Diese Gesetzesänderungen treten 2022 in Kraft
Umfassende gesetzliche Neuerungen betreffen im Jahr 2022 den Infektionsschutz sowie das Kaufrecht / Schuldrecht mit einem neuen Vertragstypus und einem neuen Sachmangelbegriff. Auch Online-Verträge, die Gesetze zum Schutz der Umwelt sowie die Steuergesetze. Und nicht zuletzt gilt für Anwälte ab dem 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht des beA:
Elektronische Rechtsverkehr: Aktive beA-Nutzungspflicht
Ab dem 1.1.2022 gilt für Rechtsanwälte die aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Rechtsverkehrs. Rechtsanwälte (und Behörden) dürfen nicht mehr konventionell – per Brief und Telefax – mit der Justiz kommunizieren, sondern nur noch digital, insbesondere mittels beA und besonderem elektronischen Behördenpostfach. Folgen der Nichtbeachtung sind unzulässige Klagen und/oder versäumte Rechtsmittelfristen.
Nur bei technisch bedingten Ausfällen ist unter definierten Voraussetzungen gemäß § 130d ZPO die Ersatzeinreichung von Schriftsätzen in analoger Form noch zulässig.
§ 130a Abs. 3 ZPO (und die entsprechenden Normen in den Fachgerichtsordnungen) sieht zwei Möglichkeiten vor, die Gerichte elektronisch zu erreichen; beide Varianten genügen zur Erfüllung der aktiven Nutzungspflicht.
Bei Nutzung eines beliebigen zugelassenen Übermittlungswegs (vgl. § 4 Abs. 1 ERVV) kann ein elektronisches Dokument formwahrend eingereicht werden, wenn eine am übermittelten Dokument angebrachte qualifizierte elektronische Signatur die Identität des Absenders bestätigt, § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Var. ZPO. Alternativ kann ein sog. sicherer Übermittlungsweg genutzt werden, dessen Privilegierung darin besteht, dass eine „einfache Signatur“ (der maschinenschriftliche Name oder eine eingescannte Unterschrift der verantwortenden Person unter dem Schriftsatz) genügt, sofern die verantwortende Person – bspw. Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt – selbst das Dokument absendet.
Corona-Gesetzgebung
Frisch vom neuen Bundestag beschlossen und vom Bundesrat gebilligt sind Änderungen des IfSG, mit denen die Regelungsbefugnisse der Länder wieder ausgeweitet und sukzessive den bisherigen Befugnissen bei Ausrufung einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite durch den Bundestag angepasst werden.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht
Danach wird die partielle Impfpflicht für Personal von Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, Arztpraxen und im Rettungsdienst kurzfristig in Kraft treten. Bis zum 15.3.2022 müssen sämtliche in diesen Bereichen tätigen Personen vom Reinigungsdienst bis zum medizinischen Personal geimpft oder genesen sein, es sei denn es besteht im Einzelfall eine medizinische Kontraindikation für die Impfung.
Impfungen auch durch Apotheken u.a.
Der Kreis der impfberechtigten Personen wird mit Beginn des Jahres 2022 erweitert. Impfberechtigt sind künftig auch Apotheker, Zahn- und Tierärzte.
Begrenzte Lockdowns wieder möglich
Weitere Änderungen an dem Maßnahmenkatalog des § 28a IfSG ermöglichen künftig regional wieder die Schließung von Geschäften und gastronomischen und kulturellen Einrichtungen. Ausgangsbeschränkungen und Reiseverbote bleiben weiterhin ausgeschlossen. Nach einer vom Bundesrat gebilligten Regierungsverordnung wird den Ländern darüber hinaus die Möglichkeit eingeräumt, bei Bedarf Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene vorzusehen.
Änderungen im Kaufrecht / Schuldrechtsreform
Zum 1.1.2022 treten massive Änderungen im Kaufrecht in Kraft. Die bisher EU-weit gültige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird zum 1.1.2022 komplett ersetzt durch die „Waren-Kaufrichtlinie (WKRL) EU 2019/771“. Mit dem „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrages“ hat der Bundestag die Vorgaben der WKRL in nationales Recht umgesetzt. Bei Kaufverträgen über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen gelten grundsätzlich ähnliche, im Detail aber deutlich modifizierte Rechte, wie sie auch sonst im Kaufvertragsrecht gelten.
