Rechtsmissbräuchliche Umgehung der Kündigungsschutzvorschriften
Eine AG wollte eine ihr missliebige Mieterin einer Eigentumswohnung loswerden. Der Anwalt der AG empfahl eine Kündigung wegen Eigenbedarfs. Da eine AG als solche keinen Eigenbedarf an Wohnraum anmelden kann, übertrug sie per notariellem Vertrag der Tochter eines Vorstandsmitglieds einen Eigentumsanteil an der betreffenden Eigentumswohnung von 5/100 im Wege der Schenkung. Die AG sowie die Tochter des Vorstandsmitglieds kündigten sodann gemeinsam das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs.
Vermieter klagen auf Räumung
In dem anschließend seitens der AG und der Tochter des Vorstandsmitglieds geführten Räumungsrechtsstreit gegen die Mieterin unterlagen die Kläger in zwei Instanzen. Nach der Wertung des LG hatten die Kläger ausschließlich zum Zweck der Kündigung des Mietverhältnisses ein eigentumsrechtliches Konstrukt geschaffen, das die beabsichtigte Wohnungskündigung ermöglichen sollte und handelten damit treuwidrig.
Eigenbedarf eines einzelnen Miteigentümers reicht grundsätzlich aus
Das LG stellte klar, dass die Eigentumsgemeinschaft einer Mietwohnung es grundsätzlich jedem Eigentümer erlaubt, sich auf Eigenbedarf zu berufen und darauf eine gemeinsame ordentliche Kündigung zu stützen. Dies gelte grundsätzlich auch für Personengesellschaften und Bruchteilseigentumsgemeinschaften. Hierbei sei nicht entscheidend, in welcher Höhe die den Eigenbedarf reklamierende Person Eigentumsanteile halte. Ebensowenig spiele es eine Rolle, zu welchem Zeitpunkt die nachträglich in eine Gesellschaft oder Gemeinschaft eintretende Person beitrete. Auch der Eigenbedarf eines nach Abschluss des Mietvertrages beigetretenen Gesellschafters oder Mitglieds der Gemeinschaft könne wirksam eine Eigenbedarfskündigung begründen.
Eine AG kann nicht wegen Eigenbedarfs kündigen
Diese Grundsätze gelten nach dem Urteil des LG aber nicht für juristische Personen. Hier sei zu berücksichtigen, dass diesen ein Kündigungsrecht wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht zusteht, da diese eine Mietsache schon begrifflich nicht als Wohnung nutzen könnten. Eine Kündigung seitens der AG wegen Eigenbedarfs sei also ursprünglich rechtswirksam nicht möglich gewesen.
Der Miteigentumsanteil einer natürlichen Person eröffnet die Option der Eigenbedarfskündigung
Die Übertragung eines geringfügigen Miteigentumsanteils von 5/100 im Wege der Schenkung habe dann zu einer personalen Eigentumsbeteiligung geführt, die grundsätzlich eine Kündigung wegen Eigenbedarfs möglich mache. Diese Kündigungsmöglichkeit sei den Eigentümern aber dann verwehrt, wenn die geschaffene Eigentumskonstellation lediglich dem Zweck der Schaffung einer sonst nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht möglichen Kündigungsoption und damit der Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes diene.
Mindestbestandsschutz für Mieter
Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der durch die beschränkten Kündigungsmöglichkeiten des § 573 BGB geschaffene relative mietrechtliche Bestandsschutz für Mieter diese vor nicht vorhersehbaren Eigenbedarfskündigungen durch einen nicht überschaubaren Personenkreis schützen soll. Auch die mit § 577a Abs.1a BGB eingeführte Dreijahressperre für eine Eigenbedarfskündigung nach Veräußerung der Mietsache an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber lasse den Willen des Gesetzgebers zu einer Begrenzung des Kündigungsrisikos des Mieters bei einer Veräußerung des Wohnungseigentums an Vermietermehrheiten erkennen.
Die Kündigung war als Umgehungsgeschäft rechtsmissbräuchlich
Eine Öffnung der Eigenbedarfskündigung für die Fälle, in denen zunächst ausschließlich eine juristische Person Eigentümerin der Mietsache ist, würde nach Auffassung des LG im Ergebnis zu einer erheblichen Einschränkung des Mieterschutzes führen. Im Ergebnis handelte es sich bei der konkret ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung - so das LG - um ein Geschäft zur Umgehung der gesetzlichen Mieterschutzvorschriften. Die Kündigung sei daher rechtsmissbräuchlich und nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht wirksam geworden.
(LG München I, Urteil v. 10.7.2019, 14 S 15871/18)
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