Chefarztbehandlung vereinbart, aber nicht bekommen

Macht nichts, wenn es nicht der Chefarzt ist, der operiert – sagt das OLG Hamm. Sofern das Vertragsformular zur Chefarztbehandlung eine sogenannte Vertreterklausel enthält – und die enthalten diese Formulare (fast) immer - dann ist gegen die Durchführung einer OP durch den Vertreter nichts einzuwenden. Und wer vor der OP die Aufklärungsbögen nicht genau gelesen hat, sollte sich auch nicht wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht beschweren.

Der Kläger litt unter einer andauernden Behinderung der Nasenatmung und häufigen Entzündungen der Nasennebenhöhlen. Am 10. Juli 2007 stellte er sich in der Ambulanz der von ihm später beklagten Klinik vor und vereinbarte die Durchführung eines operativen Eingriffs. Hierzu vereinbarte er eine Chefarztbehandlung.

Komplikationen nach der OP durch den Vertreter

Am 11. Juli 2007 wurde die Operation zunächst komplikationslos von einem Vertreter des Chefarztes durchgeführt. Im Anschluss an die OP kam es zu einer Nachblutung, die mittels in die Nase eingebrachter Tamponaden gestoppt werden konnte. Eine vorübergehende Schwellung des linken Auges bildete sich komplikationslos zurück. Zwei Tage nach der OP wurde der Kläger auf eigenen Wunsch aus der Klinik entlassen.

Patient rügt multiple Behandlungsfehler

Nach seiner Entlassung forderte der Kläger von der Klinik die Zahlung eines Schmerzensgeldes aus Arzthaftung in Höhe von 75.000 EUR. Zur Begründung führte er an, die durchgeführte Operation sei

  • nicht indiziert gewesen,
  • ohne ausreichende Aufklärung durchgeführt worden,
  • die Nachblutung sei nicht sachgerecht behandelt worden,
  • wegen erlittener Angst vor dem Verbluten sei er traumatisiert und müsse psychotherapeutisch behandelt werden,
  • entgegen ausdrücklicher Vereinbarung sei die OP nicht vom Chefarzt selbst sondern von dessen Vertreter durchgeführt worden. 

Der Patient geht durch die Instanzen

Nachdem die Klinik nicht bereit war, die Forderung des Patienten zu erfüllen, klagte dieser zunächst beim LG auf Arzthaftung u.a. wegen Verletzung der Aufklärungspflichten. Nach Abweisung seiner Klage legte er Berufung beim OLG ein.

Sämtliche Rügen zurück gewiesen

Auch beim OLG scheiterte der Kläger mit seinem Begehren. Das OLG folgte ebenso wie zuvor das LG den Ausführungen des Sachverständigen, der weder einen Behandlungs- noch ein Aufklärungsfehler feststellen konnte. Das OLG stellte fest

  • die durchgeführte OP sei medizinisch indiziert gewesen, weil die zuvor über die Dauer von sechs Wochen durchgeführte konservative Therapie nicht zum Erfolg geführt habe,
  • die OP sei de lege artis, also nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden. Die nachoperativ eingetretene Nachblutung sei entgegen der Behauptung des Klägers nicht auf eine Verletzung der Arterie zurückzuführen, sondern als eine eher harmlose Nachblutung infolge von Verletzungen kleinerer Blutgefäße einzustufen wie sie bei solchen Operationen regelmäßig vorkommen können.
  • Entgegen der Behauptung des Klägers sei die Reaktion der Ärzte auf die Nachblutung sachgerecht gewesen. Durch Einführung von Tamponaden sei sehr schnell eine Stillung der Blutung erreicht worden.
  • Nach dem eher komplikationsarmen Verlauf der Operation sowie der nachoperativen Behandlung seien die psychosomatischen Beschwerden des Klägers nicht nachvollziehbar und jedenfalls nicht auf eine fehlerhafte ärztliche Behandlung zurückzuführen.

Chefarztvereinbarungen sind regelmäßig ohne Relevanz

Aber auch die beiden vom Kläger als besonders erheblich eingeschätzten Rügen, vermochten den Senat nicht zu überzeugen: Zum einen sei nicht ersichtlich, dass der Kläger über das Risiko einer Erblindung nicht hinreichend aufgeklärt worden sei.

Aufklärungsbögen sind Teil der Aufklärung

Selbst wenn im Aufklärungsgespräch der behandelnde Arzt in auf dieses Risiko nicht nachdrücklich hingewiesen habe, so sei in dem vom Kläger unterschriebenen Aufklärungsbogen unter dem Stichwort  „Spezielle Folgen und Risiken“ vermerkt: „ Extrem selten: Sehstörungen bis hin zum Extremfall der Erblindung durch Einblutung in die Augenhöhle“.

Solche Aufklärungsbögen muss man lesen, so der Senat. Ähnliches gelte für die Rüge, dass die OP nicht durch den Chefarzt durchgeführt worden sei. Die vom Kläger unterzeichnete Chefarztvereinbarung enthalte nämlich einen ausdrücklichen Hinweis, dass die Behandlung auch durch einen Vertreter des Chefarztes durchgeführt werden können. Diese Vertretungsregelung habe der Kläger unterzeichnet. Auch insoweit gehe seine Rüge fehl. Beklagten fehl. Seine Klage sei insgesamt unbegründet.

(OLG Hamm, Urteil v. 2. 9. 2014, 26 U 30/13)

 

Hinweis:  Mit seinem Urteil setzt das OLG Hamm seine Rechtsprechung zur Chefarztvereinbarung konsequent fort. Bereits in einer früheren Entscheidung hatte das OLG die in einer Chefarztvereinbarung üblicherweise enthaltene Vertreterregelung als wirksam angesehen und die Durchführung einer Operation trotz Chefarztvereinbarung durch einen Vertreter für zulässig erachtet (OLG Hamm, Urteil v. 31.10.2013, 7 U 17/12).

Schmerzensgeldberechnung

 


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