Künftig drei unterschiedlich geregelte Verbraucherkaufverträge
Künftig ist bei Verbraucherkaufverträgen zu unterscheiden zwischen dem
- Kaufvertrag über (analoge) Waren (§ 434 BGB n.F.),
- dem Kaufvertrag über Waren mit digitalen Elementen (künftig geregelt in § 327a BGB n.F.) sowie
- dem Kaufvertrag über digitale Produkte (§327b BGB n.F).
Neuer Sachmangelbegriff im Verbraucherkaufvertrag
Eine wichtige Neuerung betrifft dabei den Sachmängel-Begriff. Mangelhaft ist eine Sache künftig gemäß nur noch, wenn
- sie der vereinbarten, also der nach dem Vertrag vorausgesetzten subjektiven Beschaffenheit, §§ 434 Abs. 2, 327e BGB, n.F.
- und kumulativ den nach objektiven Maßstäben zu beurteilenden branchenüblichen Beschaffenheitsanforderungen, § 434 Abs. 3, §27e BGB n.F., nicht entspricht.
Verbraucherfreundlichere Gewährleistungsregelungen
Im Rahmen von Verbraucherverträgen werden die Anforderungen an die Pflichten des Verbrauchers bei Geltendmachung von Gewährleistungsrechten deutlich erleichtert. Gemäß § 475d Abs. 1 Nr.1 BGB n.F. setzt bereits die Mitteilung des Mangels durch den Verbraucher an den Käufer künftig automatisch eine angemessene Frist zur Nacherfüllung in Gang, so dass es eines ausdrücklichen Nacherfüllungsverlangens nicht mehr bedarf.
Geänderter Verjährungsbeginn
Auch die Verjährungsfristen ändern sich zugunsten des Verbrauchers. Gewährleistungsansprüche verjähren bei Sachen mit digitalen Elementen gemäß § 475e Abs. 3 BGB n.F. erst 2 Monate nach dem erstmaligen Auftreten eines Mangels, so dass beim Auftreten eines Mangels am letzten Tag der Verjährungsfrist sich die Gewährleistungsfrist entsprechend verlängert. Abweichende Vereinbarungen zu Ungunsten des Verbrauchers sind unzulässig.
Mehr Verbraucherschutz, besonders im Digitalen
Einige Vorschriften zum Verbraucherschutz werden 2022 verschärft. Dies gilt sowohl für den analogen als auch für den Online-Handel, ebenso für die Eindämmung der Abzocke bei Kaffeefahrten und Haustürgeschäften.
Neue Transparenzpflichten für Online-Marktplätze
Ab 28.5.2022 tritt für Online-Marktplätze (Amazon, eBay oder Vergleichsportale) eine erweiterte Informationspflicht zu den angebotenen Waren und Dienstleistungen in Kraft. Die Betreiber müssen
- die Verbraucher über die Gewichtung für das Ranking von Suchergebnissen zu Produkten informieren.
- Die Informationspflicht betrifft auch die zentralen Parameter für mögliche Kaufentscheidungen wie etwa das Datum der Einstellung des Angebots,
- die Bewertung des Produkts bzw. des Anbieters sowie
- Provisionen und Entgelte.
- Der Kunde ist auch darüber aufzuklären, welche Vorkehrungen das Unternehmen zur Überprüfung der Echtheit von Bewertungen getroffen hat.
Die Pflichten gelten unabhängig davon, ob die Bestellung als solche über das Internet, per E-Mail oder per Telefon erfolgt. Bei Verstößen sind Bußgelder bis zu 50.000 Euro oder bis zu 4 % des Jahresumsatzes möglich.
