Die Mutter des Klägers wurde in der 30. Schwangerschaftswoche wegen vorzeitigen Wehen im Klinikum Mannheim stationär aufgenommen. Zudem litt sie in der Schwangerschaft wiederholt an Nierenbeckenentzündungen sowie unter Schwangerschaftsdiabetes
Kläger seit Geburt schwerstbehindert
Der Schwangeren wurden zunächst wehenhemmende Mittel und Antibiotika verabreicht. Als es nach knapp zwei Wochen am frühen Morgen zu einem Blasensprung kam, wurden die wehenhemmenden Mittel abgesetzt und die Schwangere zur Einleitung einer natürlichen Geburt an einen Wehentropf angeschlossen. Nachdem die fetale Herzfrequenz am CTG einen auffälligen Befund zeigte, entschlossen sich die Ärzte zu einer Notsectio.
Schadenersatzansprüche wegen mangelnder Aufklärung?
Nach der Geburt musste der Kläger reanimiert werden. Er hatte unter anderem akutes Nierenversagen, Hirnblutungen, einen Leberinfarkt und ist seitdem schwerbehindert. Das Landgericht hatte zunächst mehrere Behandlungsfehler angenommen, welche es in der Gesamtheit als grob qualifizierte. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, deren Haftung aber auf eine unzureichende Aufklärung über die Behandlungsalternativen gestützt.
Aufklärung muss nicht wiederholt werden
Der BGH schloss sich dieser Auffassung nicht an und wies die Sache erneut an das OLG zurück. In einer normalen Entbindungssituation müsse der geburtsleitende Arzt grundsätzlich nicht über die Möglichkeit eines Kaiserschnittes sprechen. Erst wenn für das Kind ernsthafte Gefahren drohen und die Schnittentbindung eine medizinisch verantwortbare Alternative darstelle, dürfe sich der Arzt nicht eigenmächtig für eine vaginale Geburt entscheiden, sondern müsse über die Risiken der verschiedenen Entbindungsmethoden aufklären und die Einwilligung der Mutter für die Art der Entbindung einholen.
- Eine vorgezogene Aufklärung sei bereits dann erforderlich, wenn deutliche Anzeichen bestehen, dass im weiteren Verlauf der Schwangerschaft oder Geburt ein Kaiserschnitt erforderlich sein wird.
- Eine nochmalige Aufklärung sei nur notwendig, wenn sich nachträglich Umstände ergeben, die die unterschiedlichen Entbindungsmethoden in einem neuen Licht erscheinen lassen.
Keinen neuen Umstände eingetreten, die das Risiko-Nutzen-Verhältnis ändern
Vorliegend wurde die Schwangere bereits bei der stationären Aufnahme über eine Schnittentbindung aufgeklärt. In Kenntnis der problematischen Schwangerschaft und der vorzeitigen Wehentätigkeit entschied sie sich für eine vaginale Geburt. Da sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht geändert hatte, war eine zweite Aufklärung nicht notwendig.
(BGH, Urteil v. 28.10.2014, VI ZR 125/13).
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