Wegfall der Geschäftsgrundlage - gelingt selten oder nie


Wegfall der Geschäftsgrundlage - gelingt selten oder nie

Es gibt einige juristische Begriffe, von denen sich der Laie oder Anfänger viel verspricht und die bei unklarer juristischer Gemengelage gerne in den Raum geworfen werden. Meist tragen sie nicht weit. Einer davon ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB. Auch Menschenwürde und Gemeinwohl sind oft nicht so belastbar wie es ihr schöner Klang verspricht.

Bis in die heutige Zeit ist der wichtigste Pfeiler des Vertragsrechts der altrömische Grundsatz „pacta sunt servanda“: Verträge sind einzuhalten. Er hat sich bis heute gut gehalten.

Wegfall der Geschäftsgundlage wird bei Argumentationsnot gerne bemüht

Eine Ausnahme von obigem Grundsatz bildet das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde zunächst auf den Grundsatz von Treu und Glaube zurückgeführt. Seit Januar 2002 besteht eine gesetzliche Regelung in § 313 BGB. Sie wird in großer Argumentationsnot gerne bemüht, greift aber nicht wirklich oft. § 313 BGB regelt, wann von einer Störung der Geschäftsgrundlage auszugehen ist. Eine solche Störung hat die folgenden 4 Voraussetzungen:

  • Anwendbarkeit, Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten (wie Unmöglichkeit, Verzug etc.),
  • bestimmte Umstände sind Grundlage, aber nicht Inhalt eines Vertrages geworden,
  • schwerwiegende Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss oder gemeinsamer Irrtum aller Vertragsparteien über wesentliche Umstände bei Vertragsschluss und
  • das Festhalten am Vertrag ist unzumutbar

§ 313 BGB als Notnagel - erst alles andere versuchen

Es ist stets erst zu versuchen, durch die Auslegung eines Vertrages eine unveränderte Vertragsfortführung herbeizuführen. Die Vertragsauslegung hat stets Vorrang vor einer Vertragsanpassung oder einem Rücktritt nach § 313 BGB. Die zweite vorrangige Variante ist Unmöglichkeit einer Leistung: Während die Unmöglichkeit den Fall des "Nicht-Könnens" erfasst, beschäftigt sich die Störung der Geschäftsgrundlage mit dem "Können-aber-nicht-zumutbar-sein".  

Was ist eine Geschäftsgrundlage?

 Diese Kriterien wurde in der gesetzlichen Regelung des § 313 BGB übernommen:

 Ein Umstand muss von mindestens einer Vertragspartei bei Vertragsschluss vorausgesetzt worden sein. Dieser Umstand war so wichtig, dass die Partei den Vertrag andernfalls nicht oder zumindest nicht so abgeschlossen hätte und die andere Partei hätte sich redlicherweise auf eine vertragliche Berücksichtigung dieses Umstandes einlassen müssen.

Wann ist die Geschäftsgrundlage wirklich mal weggefallen?

Die Frage, wann von einer Störung der Geschäftsgrundlage auszugehen bzw. wann dies nicht der Fall ist, lässt sich an 2 Urteilen des BGH aufzeigen. In einem Fall lehnte der BGH eine Störung der Geschäftsgrundlage ab, in dem anderen nahm er sie an.

Vermitteltes Mietobjekt wird nicht rechtzeitig geräumt

In dem ersten Fall (BGH, Urteil v. 14.7.2005, III ZR 45/05) hatte ein Tierarzt einen Makler mit der Suche nach einer Tierarztpraxis beauftragt. Aufgrund der Vermittlung des Maklers kam es auch zu einem Abschluss eines entsprechenden Mietvertrages zwischen Tierarzt und Vermieter. Der Tierarzt zahlte daraufhin die vereinbarte Maklercourtage.

Entgegen der Vereinbarung zwischen Tierarzt und Vermieter konnte der Vermieter aber die Mieträume nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen. Daraufhin verlangte der Tierarzt vom Makler die gezahlte Courtage unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage zurück. Der BGH lehnte dies Begehren jedoch ab. Die entsprechende Problematik sei allein zwischen Vermieter und Tierarzt zu klären. Im Verhältnis zwischen Tierarzt und Makler falle die Gefahr aber allein in den Risikobereich des Tierarztes und nicht in den des Maklers.

Dieses Beispiel zeigt, wie restriktiv die Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden ist und dass hierdurch typische Risikoverteilungen nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Mieterhöhung nach Mauerfall - die DDR als Geschäftsgrundlage

In dem zweiten Fall (BGH, Urteil v. 22.12.2004, VIII ZR 41/04) schlossen der Beklagte und der damalige Vermieter - noch in der DDR - einen Mietvertrag über ein Einfamilienhaus mit einer monatlichen Miete in Höhe von 65,30 DDR-Mark. Jahre später, nach dem Ende der DDR, wurde der Kläger Eigentümer des Grundstückes und übernahm daher auch das Mietverhältnis mit dem Beklagten.

Die Miete wurde in der Folge auf 56,42 EUR erhöht. Einer weiteren Erhöhung der Miete auf ein marktübliches Niveau verweigerte sich der Beklagte jedoch. Hier stellte der BGH fest, dass insoweit eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege und die Miete trotz des Mietvertrages auf ein übliches Maß angehoben werden dürfe. Geschäftsgrundlage des ursprünglichen Mietvertrages sei das weitere Fortbestehen der DDR mit ihren niedrigen Höchstmieten gewesen. Durch das Ende der DDR sei diese Geschäftsgrundlage entfallen und ein Festhalten an dem damaligen Mietniveau für den Kläger unzumutbar.

Ende eine nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Bricht allerdings eine Partnerschaft zusammen, kann gleichzeitig, so unromantisch es sich anhört, doch auch mal die Geschäftsgrundlage weggefallen sein. Nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommt wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung des anderen Partners , etwa ein Eigenheim, mit geschaffen wurde, ein Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB in Betracht (KG Berlin, Urteil v. 8.10.2009,8 U 196/07).  Die Beteiligten müssen dazu eine gemeinsame Lebensplanung unternommen und übereinstimmend von einem fortdauernden Zusammenleben ausgegangen sein.

Finanzkrise reicht nicht

Verneint wird der Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn sich infolge der Finanzmarktkrise die Bankkonditionen für eine Sicherheitenstellung verschärfen und es so zu einer Leistungserschwerung für den Schuldner kommt.

Niedrige Zinsen als Störung der Geschäftsgrundlage?

Um aus unwirtschaftlichen älteren Bausparverträgen mit zu hohen Zinsen zu fliehen, berufen sich Bausparkasen nicht nur auf ein Kündigungsrecht 10 Jahre nach Zuteilungsreife. 

Andere Bausparkasse kündigen Verträge, weil durch das niedrige Zinsniveau die Geschäftsgrundlage gestört sei.

Das eröffne das Recht,  Inhabern hochverzinster, über dem derzeitigen allgemeinen Zinsniveau liegender Bausparverträge zu kündigen.

Die Gerichte sahen das im vergangenen Jahr nicht so, die Richter argumentierten:

"Bei der Auflösung eines Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB handelt es sich um eine auf besondere Ausnahmefälle beschränkte Möglichkeit, die zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweisbar erscheinen muss."

Das ist bei veränderten Zinsbedingungen nicht gegeben OLG  Stuttgart, Urteil v. 23. 9. 2015, 9 U 31/15). 

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Hintergrund:

Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags wird (laut OLG Stuttgart, Urteil v. 17.03.2003, 6 U 232/02) gebildet durch die

  • nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen,
  • aber bei Vertragsschluss zutage getretenen
  • gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Vertragsparteien
  • oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei
  • vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut (BGHZ 25, 390; 74, 370; BGH NJW 1992, 2690; 1996, 990; Staudinger/Schmitt, BGB 13. Bearb., § 242 Rn. 946; Soergel/Teichmann BGB 12. Aufl., § 242 Rn. 208).
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