Verkürzte Kündigungsfrist für Verbraucherverträge
Für Verbraucherverträge mit automatischer Verlängerungsklausel, die ab dem 1.3.2022 geschlossen werden, gilt eine verkürzte Kündigungsfrist. Statt der bisher in den AGB solcher Verträge üblichen mehrmonatigen Kündigungsfrist, gilt künftig eine Kündigungsfrist von einem Monat. Verpasst der Verbraucher die Kündigungsfrist, so verlängert sich der Vertrag automatisch nur noch auf unbestimmte Zeit. Das bedeutet in der Praxis für Verbraucher ab dem Verlängerungszeitpunkt eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit mit einer Kündigungsfrist von einem Monat.
Kündigung durch einfachen Klick
Bei laufzeitgebundenen Onlineverträgen gilt ab 1.7.2022: Bereits auf der Homepage muss ein Kündigungsbutton platziert sein, der dem Verbraucher die Kündigung des Vertrages durch einfachen Klick ermöglicht.
Höhere Anforderungen an Garantien
Garantieversprechen müssen künftig einfach und verständlich gefasst sein, § 479 BGB n.F.. Sie müssen
- einen Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln (Gewährleistungsrechte) enthalten,
- den Hinweis, dass die Gewährleistungsrechte durch die Garantie nicht geschmälert werden,
- Name und Anschrift des Garantiegebers sowie
- eine verständliche Erklärung des Verfahrens für die Geltendmachung der Garantie.
Verbraucheranspruch auf Updates
Gemäß § 327f BGB n.F. erhalten Erwerber von digitalen Produkten künftig ein Recht auf Aktualisierungen, die für die Nutzung der digitalen Produkte erforderlich sind. Hierzu gehören ausdrücklich auch Sicherheitsupdates.
Schutz vor Abzocke auf Kaffeefahrten
Ab dem 28.5.2022 verbietet das „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ auf Kaffeefahrten den Verkauf von Versicherungen, Bausparverträgen, Nahrungsergänzungsmittel und Medizinprodukten. Außerdem müssen die Veranstalter künftig die Teilnehmer solcher Kaffeefahrten über ihre Rechte informieren, ihre Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse mitteilen, um den Teilnehmern gegebenenfalls eine schnelle Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Bereits im Vorhinein sind die Teilnehmer darüber aufzuklären, welche Art von Waren auf der Kaffeefahrt angeboten wird und ob bzw. unter welchen Bedingungen ein Widerrufsrecht besteht. Hierdurch soll insbesondere die Zielgruppe der älteren Menschen vor unlauteren Verkaufsmethoden bei solchen Angeboten geschützt werden.
Haustürgeschäfte
Bei Haustürgeschäften gilt ab dem 28.5.2022: Nur beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen mit einem Verkaufspreis von unter 50 Euro darf der Erwerber sofort zur Zahlung aufgefordert werden. Bei Beträgen ab 50 Euro darf frühestens am Folgetag kassiert werden.
Arbeitnehmer, berufliche Teilhabe
Betriebliche Altersversorgung
Wer ab dem Jahr 2019 eine betriebliche Altersvorsorgeversicherung abgeschlossen hat, erhält 15 % Zuschuss vom Arbeitgeber. Dies ändert sich insofern, als der Arbeitgeber den Zuschuss ab 2022 auch für früher abgeschlossene Verträge zahlen muss. Bei Arbeitnehmern die mehr als 58.050,- Euro brutto jährlich verdienen, kann der Zuschuss gleitend reduziert werden.
Arbeitgeberanteile für Rentner
Ab 1.1.2022 müssen Arbeitgeber in Abweichung zu den vergangenen Jahren wieder die Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung für im Unternehmen beschäftigte Rentner zahlen.
Corona-Bonus
Für Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber einen Corona-Bonus erhalten, ist dieser bis 31.3.2022 bis zu einer Höhe von 1.500 Euro steuerfrei. Wichtig für Minijobber: Bei Minijobs gehört ein gewährter Corona-Bonus nicht zum regulären Verdienst und führt daher nicht zur Überschreitung der Verdienstgrenze.
