Aussagekräftige Berufungsbegründung kann förmlichen Berufungsantrag ersetzen
Berufungsanträge stehen üblicherweise in der Einlegungsschrift
Der Schreck war vermutlich groß als der Berufungskläger-Anwalt sah, dass er vergessen hatte, die Anträge zu stellen. Diese stehen normalerweise gleich hinter der Aussage, dass Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt wird, während die Berufungsbegründung meist in einem späteren Schriftsatz folgt.
Fehlender Antrag führt vor dem OLG zur Unzulässigkeit der Berufung
In diesem Fall hatte sich der Prozessbevollmächtige sowohl den Berufungsantrag als auch die Berufungsbegründung für einen späteren Schriftsatz vorbehalten. Dann aber hatte er im nächsten Schreiben vergessen, den Antrag zu stellen, was vermutlich der sonst anderen Routine geschuldet war. Das Berufungsgericht hat die Berufung daraufhin als unzulässig verworfen.
Beschwerde beim BGH gegen Unzulässigkeit der Berufung ohne formellen Antrag hatte Erfolg
Die gegen das Verwerfen der Berufung beim BGH eingelegte Beschwerde führte zum Erfolg, jedenfalls dazu, dass die Berufung nicht schon aus formalen Gründen scheitert. Ob diese Entscheidung dem Berufungskläger wirklich weiterhilft oder die Niederlage wegen fehlender Begründetheit nur verzögert, steht auf einem anderen Blatt und ist vom Berufungsgericht zu entscheiden.
Berufungsanträge können sich konkludent aus der Begründung ergeben
Vom Grundsatz her waren sich OLG und BGH eigentlich einig. Die ZPO verlange zwar Berufungsanträge (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1), allerdings nicht in strikter äußerlicher Antragsform. Sie können sich vielmehr auch konkludent aus der Berufungsbegründungsschrift ergeben.
Während das OLG dies im konkreten Fall verneinte, konnte der BGH ausreichende Anhaltspunkte für das klägerische Begehren finden bzw. half mit einer Zweifelsregel weiter.
Landgericht gab zuvor Schadensersatzansprüchen teilweise statt
In erster Instanz hatte der Kläger mit seinen geltend gemachten Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit einem franchise-ähnlichen Vertrag nicht komplett unterlegen, sondern es wurde nur ein Teil abgewiesen, wenn auch eine beträchtlicher. Dadurch wurde die Sache etwas unübersichtlich.
Zugang zu Rechtsmittelinstanz darf nicht unnötig erschwert werden
Aus der Entscheidung des BGH wird klar: bevor der Weg in eine Rechtsinstanz abgeschnitten wird, muss viel passieren. Nur stichhaltige Sachgründe können diesen Riegel vorschieben. Geht jemand gegen ein abweisendes Urteil vor, ist eigentlich klar, dass gegen die gesamte Entscheidung vorgegangen wird. Unterliegt jemand mit einem Teil seiner Forderungen, so soll dieser Teil mit dem Rechtsmittel erstrebt bzw. angegriffen werden.
BGH setzt seine bisherige Berufungs Rechtsprechung fort
Der BGH bezieht sich auf einen im Vorjahr vom selben Senat aufgestellten Grundsatz: Eine Berufung richtet sich im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und greift diese insoweit an, als der Berufungskläger durch sie beschwert ist (BGH, Beschluss v. 26.6.2019, VII ZB 61/18).
(BGH, Beschluss v. 12.8.2020, VII ZB 5/20).
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