen, ohne dass hierfür entsprechende Regelungen getroffen wurden, welche sich für die Ehefrau günstig auswirken und den Verzicht auf Betreuungsunterhalt hätten ausgleichen können.
Verzichts-Klausel-Recht hätte u.U. auch wegen Treuwidrigkeit nicht ausgeübt können
Ergänzend wies das Gericht darauf hin, dass ein Auskunftsanspruch auch dann bestünde, wenn bei Heirat noch kein konkreter Kinderwunsch bestanden hätte:
„Zwar wäre die entsprechende Klausel dann wirksam gewesen. In diesem Falle hätte aber die (dann von den Erwartungen der Beteiligten bei Vertragsschluss abweichende) Geburt von Kindern die Grundlage der Klausel entfallen lassen, so dass der Ehemann die aus der Klausel fließenden Rechte nach Treu und Glauben möglicherweise nicht hätte ausüben dürfen.“
(OLG Celle, Beschluss v. 13.09.2018, 17 UF 28/18).
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