Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Krankheit: Wann steht sie an?
Entziehung nach dem StVG und der FeV
Gemäß § 3 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, soweit sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Aus der Formulierung „hat zu entziehen“ geht hervor, dass der Behörde kein Ermessensspielraum zusteht.
Wer ist (nicht) geeignet?
§ 2 Abs. 4 StVG enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Geeignetheit i. S. v. § 3 StVG. Erforderlich ist die Erfüllung der notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen. In § 46 Abs. 1 FeV ist geregelt, dass von der Ungeeignetheit insbesondere dann auszugehen ist, wenn bestimmt Erkrankungen oder Mängel, die in den Anlagen 4, 5 und 6 zur FeV näher dargestellt sind, vorliegen.
Erkrankungen und Mängel nach Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV)
Anlage 4 benennt Erkrankungen und Mängel, bei deren Vorliegen der Gesetzgeber Zweifel daran hatte, dass eine Teilnahme am Straßenverkehr noch sicher möglich ist.
Richtet sich auch nach der Fahrzeugklasse
Es ist dabei zwischen den unterschiedlichen Führerscheinklassen zu unterscheiden. Bei Personenkraftwagen bis 3500 kg wird eine Ungeeignetheit aus diesen Gründen nur in wenigen Fällen angenommen.
Relevante Krankheitsbilder
Hierzu zählen unter anderem Störungen des Gleichgewichtssinns oder auch die parkinsonsche Krankheit, sofern kein leichter Fall gegeben ist. Bei größeren Kraftfahrzeugen über 3500 kg sind die Anforderungen deutlich höher:
Wichtig: Bei Vorliegen eines zweiten Herzinfarktes soll hier zum Beispiel die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr gegeben sein. Grund für diese Einschätzung ist, dass Herzinfarktpatienten insbesondere nach Durchleiden eines zweiten Herzinfarktes, als akut gefährdet eingestuft werden. Allein diese akute Gefahr von Ausfallerscheinungen lässt die Entziehung der Fahrerlaubnis als gerechtfertigt erscheinen (OVG NRW, Beschluss v. 06.05.2005, 16 B 183/05).
Beispiel: Im Jahr 2002 hatte das Verwaltungsgericht Minden (VG Minden, Urteil v. 22.10.2004, AZ 3 K 3995/02) über einen Fall zu entscheiden dem folgender Sachverhalt zu Grunde lag:
Der Kläger begehrte die Verlängerung seiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung gemäß Anlage 5 der FeV. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben, da der Kläger vier Jahre vor Antragstellung einen Schlaganfall hatte und nach Einschätzung der Behörde unter den typischen Begleiterscheinungen litt.
Die amtsärztliche Untersuchung durch die Obergutachtenstelle ergab, dass eine Befähigung zum Führen von Fahrzeugen nicht mehr gegeben war. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er legte ein medizinisch-psychologisches Gutachten des TÜV Rheinland/ Berlin-Brandenburg vor. Dieses hatte ergeben, dass einer Wideraufnahme der Kraftfahrertätigkeit die unzureichend absolvierten Leistungstests entgegenstünden. Ein vom Kläger vorgelegtes Gutachten eines Allgemeinmediziners kam demgegenüber zu dem Ergebnis, dass keine Beeinträchtigung verkehrsrelevanter Leistungsfunktionen gegeben sei. Dennoch wiesen die Richter der dritten Kammer die Klage zurück und stützen sich bei der Begründung allein auf das Gutachten der Obergutachtenstelle. Die dort genannten Zweifel an der Eignung seien nicht ausgeräumt.
Altersbedingte Ausfallerscheinungen
Auch altersbedingte Ausfallerscheinungen können die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen, soweit der Mangel der Befähigung zum Führen eines Fahrzeugs erwiesen ist. Zur Vorbereitung der Entscheidung kann die zuständige Behörde die Beibringung eines Gutachtens verlangen. Fällt dieses negativ aus, hat die zuständige Behörde allerdings in eigener Verantwortung über die Aussagekraft des Gutachtens für die Beurteilung des Betroffenen zu befinden.
Beispiel: So entschied das Oberverwaltungsgericht NRW im Jahr 2001 durch Beschluss, dass dem 1916 geborenen Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen worden war. Als Grundlage für die Entziehung hatte die Behörde eine nicht erfolgreich abgelegte Fahrprobe sowie ein in diesem Zusammenhang erstelltes Sachverständigengutachten herangezogen. Dieses ging von altersbedingten Reaktions- und Konzentrationsdefiziten des Betroffenen aus. Im Zuge der Beweiswürdigung kam das OVG NRW ebenso zu dem Ergebnis, dass die Entziehung rechtmäßig gewesen sei und bezog sich hierbei auf die Aussage des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.
Nur Standardfälle, Ausnahmen möglich
Wichtig: Die in Anlage 4 durch Benennung bestimmter Krankheiten und Mängel vorgenommenen Bewertungen gelten für den Regelfall. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -Umstellungen sind möglich und gegebenenfalls zu berücksichtigen.
Mangelndes Sehvermögen
Anlage 6 zur FeV legt fest, dass Mindestanforderungen an das Sehvermögen zu erfüllen sind. Der Sehtest (§12 Abs. 2 FeV) ist bestanden, wenn die zentrale Tagessehschärfe mit oder ohne Sehhilfen mindestens 0,7/0,7 beträgt. Um diesen Wert nachzuweisen, hat sich der Bewerber um eine Fahrerlaubnis einem Sehtest zu unterziehen. Erst wenn dieser bestanden ist, wird die Fahrerlaubnis erteilt.
Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens
Werden der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist, kann die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 46 Abs. 3 FeV in entsprechender Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen.
Wichtig: Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie hieraus bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Die Schlussfolgerung darf aber nur dann gezogen werden, wenn die Beibringung eines Gutachtens zu Recht angeordnet wurde .
VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 14.09.2004, 10 S 1283/04.
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