BGH hebt Urteil wegen Rechtsbeugung gegen Staatsanwalt auf

Wegen Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung hatte das Landgericht Freiburg einen Staatsanwalt verurteilt, der Akten längere Zeit nicht bearbeitete und „vom Radar verschwinden ließ". Der BGH hob nun die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 16 Monaten auf Bewährung teilweise auf und verwies die Sache an das LG Karlsruhe.

Der Angeklagte hatte in in sechs Fällen anklagereife Ermittlungsverfahren nicht weiter bearbeitet und sie mit Hilfe von Scheinverfügungen aus dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister austragen lassen. Dadurch waren sie der Aufsicht seiner Dienstvorgesetzten entzogen. Er stritt auch die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht ab, sondern erklärte sie mit massiver Arbeitsüberlastung.

Staatsanwalt hatte sich türmenden Fälle mit Scheinverfügungen versenkt

Die Fälle hätten sich bei ihm gestapelt. Um nach außen eine ordnungsgemäße Bearbeitung vorzutäuschen und Zeit schinden, um die Bearbeitung später doch noch zu Ende bringen zu können, veranlasste er die Scheinverfügungen. Das gelang ihm aber zumindest nicht in allen Fällen.

Verfolgungsverjährungen eingetreten

In zwei von diesen Fälle trat schließlich Verfolgungsverjährung ein, die anderen vier Verfahren wurden nach der Suspendierung des Staatsanwalts zum ordnungsgemäßen Abschluss gebracht. Der Freiburger Staatsanwalt führte an, dass er mit Fällen überhäuft worden sei und gleichzeitig zu einem Drittel seiner Zeit nach Offenburg abgestellt worden sei. Außerdem habe er Kapitalverbrechen bearbeiten müssen, obwohl dies an sich Aufgabe des Amtsleiters sei.

Keine strafschärfende Berücksichtigung der Verjährung 

Der BGH hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft die Verurteilung in den vier nicht verjährte Fällen aufgehoben.

  • Die Voraussetzungen der Rechtsbeugung seien vom Landgericht nicht hinreichend festgestellt worden.
  • Allein eine verzögerte, den Maßstäben des Art. 6 EMRK widersprechende Sachbehandlung durch den Staatsanwalt oder Richter erfülle regelmäßig nicht die strengen Anforderungen an einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB.  

In den beiden verjährten Fällen hat er die verhängten Strafen aufgehoben, weil das Landgericht möglicherweise bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung von einem zu großen Schuldumfang des Angeklagten ausgegangen ist.

Laut BGH verstoße die strafschärfende Berücksichtigung des Eintritts der Verjährung gegen § 46 Abs. 3 StGB, nach welchem Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, nicht berücksichtigt werden dürfen.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache nunmehr zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Karlsruhe verwiesen.

(BGH, Beschluss v. 14. 9. 2017, 4 StR 274/16)

Hintergrund:

Justiz ist chronisch unterfinanziert

Ein Grund für die hier augenscheinlich gewordenen Missstände liegt nicht zuletzt auch in der Unterfinanzierung der Justiz. Der Justizhaushalt ist sowohl bei Bund und Ländern der jeweils kleinste Haushalt.

  • In der Praxis führt dies zu einer überlangen Dauer der Ermittlungen und Verfahren.
  • Hierdurch müssen nicht selten inhaftierte Tatverdächtige wieder freigelassen werden, weil die erlaubte Dauer der Untersuchungshaft ausgeschöpft ist.

Das BVerfG hat entschieden, dass eine Dauer der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr in der Regel nicht zulässig ist. Wegen unverhältnismäßig langer Untersuchungshaft (insgesamt 17 Monate) hat das Hanseatische Oberlandesgericht nach Mitteilung des Gerichtssprechers am 6.10 einen mutmaßlichen Totschläger vorerst freigelassen, der am 13. Juni zu acht Jahren Haft verurteilt worden war.

Schwindendes Vertrauen in die Justiz

Obwohl die Deutschen mehrheitlich großes Vertrauen in ihre Justiz hegen, ist die Tatsache der Überlastung der Justizorgane inzwischen im kollektiven Bewusstsein angekommen. Nach einer Umfrage des Allensbacher Instituts aus dem Jahr 2014 sind 71 % der Befragten der Auffassung, dass die Justiz überlastet ist.


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