Lockerungen beim Erfolgshonorar für Anwälte treten am 1.10.2021 in Kraft
Änderungen der Reform auf den letzten Metern
Mit der Reform bezweckt der Gesetzgeber eine Angleichung der bestehenden Wettbewerbssituation zwischen Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern. Insbesondere die Vereinbarung von Erfolgshonoraren soll Rechtsanwälten dort ermöglicht werden, wo dies auch für Inkassodienstleister möglich ist.
Darüber hinaus bringt die Reform erweiterte Informationspflichten für Legal-Tech-Anbieter gegenüber Verbrauchern und definiert den Begriff des Inkasso klarer als bisher. Einen Rückzieher hat der Gesetzgeber allerdings gegenüber der ursprünglich geplanten Reform insoweit gemacht, als er das Verbot der Prozessfinanzierung durch Anwälte nun doch nicht lockert.
Legal-Tech: Vorsprung durch Technik und mehr Berufsfreiheit
Legal-Tech-Unternehmen sind in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen. Diese nutzen IT-Technik, um eine Vielzahl gleich-, meist einfach gelagerter Fälle zu bearbeiten. Nicht absehbar oder gewollt war, dass sie die Gesetzeslage für sich ausnutzen und Anwälten das Revier zu sehr streitig machen. Der Trick: Die Anbieter stützen ihre Tätigkeit rechtlich auf einfache Inkassolizenzen, unter denen sie teils umfangreiche Rechtsdienstleistungen anbieten, die nach Meinung der Anwaltschaft nicht selten über das zulässige Maß hinausgehen.
Legal-Tech-Firmen sichern sich auch größere Mandate
Immer mehr zum Problem für Anwälte wird diese Konkurrenz, seitdem sie nicht mehr nur Inkassodienste bei geringen Streitwerten erbringen, sondern sich auch die großen, werthaltigen Mandate sichern wie z.B.
- Fluggast- oder Bahngastrechte-Entschädigungen,
- Ansprüche aus der Mietpreisbremse,
- aus dem Dieselabgasskandal
- oder kartellrechtliche Schadensersatzansprüche.
Reform bringt Eingrenzung des Inkassobegriffs
Bereits im November 2020 hatte das BMJV ein Gesetzentwurf zur Reform des anwaltlichen Berufsrechts vorgelegt und diesen anschließend mehrfach überarbeitet. Nach der Überarbeitung wird die Reform nun auch eine inhaltliche Definition des Begriffs „Inkasso“ enthalten.
Das soll der zu beobachtenden Ausuferung des Inkassobegriffs entgegenwirken und der Tendenz begegnen, alles, was nicht unter den Begriff der Rechtsdienstleistung im engeren Sinne subsummiert werden kann, als Inkassotätigkeit zu qualifizieren. Zugunsten der Anwaltschaft wird der Begriff „Inkasso“ künftig wieder auf seinen Kern- und Wesensgehalt zurückgeführt, der darin besteht, dem Inkasso-Kunden zur Durchsetzung einer bestehenden Forderung zu verhelfen. Die Legal-Tech-Anbietern erteilten Inkasso-Lizenzen sollen dadurch in Zukunft besser auf inkassotypische Tätigkeiten eingegrenzt werden. Eine rechtliche Prüfung und Beratung ist nur hinsichtlich der Einziehung der Forderung erlaubt, Nebenleistungen bleiben aber wie bisher erlaubt, darüber hinausgehende Beratungstätigkeiten sind unzulässig, § 13 Abs. 2 RDG n.F..
Nebenleistungen bleiben problematisch
Trotz dieser Eingrenzungsversuche werden auch künftig die Grenzen einer Inkassolizenz nicht klar und eindeutig gezogen, denn auch nach der Reform werden unmittelbar mit der Forderungsdurchsetzung zusammenhängende Neben- und Hilfstätigkeiten zulässig sein. Die Qualifizierung als Nebenleistung soll aber strenger an dem Kriterium gemessen werden, dass die Nebenleistung dem Kernbereich der Inkassotätigkeit dient. Die Abgrenzung im Einzelfall wird aber auch in Zukunft mit Schwierigkeiten verbunden bleiben.
Die rechtliche Beratung über die Erfolgsaussichten einer Forderungsdurchsetzung ist auch in Zukunft einem Inkassounternehmen gemäß § 5 RDG erlaubt. Diese Frage hatte allerdings auch schon das BVerfG in einer grundlegenden Entscheidung zur Zulässigkeit der rechtlichen Prüfung und Beratung durch Inkassounternehmen geklärt (BVerfG, Beschluss v. 20.2.2002, 1 BvR 423/99).
Grenzen eines zulässigen Inkassos
Nicht erlaubt sind nach der Reform
- Tätigkeiten, die nicht mehr unmittelbar dem wirtschaftlichen Zweck der Forderungsdurchsetzung dienen
- und daher nicht mehr als Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG qualifiziert werden können.
