Der kürzeste Weg ist nicht immer der beste. Das gilt auch manchmal für die Fahrt zur Arbeit. Doch das Finanzamt will nicht immer die Entfernungspauschal für eine längere Anfahrt durchwinken. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit es mit der Pauschale auch für die längere Strecke klappt? Zeitersparnis ist wichtig, aber - wie so oft - nicht alles.

Die Entfernungspauschale für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. Betrieb von 0.30 € je Entfernungskilometer bemisst sich nach der kürzesten Straßenverbindung.

 

Längere, offensichtlich verkehrsgünstige Strecke: Auswirkung auf Entfernungspauschale

Eine andere - längere - Strecke kann nur zugrunde gelegt werden, wenn diese "offensichtlich verkehrsgünstiger" ist. Im Streitfall ging es darum, ab welcher Zeitersparnis ein längerer Fahrweg als verkehrsgünstigere Alternativstrecke angesetzt werden kann. Die beteiligten Eheleute machten die Entfernungspauschale für 69 km (Ehemann) bzw. für 30 km (Ehefrau) geltend.

 

Finanzamt legte jeweils die kürzeste Straßenverbindung zugrunde

Das Finanzamt legte jeweils die kürzeste Straßenverbindung mit 55 km bzw. 22 km zugrunde. Dem folgte das Finanzgericht. Es ging davon aus, die längere Strecke könne nur angesetzt werden, wenn sie zu einer Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten je einfacher Strecke führen könne. Das sei im Streitfall nicht nachgewiesen.

 

BFH teilt Forderung einer Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten nicht

Der BFH war nicht so heikel und lehnt das Erfordernis einer Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten ab. Er verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück. 

 

BFH-Rechtsprechung: Wann ist eine Straßenverbindung verkehrsgünstiger?

Nach BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen ist eine Straßenverbindung

  • verkehrsgünstiger, wenn der Arbeitnehmer mit ihr die Arbeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher erreicht.
  • "Offensichtlich" verkehrsgünstiger ist die Alternativstrecke, "wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liegt, dass sich auch ein unvoreingenommener, verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte".

 

Maßstab der Mindestzeitersparnis von 20 Minuten ist nicht praktikabel

Dass dabei nicht von einer Mindestzeitersparnis von 20 Minuten ausgegangen werden kann, ergibt sich schon daraus, dass manche Fahrtzeiten ohnehin 20 Minuten nicht überschreiten.

 

Aber welcher Maßstab gilt?

Die Zeitersparnis muss deshalb ins Verhältnis zur Gesamtdauer der Fahrten gesetzt werden. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend.

  • Bei einer minimalen Zeitersparnis von unter 10 % ist regelmäßig kein Grund für die Abweichung von der kürzesten Verbindung anzuerkennen.
  • Nur bei einer relativ größeren erwarteten Zeitersparnis - grundsätzlich also ab 10 % - kann die längere Strecke angesetzt werden.

Der BFH weist aber darauf hin, dass eine Alternativstrecke auch aus anderen Gründen (Streckenführung, Ampelschaltungen usw.) anerkannt werden kann, selbst wenn keine oder nur eine minimale Zeitersparnis erreicht wird.   

(BFH, Urteil v. 16.11.2011, VI R 19/11).

 

Anmerkung:

Für die Mehrzahl der Fälle dürfte die 10-%-Regel sachgerecht sein. Lediglich bei weiten Entfernungen können Umstände wie weniger anstrengendes Fahren auf Umgehungsstraßen usw. das Abweichen von der kürzesten Straßenverbindung rechtfertigen.

Ergänzend weist der BFH darauf hin, dass die Reisekosten zum Besuch einer Messe (CeBIT Hannover) anhand privater und beruflicher Veranlassungsbeiträge aufzuteilen sind, sofern keine überwiegende berufliche Veranlassung vorliegt.