Mindestlohn
Der Mindestlohn steigt ab 1.1.2022 von derzeit 9,60 Euro auf 9,82 Euro pro Stunde und ab 1.7.2022 auf 10,45 Euro pro Stunde. Dies gilt solange, bis die neue Koalition die angekündigte Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro eingeführt hat. Für bestimmte Handwerke wie Gebäudereiniger, Elektriker, Maler u.a. gelten eigenständige Mindestlöhne.
Auch für Azubis gilt ein „Mindestlohn“. Ab 2022 beträgt die Mindestausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr 585 Euro. In den folgenden Ausbildungsjahren erhält der Auszubildende Zuschläge von 18,35 % bzw. 40 %. Für das Maler- und Lackiererhandwerk gelten höhere Beträge. Für Ausbildungsberufe nach Landesrecht (Erzieher, Physiotherapeut, Logopäde) gilt die Mindestlohnregelung nicht.
Mindestalter bei Betriebsratswahlen sinkt
Das Mindestlebensalter bei der Wahl des Betriebsrates sinkt. Ab 2022 dürfen Beschäftigte ab einem Lebensalter von 16 Jahren den Betriebsrat mitwählen.
Mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderungen
Das Teilhabestärkungsgesetz sieht für Menschen mit Behinderungen ab dem 1.1.2022 Erleichterungen im Arbeitsleben vor. Insbesondere gegenüber dem Jobcenter und den Arbeitsagenturen erhalten Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte wie andere Leistungsempfänger.
Verlängerung der Hinzuverdienstgrenze für Rentner
Im Rahmen der Corona-Gesetze wurde die Hinzuverdienstgrenze für Rentner in vorgezogener Altersrente angehoben. Diese Regelung wird bis Ende 2022 verlängert. Der betroffene Personenkreis kann 2022 bis zu 46.060 Euro ohne Kürzung der vorgezogenen Altersrente hinzuverdienen.
Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie
Für den Verlauf des Jahres 2022 ist auch die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht zu erwarten, die bereits im Dezember 2021 EU-weit in Kraft getreten ist. Die neue Ampelkoalition möchte die Richtlinie 1 zu 1 umsetzen. Sie beabsichtigt u.a. einen Schutz der Hinweisgeber vor Abmahnung und Kündigung, wenn diese Verstöße ihres Unternehmens gegen nationales oder gegen EU-Recht melden. Unternehmen müssen hiernach in ihren Betrieben ein Verfahren zu anonymisierten Hinweisen bei Gesetzesverstößen einrichten. Bisher liegt insoweit aber nur ein Gesetzentwurf der alten Koalition vor.
Gesundheitswesen / Gesundheit
Änderungen im Gesundheitswesen betreffen in erster Linie verwaltungstechnische Aspekte im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens, aber auch die Organspende und den Schutz der Bürger vor gesundheitsschädlichen Stoffen.
Organspende
Ab März 2022 sollen Patienten in Hausarztpraxen gemäß dem zum 1.3.2022 in Kraft tretenden „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ intensiv über die Möglichkeiten der Organspende informiert werden. Erklärungen für oder gegen die Organspende sollen künftig auch elektronisch unter https://www.organspende-register.de/ erklärt werden können. Die dortigen Eintragungen haben die gleiche Rechtswirkung wie der Organspendeausweis, der daneben weiter gültig bleibt. Die bisher geltende Entscheidungslösung wird durch die Neuregelung nicht tangiert.
Das elektronische Rezept (E-Rezept) kommt
Ab 1.1.2022 erhalten gesetzlich Versicherte in der Arztpraxis für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur noch elektronische Rezepte. Zur Einlösung des E-Rezepts in der Apotheke wird die E-Rezept-App, die elektronische Gesundheitskarte oder eine von der Krankenkasse ausgegebene PIN-Nummer benötigt. Das bisherige Rezept auf Papier dürfen Arztpraxen bei technischen Schwierigkeiten noch in einer Übergangszeit bis 30.6.2022 ausgeben. Patienten ohne Smartphone können in der Arztpraxis einen Ausdruck mit Rezeptcode erhalten.
Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Ab 1.7.2022 erhalten Arbeitgeber von den Ärzten eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Auch hier erhalten Arztpraxen Übergangsfristen bei technischen Problemen.