Die Abwehr von Forderungen kann hiernach eindeutig nicht mehr unter den Begriff der Inkassotätigkeit subsummiert werden. Bisher waren die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen in diesen Bereichen teilweise deutlich weiter gezogen.
Legal-Tech mit Zielrichtung Prozessführung bleibt erlaubt
Die Qualifizierung einer Dienstleistung als Inkassotätigkeit wird auch in Zukunft nicht dadurch infrage gestellt, dass Legal-Tech-Anbieter mit ihren Angeboten von vorneherein nicht auf eine außergerichtliche, sondern auf eine gerichtliche Geltendmachung von Forderungen abzielen, wie dies beispielsweise der Legal-Tech-Anbieter „myright“ bei den VW-Diesel-Klagen praktiziert hat.
Erweiterte Informationspflichten für Inkassodienstleister
Ergänzend werden Inkassodienstleistern künftig gemäß §§ 13b, 13c RDG n.F. konkrete Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern auferlegt. Hierzu gehören
- ein Hinweis auf alternative Möglichkeiten für den Verbraucher zur Durchsetzung einer Forderung,
- ein Hinweis auf die mit einem Prozessfinanzierer getroffenen Vereinbarungen,
- ein Hinweis darauf, ob ein Vergleichsabschluss nur mit Zustimmung des Verbrauchers möglich ist bzw. ob eine Widerrufsmöglichkeit besteht sowie
- die Bezeichnung, Anschrift und elektronische Erreichbarkeit der für den Inkassodienstleister zuständigen Aufsichtsbehörde.
Allerdings ist gemäß § 4 RDG n.F. eine Rechtsdienstleistung künftig nicht nur deshalb unzulässig, weil aufgrund eines Vertrages mit einem Prozessfinanzierer diesem gegenüber Berichtspflichten bestehen.
Begrenzung möglicher Kostenabwälzung
Gemäß § 13 e Abs. 1 RDG n.F. kann ein Gläubiger die Kosten, die ihm der Inkassodienstleister für seine Tätigkeit berechnet als Schadenersatz gegenüber seinem Schuldner nur bis zur Höhe der Vergütung geltend machen, die einem Rechtsanwalt nach dem RVG zustehen würde. Fremdgelder hat der Inkassodienstleister unverzüglich an die empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein von dem übrigen Vermögen des Inkassodienstleisters getrenntes Sonderkonto einzuzahlen
Prozessfinanzierung und Erfolgshonorar als Lockmittel für Mandanten
Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) dürfen Legal-Tech- und Inkassounternehmen Prozesse finanzieren und Honorare für den Erfolgsfall vereinnahmen und schaffen so einen besonderen Anreiz für Mandanten, die sonst zum Anwalt gegangen wären. Der aber ist an die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) gebunden, die solche Angebote im Wesentlichen verbieten (§ 49b Abs. 2 S.1 BRAO, § 4a RVG).
Regelungen für Inkassodienstleister und Anwälte werden angeglichen
Der BGH hat bereits in einer Entscheidung Ende 2019 klargestellt, dass registrierte Inkassodienstleister rechtliche Beratungstätigkeiten erbringen dürfen, ohne dabei – ähnlich wie Anwälte - berufsrechtlichen Verboten zu unterliegen (BGH, Urteil v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18). Dieses Urteil war u.a. Auslöser für die jetzige Reform, deren Ziel es ist, die Ungleichbehandlung deutlich zu Gunsten der Anwaltschaft abzumildern.
Bisher keine Erfolgshonorare für Rechtsanwälte
Eine Ausnahme von dem Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren gemäß § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO existiert für Rechtsanwälte bisher lediglich nach § 4a Abs. 1 Satz 1 RVG. Danach dürfen sie ein Erfolgshonorar vereinbaren, wenn
der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.
Gebotene kritische Distanz des Anwalts zum Fall muss erhalten bleiben
Die bisherigen Verbotsvorschriften dienen dem Schutz der Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsausübung. Rechtsanwälte sind auch Organ der Rechtspflege. Man befürchtet, dass zu starke finanzielle Anreize ihre Unabhängigkeit gefährden (BVerfG, Beschluss v. 12.12.2006, 1 BvR 2576/04). Daher werden auch mit der Reform nur Lockerungen des Erfolgshonorarverbots in dem Maß und in den Bereichen vorgenommen, in denen Inkassodienstleister tätig sind. Daher werden auch mit der Reform nur Lockerungen des Erfolgshonorarverbots in dem Maß und in den Bereichen vorgenommen, in denen Inkassodienstleister tätig sind.
