Bewertungsfragen beim Ermitteln des Pflichtteilsanspruch
In einem von BGH zu beurteilenden Fall hatte die Klägerin als Abkömmling der am 14.01.2001 verstorbenen Erblasserin die Erbschaft ausgeschlagen und anschließend Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Doch dazu musste erst Mal der Wert der Erbschaft einschließlich mittlerweile veräußerter Grundstücke ermittelt werden.
Grundstücke deutlich unter Schätzwert veräußert
Zum Nachlass gehörten 3 Grundstücke, deren Bewertung zwischen den Parteien streitig war. Sämtliche Grundstücke waren zeitnah zu dem Erbfall gutachterlich geschätzt und später zu einem teils wesentlich niedrigeren Preis veräußert worden. So wurde ein zum 01.05.2001 durch den städtischen Gutachterausschuss auf einen Wert von 499.500 EUR geschätztes Grundstück am 21.10.20002 für 175.000 EUR veräußert.
Da die Vorinstanzen sich zum Ärger der Pflichtteilsberechtigten bei der Bestimmung des Nachlasswertes im wesentlichen an den tatsächlich erzielten Verkaufserlösen orientiert hatten, griff die Pflichtteilsberechtigte diese Bewertungen mit der Revision beim BGH an.
Grundsatz: Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls ist entscheidend
Der BGH repetierte in seiner Entscheidung die Rechtsprechungsgrundsätze zur Wertermittlung von Grundstücken bei Pflichtteilsansprüchen. Rechtlicher Ausgangspunkt für die Wertermittlung ist § 2311 Abs. 1 BGB. Entscheidend ist hiernach der Wert eines Grundstücks zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Hierbei ist der Wert nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen so zu ermitteln, als sei der Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalls in Geld umgesetzt worden (BGH, Urteil v. 14.10.1992, IV ZR 211/91). § 2311 Abs. 2 BGB lässt die Wertermittlung durch Schätzung zu. Hiernach ermittelt in der Praxis ein öffentlich bestellter Gutachter i.d.R. den Verkaufswert zum Zeitpunkt des Erbfalls.
Höhe des Veräußerungserlöses ist maßgeblich
Die gutachterliche Wertermittlung eines Grundstücks ist mit nicht unerheblichen Unsicherheiten behaftet.
Daher ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein zeitnah mit dem Erbfall erzielter Verkauferlös als zuverlässigerer, realitätsnäherer Wertbestimmungsfaktor regelmäßig einer gutachterlichen Wertermittlung vorzuziehen (BGH, Urteil v. 24.03.1993 IV ZR 291/91).
Dies gilt nach Auffassung des Senats unabhängig davon, ob der erzielte Verkaufserlös über dem gutachterlich ermittelten Wert oder ob er darunter liegt. Dass die Vorinstanzen sich an den tatsächlichen Verkaufserlösen für die Wertbestimmung orientiert hatten, beanstandete der BGH daher grundsätzlich nicht.
Darlegungs- und Beweispflichtig ist der Pflichtteilsberechtigte
Nach Auffassung der BGH–Richter trifft den Pflichtteilsberechtigten auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein später erzielter niedrigerer Verkaufserlös nicht dem tatsächlichen Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls entspricht. Im konkreten Fall hätte die Klägerin z.B. Umstände darlegen und beweisen müssen, die eine Wertverschlechterung der Grundstücke für die Zeit zwischen Erbfall und Veräußerung nahegelegt hätten.
Die bloße Behauptung der Klägerin, die Erbengemeinschaft habe die Grundstücke verkommen lassen, reichte dem Senat nicht. Auch der Umstand, dass eines der Grundstücke erst ca. 3 Jahre nach dem Erbfall veräußert worden sei, spräche nicht gegen die Maßgeblichkeit des tatsächlich erzielten Veräußerungserlöses für die Wertbestimmung, vielmehr sei ein Zeitraum bis zu 5 Jahren noch hinnehmbar.
Zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen
Konkret beanstandete der BGH-Senat allerdings, dass die Vorinstanz maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin zu wertbildenden Faktoren der Grundstücke und einen Beweisantritt hierzu übergangen habe. Dies sei eine Verletzung des Gebots auf die Gewährung rechtlichen Gehörs. Hierüber musste das Berufungsgericht erneut verhandeln.
(BGH, Beschluss v. 25.11.2010, IV ZR 124/09).
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