Rückruf der Telefonerlaubnis wegen Verdunklungsgefahr
Im Beschluss des Oberlandesgerichts Celle ging es um einen des versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung angeschuldigten U-Häftling. Per Beschluss hatte der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer des LG Hildesheim einen Antrag des Angeschuldigten auf Erteilung einer Erlaubnis für Telefonate mit seiner Mutter unter deren Festnetznummer abgelehnt und eine vor Anklageerhebung von der Staatsanwaltschaft Hildesheim erteilte Erlaubnis für Telefonate mit seiner Mutter unter deren Mobiltelefonnummer widerrufen. Gestützt worden ist diese Entscheidung auf die Besorgnis, der Angeschuldigte werde bei Telefonaten mit seiner Mutter auch mit seiner Lebensgefährtin sprechen und dabei mit dieser, die eine wichtige Tatzeugin sei, Absprachen bezüglich deren Zeugenaussage in einer Hauptverhandlung treffen. Gegen diesen Beschluss wendete sich der Angeschuldigte mit einer Beschwerde.
Telefonat könnte Verdunkelungshandlungen dienen
Die Beschwerde sei zwar nach § 168 Abs. 1 Satz 1 des niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes i.V.m. § 304 StPO zulässig, entschied das OLG Celle. Danach ist gegen eine Maßnahme des Gerichts zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzuges der Untersuchungshaft oder ihre Ablehnung oder Unterlassung die Beschwerde zulässig, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Beschwerde hatte jedoch in der Sache keinen Erfolg und wurde deshalb vom Gericht als unbegründet verworfen. Der Vorsitzende des Schwurgerichts habe zu Recht seine Zustimmung zur Erteilung einer Erlaubnis für Telefonate des Angeschuldigten mit seiner Mutter unter deren Festnetznummer versagt. Denn es seien neue Umstände zu Tage getreten, die befürchten ließen, dass der Angeschuldigte Telefongespräche unter Verwendung der Telefonanschlüsse seiner Mutter zu Verdunkelungshandlungen nutzen werde.
Zeugnisverweigerungsrecht über angebliche Verlobung konstruieren?
Die Lebensgefährtin des Angeschuldigten, die bei der mutmaßlichen Tat des Angeschuldigten zugegen war und damit als unmittelbare Tatzeugin in Betracht kommt, habe in einem Brief an dem Angeschuldigten verklausuliert vorgeschlagen, sie und der Angeschuldigte sollten sich nach außen hin als Verlobte gerieren. Sie hat damit nach Ansicht des Gerichts implizit vorgeschlagen, der Angeschuldigte möge dazu beitragen, dass sie unter Berufung auf ein ihr zuzubilligendes Zeugnisverweigerungsrecht eine Aussage vor Gericht vermeiden und eine Unverwertbarkeit ihrer gegenüber der Polizei gemachten Angaben erreichen könne. Der Inhalt eines Briefes des Angeschuldigten an seine Lebensgefährtin mit der Formulierung, „… aber es war nicht so und du warst dabei und hast es gesehen,“ belege zudem eine Einflussnahme auf die Zeugin und begründe den Verdacht einer versuchten Anstiftung zu einer Falschaussage. Damit besteht die tatsachenfundierte Besorgnis, dass beide eine Kontaktaufnahme zu verdunkelnden Absprachen nutzen werden.
Akustische Gesprächsüberwachung bringt nichts
Zwar beziehe sich die erteilte Telefonerlaubnis auf Gespräche des Angeschuldigten mit seiner Mutter und solle sich auch die neu erstrebte weitere Telefonerlaubnis auf Gespräche des Angeschuldigten mit seiner Mutter erstrecken. Jedoch habe die Lebensgefährtin des Angeschuldigten in einem weiteren Brief an ihn erklärt, sie werde das nächste Mal hoffentlich einen Anruf des Angeschuldigten mitbekommen, weil sie am nächsten Tag zu seiner Mutter gehen werde. Diese Angabe begründet laut Richterspruch die weitere Besorgnis, dass die Lebensgefährtin bei Telefonaten des Angeschuldigten mit seiner Mutter anwesend ist beziehungsweise selbst mit dem Angeschuldigten unter Nutzung von Telefonanschlüssen der Mutter des Angeschuldigten telefoniert. Auch durch eine akustische Gesprächsüberwachung könnte die begründete Befürchtung von Verdunkelungsaktivitäten nicht hinreichend abgewendet werden, weil bei einer akustischen Gesprächsüberwachung in der Regel erst im Anschluss an eine bereits erfolgte Absprache und damit erst zu spät reagiert werden könnte, befanden die Celler Richter.
(OLG Celle, Beschluss v. 8.9.2016, 1 Ws 434/16)
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