In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte eine Rechtsanwältin den Ehemann beim Zugewinnausgleich gegen die Ehefrau vertreten und parallel den Sohn beim Unterhaltsanspruch gegen die Mutter. Beide, Vater und Sohn, hatten sich jeweils schriftlich mit diesem Prozedere gegenüber der Anwältin einverstanden erklärt.
Zu familienlastige Vertretung?
Die zuständige Rechtsanwaltskammer forderte die Anwältin nach Bekanntwerden der Doppelvertretung dazu auf, beide Mandate abzugeben. Begründung:
- Das Interesse des Vaters bestehe darin, beim Zugewinnausgleichsanspruch die eigene Vermögenslage so niedrig wie möglich anzusetzen.
- Das Interesse des Sohnes sei gegenläufig. Denn je höher das Vermögen des Vaters, desto sicherer auch sein Anspruch gegen die Mutter auf Unterhalt.
Auf die Klage der Anwältin hin hob der Anwaltsgerichtshof NRW den Bescheid der Kammer wieder auf. Dagegen legte die Kammer vergeblich Berufung beim BGH ein.
Unterhaltsklage nur gegen einen Elternteil
Die Richter sahen in der Vertretung der Anwältin von Vater und Sohn keine Interessenkollision – jedenfalls nicht aus den von der Kammer genannten Gründen. Zwischenzeitlich hatte die Mutter Trennungsunterhalt gegen den Vater eingeklagt. Auch insoweit vertrat die Anwältin den Vater und Ehemann.
Obwohl der Kammer dieser Sachverhalt bekannt war, bezog sie sich in ihrer Begründung gegen die Anwältin allein auf das Verhältnis Zugewinnausgleich und Kindesunterhalt. Doch darin erkannte der BGH unter besonderer Berücksichtigung des konkreten Falles keine Interessenkollision. Die Anwältin sei vom Sohn beauftragt worden, Unterhaltsansprüche nur gegen die Mutter geltend zu machen. Bei der Erteilung des Auftrags war der Vater zugegen. Er hat den Gebührenvorschuss an die Anwältin gezahlt.
Interessenkollision?
Die Frage des Unterhaltsanspruchs gegen beide Elternteile und einer dann zwangsläufig bestehenden Interessenkollision stellte sich laut BGH damit nicht. Denn der Vater kam bis dahin allein für den Unterhalt seines Sohnes auf und war bereit, dies unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits weiterhin zu tun.
Fragen der Schweigepflicht waren ebenfalls nicht berührt, nachdem der Vater der Anwältin alle für die Berechnung des Kindesunterhalts erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte. Zudem wusste der Sohn, dass die Anwältin seinen Vater im Scheidungs- und im Zugewinnausgleichsverfahren vertrat.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände fehlt es bei der gebotenen konkret objektiven Betrachtung an einem Interessengegensatz.
Nachschieben von Gründen nicht möglich
Dass die Anwältin den Vater mittlerweile auch bei der gerichtlichen Abwehr von Trennungsunterhalt vertrat, durfte nach Ansicht der BGH-Richter in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr berücksichtigt werden. Denn mit diesem Nachschieben dieser neuen Gründe hätte der Verwaltungsakt der Rechtsanwaltskammer an einen anderen Sachverhalt angeknüpft.
Grundsätzlich aber hätte die Rechtsanwaltskammer nach Meinung der BGH-Richter die Vertretung des Vaters bei der Abwehr des Anspruchs auf Trennungsunterhalt daraufhin überprüfen müssen, ob sie mit der Vertretung des Sohnes bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Volljährigenunterhalt gegen die Mutter vereinbar war.
(BGH, Urteil vom 23.4.2012, AnwZ (BrfG) 35/11).