Zugewinnausgleich: Zugewinn: keine Ausnahmen von der Stichtagsreg

Ein Ehepaar beschließt die Trennung. Der wirtschaftlich stärkere Partner hat ein bisschen was angelegt. Der Weg von der Einreichung des Scheidungsantrags bis zum Ausspruch der Scheidung sollte nicht von galoppierendem Vermögensverfall geprägt sein: Wenn von dem Ersparten plötzlich nichts mehr da ist, kann es nach neuerem Recht Überraschungen geben.

Der Scheidungsantrag wurde am 01.März 2006 zugestellt. Der Ehemann verfügte zu diesem Zeitpunkt über ein Aktiendepot mit einem Kurswert von ca. 21.000 EUR und auch sonst über ein paar Vermögenswerte, so dass sich ein Zugewinn von insgesamt knapp 40.000 EUR errechnete. Seine Ehefrau hatte keinen Zugewinn erzielt.

Galoppierender Vermögensverfall?

Das Scheidungsurteil wurde im April 2010 rechtskräftig. Nach eigenen Angaben war der Ehemann zu diesem Zeitpunkt praktisch vermögenslos, insbesondere hatte das Aktiendepot infolge von Kursschwankungen erheblich an Wert eingebüßt. Er war daher der Meinung, der Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Ausgleich des Zugewinns sei entsprechend der Regelung in § 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB auf das noch vorhandene Vermögen zu beschränken.

Böswillige Vermögensminderungen vermeiden

Der Ehemann unterlag mit seiner Rechtsauffassung über 3 Instanzen. Ausgangspunkt der Beurteilung war für die Gerichte § 1384 BGB. Hiernach ist der für die Berechnung des Zugewinns maßgebliche Zeitpunkt der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags. Mit dieser seit dem Jahre 2008 geltenden Regelung wollte der Gesetzgeber den Ausgleichspflichtigen der Versuchung berauben, durch geschickte Gestaltungen während des laufenden Scheidungsverfahrens sein Vermögen wesentlich zu Ungunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu minimieren.

Gesetz in der Kritik

In der Rechtswissenschaft wird diese gesetzliche Regelung für den Fall kritisiert, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte in der Zeit zwischen Beginn und Beendigung des Scheidungsverfahrens unverschuldet einen größeren Teil seines Vermögens verliert. Dadurch würde der Rechtsgedanke des  § 1378 Abs. 2BGB verletzt. Diese Vorschrift verfügt eine Deckelung des Ausgleichsanspruchs auf die Summe des Vermögens, das bei Beendigung des Güterstandes noch vorhanden ist. Sinn der Vorschrift ist es, zu verhindern, dass der Ausgleichspflichtige sich zum Zeck der Finanzierung des Ausgleichsanspruchs verschulden muss. Diese Deckelung sei daher in die Vorschrift des § 1384 BGB hineinzulesen.

Keine Einschränkung der Stichtagsregelung

Der in dieser Sache in letzter Instanz zuständige BGH ließ sich von dieser Wissenschaftsmeinung nicht beeindrucken. Sowohl nach der Gesetzessystematik als auch nach Sinn und Zweck des § 1384 BGB komme eine einschränkende Auslegung nicht in Betracht. Das Ziel des Gesetzgebers, illoyale Vermögensverschiebungen durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner zu vermeiden, sei sonst nicht zu erreichen. Eine Begrenzung sei auch ungerecht, denn an Vermögenszuwächsen in der Zeit nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags nehme der Ehepartner ja auch nicht teil.

Eine Hintertür für Korrekturen bleibt offen

Und das ist die Reglung des § 1381 BGB. Danach kann der ausgleichspflichtige Ehepartner den Ausgleich des Zugewinns verweigern, wenn die Zahlung unter Berücksichtigung aller Umstände grob unbillig erscheinen würde, z.B. bei völligem Vermögensverfall durch einen unabwendbaren Unglücksfall. Hierbei handelt es sich nach Auffassung des BGH allerdings um eine rechtsvernichtende Einrede, d.h. der Pflichtige muss sich ausdrücklich auf diese Vorschrift berufen. Da der Ehemann diese Einrede der groben Unbilligkeit aber nicht ausdrücklich erhoben hatte, waren deren Voraussetzungen nach Auffassung des BGH im konkreten Fall erst gar nicht zu prüfen. Der Ehemann musste zahlen.

(BGH, Urteil v. 04.07.2012, XII ZR 80/10). 


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