BGH stellt hohe Anforderungen an eine öffentliche Zustellung

Auch wenn eine Zustellung der Klageschrift an die im Handelsregister eingetragene Geschäftsadresse einer GmbH zuvor gescheitert war, muss hinsichtlich des danach ergangenen Versäumnisurteils ein erneuter Zustellungsversuch an diese Adresse unternommen werden. Eine öffentliche Zustellung war daher wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht wirksam.

Vor der Bewilligung einer öffentlichen Zustellung nach § 185 Nr. 2 ZPO kann von einem  erneuten  Zustellversuch an die im  Handelsregister  eingetragene  Geschäftsanschrift  nicht  deswegen abgesehen  werden,  weil  über  ein  halbes  Jahr zuvor unter derselben Anschrift ein Schriftstück nicht hatte zugestellt werden können.

Erster Zustellungsversuch misslang wegen Umzug

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall wurde eine Unterlassungsklage wegen der Verletzung von Firmen- und Markenrechten gegen eine GmbH, welche im Handelsregister in Frankfurt a. M. eingetragen war, beim Landgericht Frankfurt a. M. eingereicht.

  • Die Zustellung der Klageschrift unter der im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt a. M. eingetragenen Geschäftsanschrift schlug jedoch fehl,
  • da die GmbH wenige Tage nach Einreichung der Klage in ein Unternehmen mit Sitz in Luxemburg umgewandelt wurde.

In der Zustellungsurkunde hieß es sodann, dass der Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei.

Klageschrift konnte nicht zugestellt werden – Sitz verlegt

Das Landgericht Frankfurt a. M. veranlasste die öffentliche Zustellung durch Aushang an der Gerichtstafel und gab der Klage im Juni 2016 durch Versäumnisurteil statt. Die Einspruchsfrist setzte das Gericht auf vier Wochen fest und bewilligte auch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss, welcher an die im Handelsregister eingetragenen Geschäftsadresse der Beklagten adressiert war, kam jedoch mit dem Vermerk zurück, dass der Adressat nach Luxemburg verzogen und eine Weitersendung nicht möglich sei. Nachdem der Beklagten ein Schreiben der Klägerin in Luxemburg zugegangen war, legte sie Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. 

Zustellungsfiktion durch öffentlichen Aushang nicht wirksam ausgelöst – Einspruch zulässig

Der BGH gab dem Einspruch der beklagten GmbH statt,

  • da die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vorgelegen haben.
  • Daher sei das Versäumnisurteil nicht wirksam zugestellt
  • und die auf die vier Wochen bestimmte Einspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter seien an die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung aufgrund der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs sowie der Intensität eines Eingriffs in dieses grundrechtgleiche Recht hohe Anforderungen zu stellen:.

Wann die Zustellungsfiktion laut BGH gerechtfertigt ist

Die Zustellfiktion der öffentlichen Bekanntmachung sei wegen des Grundrechtseingriffs

  • verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen,
  • wenn eine andere Art der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht
  • oder nur schwer durchführbar sei.

Vor diesem Hintergrund durfte das Landgericht vor einer öffentlichen Zustellung nicht auf einen weiteren Zustellversuch an die im Handelsregister angegeben Adresse verzichten. Dies sei auch keine bloße Förmelei, betonte das Gericht. Wie bereits die erfolgreiche Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschluss gezeigt habe, hätte die Beklagte zwischenzeitlich dafür gesorgt haben können, dass unter der im Handelsregister angegeben Adresse Schriftstücke wieder zugestellt werden können.

Zudem könne erfahrungsgemäß der erste fehlgeschlagene Zustellversuch darauf beruhen, dass die Zustellung unsorgfältig ausgeführt worden sei.

(BGH, Urteil v. 31.10.2018, I ZR 20/18).


Hintergrund: 

Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung löst nach BGH-Rechtsprechung die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf (BGH Urteil v. 6.10.2006, V ZR 282/05, NJW 2007, 303 Rn 12).

Das gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium


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