REACH-VO für Tattoo-Studios
Ab 4.1.2022 werden europaweit über 4.000 gefährliche Chemikalien in Tattoofarben beschränkt bzw. verboten, die karzinogene Stoffe enthalten. Mit der REACH-VO werden ab Januar 2022 Grenzwerte für einzelne Stoffe und Stoffgruppen eingeführt, die Krebs erregen oder Schäden am Erbgut hervorrufen können.
Kosmetika
Ab 1.3.2022 verbietet die Verordnung über kosmetische Produkte die Verwendung dort aufgelisteter, krebsverdächtiger und umweltschädlicher Stoffe in Kosmetika.
Pflegereform
2022 tritt die Pflegereform in Kraft. Der Beitrag in der gesetzlichen Pflegeversicherung wird ab dem vollendeten 23. Lebensjahr für Kinderlose auf 0,35 % angehoben. Zum Ausgleich zahlt die Pflegeversicherung künftig differenzierte Zuschläge zu dem Eigenanteil an den Pflegekosten, die im vierten Pflegejahr auf bis zu 70 % steigen.
Steuern
Wie nach jedem Jahreswechsel gelten neue Einkommensgrenzen und Freibeträge für die Einkommenssteuer, daneben wird die Tabaksteuer neu geregelt.
Einkommenssteuer
Die Einkommensgrenzen für sämtliche Einkommensteuern steigen 2022 um 1,17 %. Die Höhe entspricht der Inflationsrate des Jahres 2021. Damit soll der Effekt der kalten Progression ausgeglichen werden. Der Grundfreibetrag der Einkommensteuer steigt für Ledige auf 9.984 Euro, für Verheiratete auf 19.968 Euro. Im gleichen Umfang erhöhen sich die Beiträge, bei denen Steuerzahler Unterhaltszahlungen an Angehörige als außergewöhnliche Belastung abziehen können. Der Spitzensteuersatz von 42 % betrifft 2022 jährlich zu versteuernde Einkommen ab 58.597 Euro (doppelter Betrag bei gemeinsam veranlagten Ehegatten).
Neue Steueroption für mittelständische Unternehmen
Personengesellschaften erhalten die interessante Option ab Januar 2022 durch niedrigere Steuersätze ihre finanzielle Liquidität zu stärken. Ab 1.1.2022 können Personengesellschaften und Partnergesellschaften nach ihrer Wahl wie Kapitalgesellschaften besteuert werden. Die Vor- und Nachteile sollten vor einer entsprechenden Wahl mit dem Steuerberater erörtert werden. Für Einzelunternehmen gilt die Wahlmöglichkeit nicht.
Neuer Bewertungsmaßstab für die Grundsteuer
Beginnend mit dem 1.1.2022 erfolgt eine steuerliche Neubewertung der Grundstücke. Zur Ermittlung der Höhe der Grundsteuer tritt ab dem Jahr 2025 der neue Grundsteuerwert an die Stelle des bisherigen Einheitswertes. Grundstückseigentümer können ab Juli 2022 über Elster die erforderlichen Erklärungen zur Neubewertung ihres Grundbesitzes digital übermitteln. Erklärungen sind bis 31.10.2022 abzugeben. Fristverlängerungen sind möglich.
Homeoffice-Pauschale wird verlängert
Die Homeoffice-Pauschale von 5 Euro pro Tag, maximal 600 Euro pro Jahr, soll verlängert werden. Betroffene Arbeitnehmer können diese Beträge als Werbungskosten und Unternehmer als gewinnmindernde Betriebsausgaben bis Ende 2022 geltend machen.
Tabaksteuer
Die Tabaksteuer für eine Packung mit 20 Zigaretten steigt mit dem „Tabaksteuermodernisierungsgesetz“ 2022 um durchschnittlich zehn Cent. Ab dem 1.7.2022 unterliegen auch die Substanzen für E-Zigaretten der Tabakbesteuerung. Die Steuer für Tabak für Wasserpfeifen wird auf die Höhe der Steuer für Filter-Zigaretten angehoben. Mit dem Jahr 2023 und den Folgejahren werden weitere Erhöhungen fällig.
