Fahrzeugschäden durch Schlaglöcher - öffentliche Verkehrssicherungspflicht
Ein PKW-Fahrer aus Oberhausen befuhr die BAB 52 im Mai 2010 bei Dunkelheit im Umgebungsbereich von Gelsenkirchen. Er durchfuhr mit seinem Fahrzeug eine Baustelle. Der rechte Standstreifen wurde als Fahrbahn genutzt. Dort polterte das Fahrzeug durch ein ca. 20 cm tiefes Schlagloch und erlitt einen Achsschaden.
Achsschaden durch Schlagloch
Die Reparaturkosten beliefen sich auf ca. 2.200 EUR. Das Schlagloch war auf einen Gullischacht zurückzuführen. Dieser war provisorisch verschlossen worden, um die Befahrbarkeit des Standstreifens für den fließenden Verkehr herzustellen. Der Landesbetrieb NRW hatte den Gulli-Schacht – wie andere Schächte auch – mit einem Eisendeckel versehen und mit Bitumenmasse und einer darüber angebrachten Teerschicht auffüllen lassen. Ein Teil dieser Füllung war herausgebrochen, was zu der 20 cm tiefen Bruchstelle führte.
Vermeidbare Gefahrenquelle
Da das Land keinen Schadenersatz leisten wollte, verklagte der Fahrzeughalter dieses auf Schadenersatz. Der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige stellte fest, dass die vom Landesbetrieb Straßenbau NRW vorgegebene Verfahrensweise zur provisorischen Schachtabdeckung nicht abschätzbare Risiken beinhalten.
Das Verkehrsaufkommen auf dem betreffenden Streckenabschnitt sei sehr hoch. Die Schachtabdeckung sei an dieser Stelle extremen Belastungen ausgesetzt. Die vom Landesbetrieb vorgegebenen Methoden seien nicht geeignet, mit der erforderlichen Sicherheit einer solchen Belastung auf Dauer standzuhalten. Andere Methoden, wie die Herstellung einer Schachtabdeckung aus Stahlbeton, seien wesentlich weniger anfällig und daher zu bevorzugen. Insofern sei die durch die Vorgaben des Landesbetriebes Straßenbau NRW entstandene Gefährdung vermeidbar gewesen.
Behörde musste Risiken kennen
Nach Auffassung des OLG hätten die vom Sachverständigen beschriebenen Gefahren dem Landesbetrieb für Straßenbau als Fachbehörde bekannt sein müssen. Ebenfalls hätte das Straßenbauamt wissen müssen, dass Alternativmethoden mit höherem Sicherheitspotenzial zur Verfügung gestanden hätten.
Verkehrssicherungspflicht verletzt
Aufgrund dieser Feststellungen kam das OLG zu dem Ergebnis, dass der Landesbetrieb durch die von ihm gemachten Vorgaben zur provisorischen Schachtabdeckung seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte. Diese schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung führe grundsätzlich zur Verpflichtung, Schadensersatz zu leisten. Das LG Heidelberg hatte in einem anderen Schlaglochfall den Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinde zurückgewiesen mit der Begründung, dass das auf der Straße befindliche Schlagloch für einen sorgfältig und vorsichtig agierenden PKW-Fahrer von seiner Größe her geradezu unübersehbar gewesen sei und hat dem Fahrer das überwiegende Verschulden an dem eingetretenen Schaden zugewiesen (LG Heidelberg, Urteil v. 07.04.2011, 5 O 269/10).
Ein solches Verschulden des Fahrzeugführers konnte das OLG Hamm im vorliegenden Fall nicht erkennen, da in der Dunkelheit die Straßenvertiefung für den Fahrer nicht zu sehen gewesen sei. Das Land musste daher den vom Fahrzeughalter geltend gemachten Schadenersatz in vollem Umfang leisten.
(OLG Hamm, Urteil v. 15.11.2013, 11 U 52/12).
Hintergrund:
Wann muss der Fahrer für die Schäden allein haften und wann sind Städte, Gemeinden oder Länder als Träger der Straßenbaulast mit von der Partie?
- Einerseits haben die Straßenbaulastträger gewisse Verkehrssicherungspflichten (z.B. Aufstellen von Warnschildern),
- andererseits besteht die Pflicht der Autofahrer, ihre Geschwindigkeiten an die entsprechenden Gegebenheiten anzupassen.
Eine wichtige Rolle spielt bei der Bewertung der Verkehrssicherungspflicht und der Haftung jedenfalls die Frage, ob es sich um eine Hauptverkehrsstraße oder ein seltener befahrene Nebenstraße handelt, wie tief bzw. hoch das Hindernis ist und ob es für den Fahrer erkennbar war bzw. mit einem Warnhinweis versehen ist.
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