Kein oder geringeres als gesetzliches Honorar bleibt für streitige Gerichtsverfahren untersagt
Künftig dürfen Anwälte die gesetzliche Vergütung unterschreiten und sogar ganz darauf verzichten, aber nur
- bei außergerichtlicher Inkassodienstleistung,
- im Mahn- oder Zwangsvollstreckungsverfahren oder
- wenn der Mandant Anspruch auf Beratungshilfe hätte (§ 4 RVG n.F.).
Zum Erfolgshonorar darf gearbeitet werden:
- bei Gegenstandswerten bis zu 2.000 EUR, soweit eine pfändbare Geldforderung geltend gemacht und für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag auf die gesetzliche Vergütung vereinbart wird, § 4a Abs. 2 RVG n.F. (No-win-no-fee-Prinzip),
- bei außergerichtlicher Inkassodienstleistung, im Mahn- oder Zwangsvollstreckungsverfahren unabhängig vom Gegenstandswert, § 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RVG n.F..
Im übrigen bleibt es bei der bisherigen Regelung, dass ein Erfolgshonorar dann zulässig ist, wenn der Mandant sonst sein Recht nicht verfolgen würde. Im Unterschied zu früher ist es aber nicht mehr erforderlich, dass der Mandant aus wirtschaftlichen Gründen von der Verfolgung seines Rechts abgehalten würde (§ 4a RVG n.F.).
Anwaltschaft kritisiert Reform als halbherzig
Die Anwaltschaft kritisiert diese Regelungen als zu wenig weitgehend, da außerhalb der mit der Reform gezogenen engen Zulässigkeitsgrenzen immer noch ein erheblicher Wettbewerbsnachteil gegenüber den Legal-Tech-Anbietern verbleibt. Das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht (IPA) kritisiert in seiner schriftlichen Stellungnahme vom Dezember 2020, dass dem Gesetzgeber der Mut zu der naheliegenden Lösung fehlt, auch Legal-Tech-Unternehmen die Vereinbarung von Erfolgshonoraren schlicht zu untersagen. Die Legal-Tech-Branche kontert mit dem Argument, dass eine finanziell schlechter gestellte Klientel häufig erst durch die Option eines Erfolgshonorars in die Lage zu einer effektiven Verfolgung ihrer Rechte versetzt würde.
Prozessfinanzierung durch Anwälte bleibt unzulässig
Eine Übernahme von Gerichts- und Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter sollte Anwälten nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf ebenfalls erlaubt werden, allerdings nur in Kombination mit einem Erfolgshonorar bei Gegenstandswerten bis zu 2.000 EUR bei außergerichtlicher Inkassodienstleistung und im Mahn- oder Zwangsvollstreckungsverfahren. Diese Option wurde in der endgültigen Fassung nach Kritik auch aus der Anwaltschaft nicht übernommen.
Legal-Tech unter RDG-Aufsicht
Die Rechtsaufsicht über Inkasso-Unternehmen wird strenger gestaltet. Die RDG-Aufsicht erhält die Aufgabe, Geschäftsmodelle von Legal-Tech-Anbietern vorab zu prüfen. Den Prüfungsergebnissen soll eine Tatbestandswirkung bei einem möglichen späteren Rechtsstreit über die Einhaltung des Inkassobegriffs zukommen.
Reform bringt keine volle Waffengleichheit
Der vom Kabinett mit der Neuregelung verfolgte Zweck, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die Möglichkeit zu eröffnen, unter den gleichen Bedingungen Rechtsdienstleistungen anzubieten wie registrierte Inkassodienstleister, wird im Ergebnis nach Auffassung der Anwaltschaft nicht erfüllt. Auch mit der Reform entstehe keine wirkliche Waffengleichheit im Wettbewerb von Anwaltschaft und Legal-Tech.
Nachbesserungen der Reform nicht ausgeschlossen
Der Gesetzgeber hat dieses Problem gesehen und beabsichtigt innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren das Erfordernis weiterer Anpassungen im Hinblick auf die Kohärenz zwischen den berufsrechtlichen Anforderungen an die Anwaltschaft und an Rechtsdienstleister zu prüfen. Auch eine weitere Öffnung der Möglichkeiten zur Vereinbarung von Erfolgshonoraren für die Anwaltschaft sowie der Übernahme von Verfahrenskosten in Verbindung mit der Vereinbarung von Erfolgshonoraren sollen in den nächsten Jahren ausdrücklich in der Diskussion bleiben.
Hintergrund:
Gemäß § 2 Abs. 1 RDG ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Nach dem RDG ist die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nur bei ausdrücklicher Gestattung erlaubt, also beispielsweise Rechtsanwälten oder Inkassounternehmen.
- Rechtsanwälte dürfen in der Regel aber keine Erfolgshonorare vereinbaren
- Die Provision bei den Legal Techs ist aber fast immer ein solches Erfolgshonorar.
Anwälte fühlen sich durch diese Praxis benachteiligt.
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