Rekord-Schmerzensgeld für Vergewaltigung
Der Täter ging besonders brutal vor. Das Opfer war 16 Jahre alt und im vierten Monat schwanger. Auf dem Weg von der Schule nach Hause überfiel der Täter die Schülerin, entführte sie und hielt sie vier Tage lang in einer Wohnung im Wohnhaus seiner Eltern gefangen. Der neunundzwanzigjährige Täter vergewaltigte sie in den vier Tagen mehrfach stundenlang und drohte ihr, sie trotz der Schwangerschaft umzubringen, wenn sie nicht leise sei. Dem psychiatrischen Gutachter berichtete der Täter später von dem tollen Erlebnis. Hätte er gewusst, wie gut das sei, hätte er so eine Tat schon früher begangen. Das Opfer musste nach der Tat längere Zeit psychologisch betreut werden. Das LG verurteilte den Täter zu einer zwölfeinhalb jährigen Haftstrafe. Da es sich um einen Ersttäter handelte, wurde keine Sicherungsverwahrung verhängt.
Unfassbare Brutalität
Die für die Schmerzensgeldforderung des Opfers zuständige Zivilkammer des LG hob die unvergleichliche Brutalität des Tatgeschehens hervor. Die vergewaltigte Frau hätte vier Tage lang nicht nur Angst um ihr eigenes Leben, sondern auch um das ihres ungeborenen Kindes ertragen müssen. Der Täter habe das Leben seines Opfers für dessen gesamte Zukunft negativ geprägt. Das Geschehen könne die vergewaltigte Frau bis zum Ende ihres Lebens nicht vergessen.
Ausgleich, für das was er ihr angetan hat.
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigte das LG besonders die „Ausgleichs-und Genugtuungsfunktion“ des Schmerzensgeldes. Zwar könne auch ein sehr hohes Schmerzensgeld keinen wirklichen Ausgleich für das Erlebte schaffen, jedoch sei die Höhe so zu bemessen, dass das Opfer einen geldwerten Vorteil erhalte, der ihr Leben zumindest materiell erleichtere. Nur so könne ihr eine - wenn auch unzureichende - Genugtuung verschafft werden.
Vergleich zu Promi-Fällen
Das LG scheute sich nicht, auf Schmerzensgeldfälle von Prominenten hinzuweisen. So seien Mitgliedern von Königshäusern bereits Schmerzensgeldbeträge im sechsstelligen Bereich zugesprochen worden für psychische Schäden infolge widerrechtlich erlangter Paparazzi-Fotos. Die Verletzung des Rechtes am eigenen Bild sei zwar keine Bagatelle, die im vorliegenden Fall von der vergewaltigten Frau erlittenen physischen und psychischen Qualen seien jedoch ungleich gravierender.
Anwalt der Klägerin forderte 20.000 € Schmerzensgeld
Nach Auffassung des Landgerichts war in Relation zu diesen Fällen eine Schmerzensgeldhöhe ebenfalls im sechsstelligen Bereich erforderlich. Das LG erkannte der Klägerin daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 € zu, fünfmal so viel wie der Anwalt gefordert hatte. Nach Auffassung des LG wäre anders keine angemessene Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion erreichbar gewesen.
Neue Schmerzensgeldkultur
Das Urteil des LG ist richtungsweisend. Sollte es Bestand haben, könnte hiermit für schwerwiegende Rechtsverletzungen eine neue Tendenz hinsichtlich der Höhe der in Deutschland üblichen geringen Schmerzensgeldsätze eingeleitet werden. Nicht sicher ist allerdings, ob das Opfer tatsächlich in den Genuss dieser Geldsumme kommen wird. Zwar scheint die vermögensrechtliche Lage des Täters, der über Grundbesitz verfügt, nicht schlecht zu sein. Sein Anwalt hat jedoch bereits Rechtsmittel gegen das Urteil angekündigt. Bis zur endgültigen Entscheidung über die seitens des Täters zu zahlende Höhe des Schmerzensgeldes wird also noch einige Zeit vergehen. Außerdem dürften die entstehenden Prozesskosten einen Teil des Klägervermögens verbrauchen. Es bleibt daher zu hoffen, dass das Opfer trotz des wegweisenden Urteils am Ende nicht doch "in die Röhre schaut".
(LG Wuppertal, Urteil v. 05.02.2013, 16 O 95/12).
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