Die Fälle wegen Mietminderung aufgrund Ungezieferbefalls vor Gericht ähneln sich häufig in einem Punkt, nämlich den Einlassungen von Mieter und Vermieter. Der Mieter macht eine erhebliche Beeinträchtigung seines ungestörten Mietgebrauchs geltend, der Vermieter wendet ein: Selber schuld! Der Mieter müsse nur auf Hygiene und Sauberkeit achten, dann werde auch kein Ungeziefer angelockt.
Entscheidende Frage: Wer hat den Ungezieferbefall zu verantworten?
Für die Gerichte ist die Entscheidung häufig nicht ganz einfach. Einig ist sich die Rechtsprechung darin, dass der Befall einer Wohnung durch Ungeziefer den vertraglichen Gebrauch der Mietsache in erheblicher Weise beeinträchtigen kann. Juristisch ist deshalb die Frage von Bedeutung, wer den Ungezieferbefall zu verantworten hat.
Ein Bett voller Wanzen
Kürzlich hatte das AG Stuttgart darüber zu befinden, ob der Mieter einer Wohnung zur Minderung berechtigt ist, wenn er während seines Nachtschlafs in seinem Bett grundsätzlich nicht alleine ist, weil sich dort eine größere Zahl ungebetener Gäste in Form von Wanzen tummelt, die ihm nächtens auf juckende Art und Weise Gesellschaft leisten. Auch hier wandte der Vermieter mangelnde Hygiene und Sauberkeit des Mieters ein.
Sachverständiger: Die Wanzen reisen in der Einkaufstüte an
Das Gericht hat Beweis durch Sachverständigengutachten erhoben. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Bettwanzen mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das Einbringen von Taschen, Gepäckstücken oder auch gebrauchten Gegenständen durch den Mieter oder durch seine Gäste in die Wohnung gelangt waren.
Einkaufen gehört zum bestimmungsmäßigen Mietgebrauch
Die Schlussfolgerung des Vermieters, damit sei ja wohl der Mieter selbst verantwortlich für den Bettwanzenbefall und damit die Mietminderung ungerechtfertigt, war allerdings vorschnell. Das AG urteilte nämlich, dass das Einbringen von Taschen und Gegenständen in die Wohnung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache gehört und dem Mieter nicht vorgeworfen werden kann. Jeder Einkauf bringe die Gefahr einer Einschleppung von Wanzen mit sich, ohne dass dem Mieter mangelnde Hygiene oder Reinlichkeit vorgeworfen werden könne. Nach Darstellung des Sachverständigen existierten auch keine Maßnahmen zur Prävention, die vom Mieter in zumutbarer Weise gefordert werden könnten.
60 % Minderung wegen Wanzenbefall
Dass der Befall mit Bettwanzen den Gebrauch der Mietsache in erheblicher Weise beeinträchtigt, stand für das Gericht außer Frage. Es gestand dem Mieter daher eine Minderung der Bruttomiete in Höhe von 60 % zu.(AG Stuttgart, Urteil v. 30.3.2021, 35 C 5509/19).
AG Berlin sieht Bettwanzen im Verantwortungsbereich des Mieters
Anders hatte das AG Berlin-Neukölln in einem vergleichbaren Bettwanzen Fall entschieden. Auf eine entsprechende Rüge des Mieters, sein Bett sei voller Wanzen, beauftragte die Vermieterin einen Kammerjäger, der die Wanzen vernichtete. Die hierdurch entstandenen Kosten in Höhe von knapp 340 Euro wollte sie vom Mieter ersetzt haben. Das AG sprach der Vermieterin den Zahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu. Der Befall mit Bettwanzen liege im Gefahrenbereich des Mieters. Er habe seine mietvertragliche Obhutspflicht zur Pflege und Reinhaltung der Mietsache zumindest fahrlässig verletzt. Damit sei er für die entstandenen Kosten verantwortlich und müsse diese der Vermieterin erstatten (AG Berlin-Neukölln, Urteil v. 8.3.2017, 16 C 395/16).
Kugelkäfer bevölkerten jede Wohnungsritze: 50 % Minderung
Nach einer Entscheidung des AG Trier berechtigt eine Kugelkäferplage in der Wohnung den Mieter zur Minderung des Mietzinses um 50 %. Zeugen hatten in der Verhandlung ausgesagt, die Tiere seien in der gesamten Wohnung, auf Tischen, auf dem Sofa zu sehen gewesen und sogar in Kaffeetassen geklettert. Der Aufenthalt in der Wohnung sei widerlich und unerträglich gewesen.
Mieter forderte gesundheitsschonende Schädlingsbekämpfung
Die Besonderheit des Falles lag darin, dass der Vermieter einen Schädlingsbekämpfer mit der Beseitigung der Käferplage beauftragt hatte, der Mieter diesem aber keinen Zutritt zur Wohnung gewährt hat. Begründung des Mieters: Er sei von der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der eingesetzten Mittel nicht überzeugt gewesen, der Schädlingsbekämpfer habe keine Bereitschaft gezeigt, ihn über verwendeten Inhaltsstoffe aufzuklären. Das AG vertrat die Auffassung, dass der Vermieter auf die Bedenken des Mieters hätte eingehen und für die Verwendung von umwelt- und gesundheitsverträglichen Mitteln hätte sorgen müssen (AG Trier, Urteil v. 11.9.2008, 8 C 53/08)
Tierische Urteile anderer Gerichte:
Das AG Bremen hat einem Mieter wegen erheblichen Mottenbefalls einen Minderungsanspruch in Höhe von 25 % zugesprochen, AG Bremen, Urteil v. 16. 12. 2001, 25 C 0118/01.
Nistende Vögel, Ungeziefer im Efeubewuchs an der Hausfassade berechtigen nicht zur Mietminderung, AG Köpenick, Urteil v. 3.5. 2013,12 C384/12.
Mäuse in einer Stadtwohnung können eine Mietminderung von 100 % rechtfertigen, AG Brandenburg, Urteil v. 6.8.2001, 32 C 520/00.
Permanent vor einem Wohnungsfenster nistende Tauben rechtfertigen eine Mietminderung von 30 %, AG Pforzheim, Urteil v. 9.3.2000, 2 C 160/98.
Ratten im Innenhof hinter der Wohnung rechtfertigen eine Mietminderung in Höhe von 10 %, AG Aachen, Urteil v. 19.4.2000, 5 C 5/00.
Ratten in der Wohnung können demgegenüber eine Minderung bis zu 80 % rechtfertigen, AG Dülmen, Urteil v. 15.11.2012, 3 C 128/12.
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