Umweltschutz
Kurzfristig in Kraft tretende Umweltgesetze betreffen im wesentlichen den Schutz vor einer Vermüllung der Umwelt durch Elektroschrott, Plastik und Verpackungsmüll, aber auch die Luftreinhaltung und den Tierschutz.
Plastiktütenverbot
Ab 1.1.2022 dürfen keine Einweg-Kunststofftragetaschen mehr mit einer Wandstärke von 15 bis 50 Mikrometer in Umlauf gebracht werden. Nicht betroffen sind die sehr dünnen „Hemdchenbeutel“ in Obst- und Gemüseabteilungen, also Plastiktüten mit einer Wandstärke von weniger als 15 Mikrometern.
Verpackungen
Ab 1.1.2022 tritt gemäß § 15 Abs. 1 VerpackG eine neue Nachweispflicht über die Erfüllung der Rücknahme- und Verwertungsanforderungen für Hersteller und Vertreiber von Verpackungen in Kraft. Ab 01.07.2022 müssen Betreiber von elektronischen Marktplätzen und Fulfillment-Dienstleister die Registrierung und Lizenzierung der vertraglich gebundenen Hersteller prüfen. Für sämtliche Hersteller sowie Letztinverkehrbringer von Serviceverpackungen tritt ab diesem Zeitpunkt eine Registrierpflicht im Verpackungsregister LUCID in Kraft.
Verstärkte Pfandpflicht
Ab 1.1.2022 gilt die Pfandpflicht für sämtliche Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff und Getränkedosen, also künftig auch für Säfte und Smoothies in Plastikbehältern. Ausgenommen sind Milchprodukte in Dosen oder Plastikflaschen. Jede Verkaufsstelle, die Einweggebinde mit dem gleichen Material verkauft, ist zur Rücknahme der Verpackungen unabhängig von Form oder Marke verpflichtet. Ausnahmen gelten für Läden mit einer Verkaufsfläche unter 200 m² (Kioske). Für bereits im Handel befindliche Getränke gilt eine Übergangsfrist bis 1. Juli 2022.
Einrichtung von Rücknahmestellen für Elektrogeräte
Hersteller, Händler und auch Onlinehändler sind 2022 verstärkt zur kostenlosen Rücknahme und zum Recycling von Elektro-Altgeräten verpflichtet. Für die Einrichtung von Rücknahmestellen gilt allerdings eine Übergangsfrist bis zum 01.07.2022. Die Rücknahmepflicht betrifft auch die Hersteller von Elektrogeräten, dort allerdings mit einer Übergangsfrist bis zum 1.1.2023.
Auch Lebensmitteleinzelhandel muss Elektrogeräte zurücknehmen
Mit dem 1.1.2022 treten verschiedene neue Bestimmungen des ElektroG in Kraft. Hiernach muss der Lebensmitteleinzelhandel, wenn er zumindest gelegentlich neue Elektrogeräte zum Kauf anbietet und über eine Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 m² verfügt, die Rücknahme von Altgeräten gewährleisten. In der Praxis bedeutet das, dass Verbraucher kleine Elektrogeräte wie Rasierer, Mobiltelefone und Taschenrechner künftig auch im Discounter kostenlos abgeben können, und zwar auch dann, wenn sie kein neues Gerät kaufen. Bei größeren Geräten (Fernseher, Waschmaschinen) ist die Rücknahmepflicht an den Kauf eines neuen Geräts gebunden.
Neue TA-Luft
Bereits zum 1.12.2021 ist die neue TA-Luft als zentrales Instrument zur Verringerung von Emissionen von Luftschadstoffen in Kraft getreten. Hiernach müssen eine Reihe von Unternehmen, die genehmigungspflichtige Anlagen betreiben, mit behördlichen Anordnungen zur Einhaltung der Grenzwerte für die Emission von Luftschadstoffen rechnen. Für kleine Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe gelten nach § 22 BImSchG ab 1.1.2022 strengere Anforderungen.
