Abgelehnte Verfahrenskostenhilfe bei fiktivem Vermögen

Erhielt der Antragssteller, der Verfahrenshilfe auch für die 2. Instanz beantragt, zwischenzeitlich Unterhaltsnachzahlungen und verbraucht sie für nicht notwendige Anschaffungen, werden sie als fiktives Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung angerechnet. Er musste, wenn für ihn Rechtsverfolgungskosten absehbar waren, eingehende Zahlungen für die Verfahrensführung zurückhalten. Deshalb abgelehnte VKH lässt bei Fristversäumnis in der Hauptsache das Verschulden nicht entfallen.

In einem Verfahren um Schmerzensgeld wurde ein Mann zu einer Schmerzensgeldzahlung von 5.000 EUR verpflichtet. Den weitergehenden Antrag wies das Familiengericht zurück. Da die Frau ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 10.000 EUR anstrebte, beabsichtigte sie, gegen die Entscheidung des Familiengerichts Beschwerde einzulegen und beantragte erneut und fristgerecht Verfahrenskostenhilfe.

Nach dem erstinstanzlichen Verfahren 25.146,08 EUR Unterhaltsnachzahlung erhalten

Bei der Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gab die Trau an, dass sie während des erstinstanzlichen Verfahrens neben einer arbeitsrechtlichen Abfindung in Höhe von rund 2.000 EUR rückständigen Unterhalt von insgesamt 25.146,08 EUR erhalten habe.

  • Davon hat sie 11.000 EUR für die Rückzahlung eines Darlehens,
  • für den Kauf einer Küche, diverser Möbel und Elektrogeräte insgesamt 7.000 EUR
  • und für die Wohnungsrenovierung rund 1.000 EUR verwendet.
  • Darüber hinaus habe sie damit ihren Lebensunterhalt für Juni 2016 bis Januar 2017 bestritten.

Das Kammergericht hat den Verfahrenskostenhilfeantrag zurückgewiesen, weil sie das erhaltene Vermögen für die Verfahrensführung habe einsetzen müssen.

  • Die behaupteten Zahlungen und Anschaffungen aus dem Vermögen seien nicht belegt
  • und die Zahlung der Kosten des Beschwerdeverfahrens,
  • mit dem die Antragsgegnerin habe rechnen müssen,
  • ginge ohnehin den behaupteten Anschaffungen vor.

VKH-Ablehnung wegen erheblicher Veränderung der Vermögensverhältnisse

Auf die Ablehnung des KG Berlin legte die Frau verspätet Beschwerde in der Hauptsache ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da sie mit der Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit nicht habe rechnen müssen, hatte aber keinen Erfolg.

Nach Ansicht des BGH war der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet, da die Antragsgegnerin nicht ohne Verschulden daran gehindert war, die versäumte Frist zur Einlegung der Begründung einzuhalten.

Wiedereinsetzung bei verfristetem Rechtsmittel bei zeitgleich beantragter Verfahrenskostenhilfe

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Rechtsmittelführer, welcher vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Verfahrenskostenhilfe beantragt,

  • so lange ohne Verschulden wegen Versäumung der Frist als verhindert anzusehen,
  • so lange er unter den gegebenen Umständen mit der Ablehnung des Antrags vernünftigerweise nicht rechnen musste.
  • Beispielsweise könne der Rechtsmittelführer dann darauf vertrauen, wenn ihm in erster Instanz bereits Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde und sich die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischenzeitlich nicht erheblich geändert haben.

Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall.

Eigene Vermögensdisposition getroffen und Leistungsunfähigkeit böswillig herbeigeführt

Das zwischenzeitlich erhaltende Vermögen aufgrund der Unterhaltszahlungen hätte die Frau, soweit es das Schonvermögen von 5.000 EUR übersteige, zur Bestreitung des Beschwerdeverfahrens zurücklegen müssen.

Es sei ihr als fiktives Vermögen zuzurechnen, da sie durch die nicht notwendigen Ausgaben - vor allem für die Wohnungseinrichtung und -renovierung - ihre Leistungsunfähigkeit böswillig herbeigeführt habe.

Diese Vermögensdisposition müsse sie gegen sich gelten lassen.

Sie kann unter diesen Umständen weder aus dem Sozialstaatsprinzip noch aus dem Rechtsstaatsgrundsatz und dem allgemeinen Gleichheitssatz fordern, die für andere Zwecke bereits ausgegebenen Mittel im Wege der Verfahrenskostenhilfe noch einmal aufgestockt zu bekommen.

(BGH, Beschluss v. 20.06.2018, XII ZB 636/17).


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Hintergrund:

Wird ein Verfahrensbeteiligter durch eine erstinstanzliche Entscheidung beschwert, so kann die Entscheidung darüber, ob gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, davon abhängig sein, ob und inwieweit der Beschwerdeführer in der Rechtsmittelinstanz die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erwarten kann. Gerade das Risiko einer Kostenbelastung hält zahlreiche Verfahrensbeteiligte davon ab, eine erstinstanzliche Entscheidung zur Überprüfung zu stellen.

In dieser Situation besteht die Möglichkeit, vorab die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zur Verfahrenskostenhilfe herbeizuführen und die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hiervon abhängig zu machen.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium