Zur Anordnung der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei

Es ist einigermaßen erschreckend, dass Amtsrichter Durchsuchungsbeschlüsse von Anwaltskanzleien auf reine Vermutungen stützen. Das Landgericht Rostock hat einem allzu flink unterschreibenden Amtsrichter gehörig die Leviten gelesen.

In dem Fall ging es um den Verdacht einer uneidlichen Falschaussage von zwei Zeugen. Die Staatsanwaltschaft hegte den Verdacht, dass ein Anwalt die Zeugen entsprechend instruiert habe und beantragte einen Durchsuchungsbeschluss der Kanzleiräume beim Amtsgericht Rostock.

Durchsuchungsbeschluss ohne konkrete Ausführungen zur Haupttat

In dem Durchsuchungsbeschluss fehlten allerdings konkrete Ausführungen zu der Haupttat, an welcher sich der beschuldigte Anwalt als Gehilfe beteiligt haben soll. Dort wurde nur ausgeführt, dass es Anhaltspunkte für eine bewusste uneidliche Falschaussage gegeben habe. Die eigentliche Haupttat wurde nicht näher beschrieben, so dass die Annahme in dem Durchsuchungsbeschluss, der Anwalt habe „steuernden Einfluss auf die falschen Aussagen der Zeugin S. genommen und diese dazu angestiftet“, nicht ausreichend begründet war.

Durchsuchung unverhältnismäßig

Allerdings gebietet der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern nach § 53 StPO bei der Anordnung der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei die besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Deren Fehlen monierte das Landgericht Rostock und erklärte die Durchsuchungsanordnung für rechtswidrig. Die Strafverfolgungsbehörden hätten bei der Ausstellung von Durchsuchungsbeschlüssen auch das Ausmaß der mittelbaren Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit der betroffenen Rechtsanwälte zu berücksichtigen.

Unverletzlichkeit der Wohnung gilt auch für Kanzleiräume

Nach dem Richterspruch unterfallen auch beruflich genutzte Kanzleiräume dem Schutz des Artikel 13 GG.

In dankenswerter Klarheit führt das Gericht aus, dass Durchsuchungen in einer Anwaltskanzlei  regelmäßig die Gefahr mit sich bringen, dass unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG stehende Daten von Nichtbeschuldigten, etwa den Mandanten eines Rechtsanwalts, zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers gerade sicher wähnen durften.

Dadurch würden die Grundrechte der Mandanten berührt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liege darüber hinaus auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege.  "Diese Belange verlangen eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit der Zwangsmaßnahme. Im Einzelfall können

  • die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat,
  • eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände
  • sowie die Vagheit des Auffindeverdachts
  • der Durchsuchung entgegenstehen“, betonte das Gericht.

Was das Gericht dem Amtsrichter besonders übel nahm, war die Tatsache, dass sich der Anwalt vor Ausstellen des Durchsuchungsbeschlusses kooperationsbereit gezeigt hatte. Auch das war ein Grund dafür, die Durchsuchung wegen Unverhältnismäßigkeit für rechtswidrig zu erklären.  

(LG Rostock, Beschluss vom 21.7.2015, 18 Qs 212/14).

Vgl. zu dem Thema auch:

Wenn die Betriebsprüfer vor der Kanzleitür stehen

Wohnungsdurchsuchung bei Syndikus ohne erhärtete Verdachtsmomente = illegal

Voraussetzungen eines Durchsuchungsbeschlusses für Privatwohnungen

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Schlagworte zum Thema:  Kanzleimanagement, Verschwiegenheitspflicht