Endgültiges Aus für das Kükenschreddern
Mit dem 1.1.2022 tritt eine Änderung des Tierschutzgesetzes in Kraft, die es verbietet, „Küken von Haushühnern der Gallus gallus zu töten“. Aus dem Ausland importierte Eier unterliegen dieser Regelung allerdings nicht und dürfen weiterhin in Deutschland verkauft werden.
Verkehrsrecht/Mobilität
Der Straßenverkehr soll sicherer werden. Hierzu sieht der Gesetzgeber verschiedene Maßnahmen wie Assistenzsysteme zur Verringerung von Unfällen vor. Daneben warten 2022 aber auch einige verwaltungstechnische Änderungen auf Fahrzeugbesitzer und Führerscheininhaber.
Verpflichtende Assistenzsysteme
Im Lauf des Jahres 2022 wird eine Reihe von Assistenzsystemen in Fahrzeugen Pflicht. Ab 6. Juli 2022 ist eine autonome Notbremse, die in Notsituationen eine automatische Bremsung einleiten, in neu verkauften Transportern und PKW Pflicht.
Zum Ende des Jahres 2022 sollen neu verkaufte Busse, LKW, Transporter und PKW zwingend mit einer digitalen Schnittstelle für eine Alkoholsperre ausgerüstet werden. Hierdurch wird es alkoholisierten Fahrern unmöglich, das Fahrzeug zu starten. Außerdem soll ein Geschwindigkeitsassistent Autofahrer warnen, wenn sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten.
Alte Führerscheine verlieren Gültigkeit
Führerscheine erhalten ein Ablaufdatum. Nach einer EU-Verordnung sind Führerscheine grundsätzlich nur noch 15 Jahre gültig und müssen dann umgetauscht werden.
- Personen, die zwischen 1953 und 1958 geboren wurden, müssen ihren bis zum 31.12.1998 ausgestellten Führerschein bis zum 19. Januar 2022 tauschen,
- die Jahrgänge 1959 bis 1964 bis zum 19. Januar 2023.
Für Führerscheine die nach dem 31.12.1998 ausgestellt wurden, gelten gestaffelte Umtauschfristen. Führerscheininhaber, die vor 1953 geboren wurden, haben Zeit bis zum 19. Januar 2033.
Geänderte Förderbedingungen für Plug-in-Hybride
Ab dem 1.1.2022 erhalten Käufer von Plug-in-Hybriden die E-Auto-Prämie nur noch, wenn das Fahrzeug elektrisch eine Mindestreichweite von 60 km aufweist, für 2023 soll die Reichweite voraussichtlich auf 80 km angehoben werden.
Fernzüge: Keine Tickets mehr beim Bahnschaffner
Die Bahn beendet den Ticketverkauf in Zügen. Ab 2022 ist es nicht mehr möglich, in Fernzügen ein Ticket beim Schaffner zu buchen. Bahnkunden haben allerdings das Recht, innerhalb von 10 Minuten nach der Abfahrt des Zuges ein Ticket digital per Smartphone oder Laptop nachzubuchen.
Zensus 2022
Im Mai 2022 werden die Menschen in Deutschland wieder gezählt. Gemäß EU-Verordnung 763/2008 sind die Mitgliedstaaten alle zehn Jahre zur Bevölkerungszählung verpflichtet. Im Mai soll stichprobenartig die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen sowie die Zahl der Wohnungen und Gebäude erfasst werden. 2021 war die Zählung pandemiebedingt verschoben worden.
Pläne aus dem Koalitionsvertrag
Die Rechtsänderungen für das Jahr 2022 wurden – mit Ausnahme des IfSG - noch im wesentlichen von der alten Regierung bzw. dem bisherigen Bundestag angestoßen und waren infolge der Bundestagswahl im Herbst nicht ganz so zahlreich wie in den Vorjahren. Nach den aus dem Ampel-Koalitionsvertrag ersichtlichen umfangreichen Gesetzesvorhaben der neuen Koalitionsregierung dürfte für den Jahreswechsel 2022/23 wieder ein umfangreicheres Änderungspaket zu erwarten sein.
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