Befangenheitsantrag wegen verweigerter Fristverlängerung für einen Schriftsatz
- Zwar muss normalerweise muss über Ablehnungs- und Befangenheitsanträge ein anderes Gericht bzw. ein anderer Spruchkörper entscheiden.
- Das gilt aber nicht bei einem offensichtlich unzulässigen und rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuch.
- Diese Rechtsprechung ist nachvollziehbar, bei Richtern mit diktatorischen Ansätzen aber nicht ganz unproblematisch.
Kläger kam mit den Beweisen nicht nach
In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Vermieter den Mieter auf Schadensersatz verklagt, weil dieser das Mietobjekt angeblich beschädigt zurückgegeben hatte. Nach einem ersten Termin setzte das Gericht das Datum für die mündliche Verhandlung fest und gab dem Kläger auf, innerhalb von rund fünf Wochen die Mängel näher darzulegen und unter Beweis zu stellen.
Diese Frist verlängerte das Gericht auf Antrag des Klägers um weitere fünf Wochen.
2. Fristverlängerungsantrag wurde abgelehnt
Am Tag des Fristablaufs ging dann ein weiterer Fristverlängerungsantrag bei Gericht ein. Begründung: Der Kläger habe dem Beklagten ein Vergleichsangebot unterbreitet. Doch das lehnte der Beklagte umgehend ab und sprach sich zugleich gegen eine weitere Fristverlängerung zugunsten des Klägers auf Nachfrage des Gerichts aus.
- Drei Tage nach Fristablauf entschied dann das Gericht durch Beschluss, mangels ausreichenden Grundes keine zweite Fristverlängerung zu gewähren, weil ansonsten auch der Termin der mündlichen Verhandlung verlegt werden müsse.
- Daraufhin ging - nach Fristablauf - drei Tage vor der mündlichen Verhandlung ein Schriftsatz des Klägers ein, in dem die einzelnen Mängel aufgelistet wurden.
Lieber ein befangener Richter als ein verfristeter Schriftsatz?
Nur wenige Minuten vor Beginn der mündlichen Verhandlung reichte der Anwalt des Vermieters einen Befangenheitsantrag gegen den Richter ein, der auf die nicht gewährte zweite Fristverlängerung gestützt wurde.
- Der Richter zog den Termin durch
- und lehnte den Befangenheitsantrag ab.
- Weil der Kläger sich weigerte, im Termin einen Antrag zu stellen,
- erließ das Gericht auf Antrag des Beklagten ein Versäumnisurteil.
Gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrags legte der Kläger sofortige Beschwerde ein.
Kein erheblicher Grund für Fristverlängerung vorhanden
Doch das OLG Jena hielt den Befangenheitsantrag für offenbar grundlos.
- Er diene nur der Verschleppung des Prozesses
- und sei damit rechtsmissbräuchlich.
- Über einen deshalb schon unzulässigen Antrag dürfe der abgelehnte Richter trotz § 45 Absatz 1 ZPO selbst entscheiden.
Gestützt ist das Ablehnungsgesuch allein auf die Rüge, der Einzelrichter habe den zweiten Fristverlängerungsantrag des Klägers zu Unrecht abgelehnt.
Ablehnung der Schriftsatzverlängerung ist unanfechtbar
Diese Rüge geht nach Ansicht des Oberlandesgerichts Jena nicht nur in der Sache fehl, sie verkennt auch die mit § 225 Abs. 3 ZPO getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, die Ablehnung der Schriftsatzfristverlängerung als unanfechtbar auszugestalten.
- Nach § 224 Abs. 2 ZPO können richterliche Fristen – wie hier die dem Kläger gesetzte Frist zur Ergänzung ihres Vortrags – verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind.
- Die Fristverlängerung ist mithin nur aus erheblichen Gründen überhaupt zulässig
- und ihre Bewilligung steht auch dann im richterlichen Ermessen, das an das Gebot der Verfahrensbeschleunigung und der Rücksichtnahme auf die Interessen des Antragsgegners gebunden ist.
Fristverlängerung nicht mit der Brechstange erzwingen
Im konkreten Fall sei die Ablehnung der zweiten Fristverlängerung „geradezu zwingend“ gewesen, betonten die Jenaer Richter. Da der Beklagte das Vergleichsangebot ganz kurzfristig abgelehnt hatte, war der einzige in Betracht kommende Fristverlängerungsgrund weggefallen. Außerdem hatte der Beklagte einer Fristverlängerung ausdrücklich nicht zugestimmt. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, so das Gericht weiter, dass das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei. Denn mit dem Befangenheitsgesuch sei es dem Kläger ersichtlich nur um die faktische Erzwingung der zu Recht abgelehnten Verlängerung ihrer Vortragsfrist gegangen.
((OLG Jena, Beschluss vom 4.4.2017, 6 W 104/17 ).
Hintergrundwissen
Verdacht der Befangenheit: Fallgruppen
Jenseits der gesetzlichen Befangenheitsgründe muss ein Befangenheitsantrag Tatsachen glaubhaft darstellen, die einen Befangenheitsverdacht begründen und das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters begründen. Maßgeblich ist dabei die Sicht eines vernünftigen Dritten. Ob sich der Richter selbst für befangen hält oder fühlt, ist irrelevant.
In der Praxis haben sich verschiedene Fallgruppen mit einer ausufernden Kasuistik entwickelt:
- Verfahrensfehler und skeptische Äußerungen über das Prozessverhalten von Verfahrensbeteiligten, Weltanschauliche Einstellungen oder persönliche oder berufliche Interessen am Prozessausgang können zur Befangenheit führen.
- Befangenheit ist danach vor allem aufgrund eines besonderen Näheverhältnisses des Richters zu Verfahrensbeteiligten naheliegend.
- Sie steht aber auch bei Mitwirkungen an Vorentscheidungen oder sonstige Vorbefassungen mit der zu entscheidenden Sache schnell im Raum.
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