Richtervorbehalt bei der Blutprobe wurde gesetzlich weitgehend aufgehoben
Nach der Formulierung des § 81 a Abs. 2 Satz 1 StPO steht die Anordnung einer Blutprobe zwar auch künftig grundsätzlich dem Richter zu, in der Praxis dürfte nach der Neufassung des Gesetzes die Einholung einer richterlichen Anordnung aber zur Ausnahme werden.
Richterliche Anordnung der Blutprobe war bisher die Regel
Die Änderung entspricht einer Forderung des Verkehrsgerichtstags 2016. Die Verkehrsjuristen hatten dort angeregt, eine originäre Anordnungskompetenz der Ermittlungspersonen, sprich der Polizeibeamten und der StA zu schaffen.
- Bisher machte § 81 a Abs. 2 StPO a.F. die Anordnung einer körperlichen Untersuchung sowie die Entnahme von Blutproben und die Vornahme sonstiger körperlicher Eingriffe von der Anordnung durch einen Richter abhängig (Richtervorbehalt).
- Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung durften die StA sowie ihre Ermittlungspersonen bisher die Anordnung selbst vornehmen.
- Dies war bisher in der Regel nachts oder an Wochenenden der Fall, wenn kein Richter zu erreichen war.
Bei Rechtsverstoß schon bisher selten ein Beweisverwertungsverbot
Aus dieser Vorschrift ergaben sich einige juristische Streitfragen, insbesondere das Problem eines Beweisverwertungsverbot bei Entnahme einer Blutprobe unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt. Die überwiegende Rechtsprechung folgerte aus einer Verletzung des Richtervorbehalts grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot nur im Fall einer objektiv feststellbaren Willkür der Person, die die Blutprobe angeordnet hat.
- Eine solche Willkür wurde z. B. angenommen, wenn ein Polizeibeamter eine Blutprobe angeordnet hatte, obwohl ein Richter grundsätzlich erreichbar gewesen wäre und er dennoch keinerlei Versuch unternommen hat, einen Richter zu erreichen (OLG Hamm, Urteil v. 22.3.2009, 3 Ss 31/09).
- Das BVerfG sah in der Anordnung einer Blutprobe ohne Einschaltung eines Richters grundsätzlich keinen Verfassungsverstoß (BVerfG, Beschluss 24.2.2011, 2 BvR 1596/10, 2 BvR 2346/10).
- Im Verfahren über den Entzug der Fahrerlaubnis wurde die Verwertbarkeit des Ergebnisses einer Blutprobe praktisch immer bejaht (OVG Sachsen Anhalt, Beschluss v. 8.6.2017, 3 M 53/17).
Richtervorbehalt ist praktisch abgeschafft
Ab sofort sind die mit der Ermittlung von Straftaten befassten Personen in der großen Mehrheit der Fälle zur unmittelbaren Anordnung einer Blutprobe gesetzlich befugt.
Der nach wie vor gesetzlich normierte Grundsatz der Anordnungsbefugnis durch den Richter in § 81 a Abs. 2 Satz 1 StPO ist nun mit so mannigfachen Ausnahmen versehen, dass diese Ausnahmen in der Praxis wohl die Regel werden.
Die Entnahme einer Blutprobe gemäß § 81 a Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf künftig keiner richterlichen Anordnung, wenn Tatsachen den Verdacht begründen,
- dass eine Straftat nach § 315 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 StGB (Gefährdung des Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs),
- nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 und 3 (Gefährdung des Straßenverkehrs infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel) oder
- nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr)
begangen wurde. Damit sind praktisch alle Straftatbestände im Straßenverkehr erfasst.
Anordnungsrecht gilt auch bei einigen Ordnungswidrigkeiten
Darüber hinaus gilt die neue Regelung aber auch für alkoholbedingte Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 OWiG ist § 81a StPO grundsätzlich auch auf Ordnungswidrigkeiten anwendbar (allerdings mit der Einschränkung, dass nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zu lässig sind). Die Entnahme einer Blutprobe bedarf damit künftig auch dann keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen,
- dass eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG (Führen eines Kraftfahrzeugs mit 0,5 Promille oder mehr) oder
- nach 24 c des StVG (komplettes Alkoholverbot für Fahranfänger) begangen wurde.
Im Ergebnis fällt also der Richtervorbehalt für die Entnahme einer Blutprobe bei Straßenverkehrsdelikten fast völlig weg. Nur eher seltene Fälle wie das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Medikamenteneinfluss sind von dem Anordnungsrecht der Polizei noch nicht erfasst.
Kein Vorrang der StA
In der Praxis dürfte davon auszugehen sein, dass nicht die StA, sondern Polizeibeamte die Entnahme einer Blutprobe in Zukunft häufig selbst anordnen. Dies war bei Gefahr im Verzug auch bisher schon so üblich, da durch die zusätzliche Einschaltung eines Staatsanwalts in der Praxis häufig wertvolle Zeit verloren geht, um zeitnah die Blutalkoholkonzentration festzustellen.
Ein Vorrang der StA für die Anordnung einer Blutprobe besteht grundsätzlich nicht. Allerdings besteht rechtlich ein Weisungsrecht der StA gegenüber ihren Hilfspersonen. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrem jeweiligen Bezirk also eine allgemeine Weisung dahingehend erlassen würde, dass vor Entnahme einer Blutprobe die Genehmigung eines Staatsanwalts einzuholen ist, wäre dieser Folge zu leisten. In der Praxis dürfte dies eher die Ausnahme bleiben.
Hintergrund:
Lange wurde die Ansicht vertreten, für die Entnahme einer Blutprobe sei der Richtervorbehalt. unverzichtbar, da eine Blutprobe einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit darstellt. In der Praxis wurde diese Vorgabe trotz eines mahnenden BVerfG-Urteils zunehmend aufgeweicht. In manchen Verfahren hatten sich Polizisten sogar auf eine Art Gewohnheitsrecht berufen und die Anordnung der Blutentnahme damit begründet, dass es langjährige Praxis sei, den Richtervorbehalt systematisch zu ignorieren (OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2009, 3 Ss 31/09), Das zumindest, ist künftig nicht mehr nötig.
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