Rettung der Zulassung des insolventen Anwalts durch Anstellung/Beaufsichtigung in einer Sozietät?
Ein Anwalt musste mit Forderungen von insgesamt 3,6 Mio Euro Insolvenz anmelden, nachdem er sich mit Immobiliengeschäften in den 90er Jahren verspekuliert hatte. Zum weitaus überwiegenden Teil handelte es sich um Verbindlichkeiten gegenüber Banken, sowie um rückständige Einkommensteuern in Höhe von rund 290.000 Euro. Die Anwaltskammer widerrief daraufhin die Anwaltszulassung.
Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden
Begründung für den Widerruf: Ein Ausnahmefall, bei dem trotz der Insolvenz eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen werden könne, liege nicht vor. Die von dem Anwalt vorgetragenen Vorkehrungen zum Schutze der Interessen der Rechtsuchenden seien nicht ausreichend bzw. nicht überzeugend. Der Anstellungsvertrag mit der „B. Steuerberatungsgesellschaft B., A. und S.“, dessen einziger Anwalt der Sohn des Pleitiers gewesen ist, sei ebenso wenig ausreichend wie die sonstigen vorgetragenen Vorkehrungen zum Schutze der Mandanten.
Beaufsichtigung des insolventen Anwalts erforderlich
Das sahen die Karlsruher Richter im Ergebnis genauso. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt Vermögensverfall vor,
wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist,
die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann
und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Hier gilt gem. § 14 Abs. 2 Nr. 7, 2. Halbsatz BRAO die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls, da über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet und er deshalb in das vom Insolvenzgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist.
Wann kann trotz Vermögensverfall vom Widerruf der Zulassung abgesehen werden?
„Von einem Widerruf kann nur dann abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbundenen typischen Gefahren nicht bestehen (BGH, Beschl. v. 18.10.2010 - AnwZ (B) 21/10).
Um sicherzustellen, dass eine Gefährdung Rechtsuchender ausgeschlossen ist, bedarf es einer Beaufsichtigung des in Vermögensverfall geratenen Anwalts.
Dazu bietet ein Angestelltenverhältnis die beste Grundlage, vergl. BGH-Beschluss vom 22.06.2011 AnwZ (Brfg) 12/11, BRAK-Mitteilung 2011, 249.
Unter Umständen kann dies auch bei anderen Formen der Zusammenarbeit gewährleistet werden, wenngleich dann ein komplexeres Regelungswerk als in einem Angestelltenverhältnis erforderlich wird (vergl. Senat, Beschluss vom 29.08.2011, AGH 17/08 a.a.O.)“, erläutert das Gericht.
Kontrolllücken befürchtet
Im konkreten Fall ist nach Ansicht des BGH schon unklar, welches Rechtsverhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Sohn bestanden hat. Wenn es nur einen „aufsichtführenden“ Rechtsanwalt gibt, besteht das Problem, eine durchgängige Kontrolle auch bei Abwesenheiten dieses Kollegen zu gewährleisten.
„Für geplante Abwesenheiten (Urlaube, Seminare und Ähnliches), kann ein geeigneter Vertreter bestellt werden.
Für nicht vorhersehbare bzw. nicht planbare Abwesenheiten (z. B. durch Unfälle/Krankheit) können sich jedoch Kontrolllücken ergeben.
Ob und inwieweit Restrisiken im Hinblick auf Art. 12 GG hinzunehmen sind, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung“, schreiben die BGH-Richter. Hier sei der beaufsichtigende Anwalt der noch recht junge Sohn des insolventen Vaters, der noch fast ein Berufsanfänger ist, wobei sich nach außen hin auf dem Briefbogen, dem Kanzleischild und dem Internetauftritt zunächst kaum etwas geändert habe. Dies sei aus Sicht des Anwalts bzw. seines Sohnes durchaus verständlich und vielleicht sogar gewollt oder in Kauf genommen worden, da sich der Ruf der Kanzlei auf die langjährige und offenbar auch lange Zeit erfolgreiche Tätigkeit des Pleitiers gründete. Daraus ergebe sich aber eine prägende Stellung des insolventen Anwalts, sowohl in den Außenbeziehungen der Kanzlei wie auch kanzleiintern gegenüber den langjährigen Mitarbeitern und dem Sohn. Unter diesen Umständen hält der Senat es für nicht ausreichend, wenn hier nur der Sohn die Kontrollaufgaben übernimmt. Eine effektive Kontrolle erscheine damit nicht gewährleistet.
(OLG Celle, Urteil v. 8. Oktober 2012, AGH 34/11).
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