Verzicht des Gläubigers auf Zusendung des Vermögensverzeichnisses
Ein Schuldner, der die Vermögensauskunft innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben hat, ist zu einer erneuten Abgabe gemäß § 802 d Abs. 1 S. 1 ZPO nur verpflichtet, wenn ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Änderung der Vermögensverhältnisse schließen lassen. Andernfalls sieht § 802 d Abs. 1 S. 2 ZPO vor, dass der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zuleitet.
Bislang war umstritten,
- ob der Gläubiger auf die Übersendung des innerhalb der Sperrfrist abgegebenen Vermögensverzeichnisses verzichten
- und sich die dadurch anfallenden Kosten ersparen kann.
Wenn der Gläubiger keine "altes" Vermögensverzeichnis will
- Während nach einer Rechtsansicht aufgrund der Gesetzesformulierung eine Dispositionsbefugnis des Gläubigers nicht bestehen soll, er also für das nicht gewünschte, aber zugesandte (Sperrfrist-)Vermögensverzeichnis die Kosten erstatten muss,
- stellt die andere Ansicht auf die das Zwangsvollstreckungsrecht beherrschende Dispositionsmaxime ab. Folge: Wer kein Vermögensverzeichnis will, muss es weder erhalten, noch die Kosten für die Zusendung tragen.
Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung zu dieser Thematik plant der Gesetzgeber eine Änderung der Zivilprozessordnung, wonach der Regelung in § 802 d Abs. 1 S. 2 ZPO hinzugefügt werden soll, dass ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung unbeachtlich ist.
BGH stärkt Dispositionsbefugnis des Gläubigers
Ungeachtet dieser bevorstehenden Gesetzesänderung hat sich der BGH mit der strittigen Frage des Gläubigerverzichts befasst und zugunsten der Dispositionsbefugnis des Gläubigers positioniert.
- Der BGH betont, dass allein der Gläubiger Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmt
- und dass er die Vollstreckungsanträge jederzeit zurücknehmen kann.
- Das Vollstreckungsverfahren dient allein der Durchsetzung seiner Interessen.
Ist der Gläubiger aber berechtigt, das Vollstreckungsverfahren jederzeit zu stoppen, dann muss es auch möglich sein, dass er seinen Vollstreckungsauftrag von vornherein beschränkt.
Vollstreckungsauftrag kann beschränkt werden
Ein Vollstreckungsauftrag, wonach der Gerichtsvollzieher angewiesen wird, das letzte vom Schuldner abgegebene Vermögensverzeichnis nur dann zuzuleiten, wenn dieses nicht älter als ein Jahr ist, hält der BGH für zulässig. Der Gerichtsvollzieher sei ohne Weiteres in der Lage, dies zu überprüfen. Weder der Wortlaut oder die Gesetzesbegründung noch Sinn und Zweck der Regelung in § 802 d ZPO stünden einer solchen Auslegung entgegen. Die Vorschrift diene allein der Verfahrensbeschleunigung im Interesse des Gläubigers. Eine Einschränkung seiner Dispositionsbefugnis könne daraus nicht hergeleitet werden.
Allgemeine Informationsinteresse steht hinter Gläubigerinteresse zurück
Zwar unterbleibt bei Nichtzuleiten des Vermögensverzeichnisses eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis. Die gleiche Folge tritt jedoch ein, wenn der Gläubiger seinen Vollstreckungsantrag komplett zurück nimmt.
Das Informationsinteresse der Allgemeinheit bezüglich der Vollständigkeit und Richtigkeit des Schuldnerverzeichnisses rechtfertige – so der BGH – ebenfalls keine Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Gläubigers. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es keine eindeutige gesetzliche Anordnung gibt. Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung kann nach Ansicht des BGH nur für das künftige Recht gelten, nicht aber zur Auslegung des bislang geltenden § 802 d ZPO herangezogen werden.
Gläubigerinteressen durch Auslegung gestärkt
Hat also der BGH die Gläubigerinteressen unter Auslegung der bislang geltenden gesetzlichen Regelung gestärkt, werden diese durch die geplante Gesetzesänderung künftig wieder beschnitten. Zwar ist es derzeit noch möglich, durch Beschränkung des Vollstreckungsauftrags auf die Zuleitung des letzten, vom Schuldner abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu verzichten. Sobald das von der Bundesregierung geplante Gesetz in Kraft tritt, ist die Rechtsprechung des BGH jedoch hinfällig.
(BGH, Beschluss v. 27.10.2016, I ZB 21/16).
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Hintergrund
Der Gesetzgeber hat die Problematik erkannt. Im Gesetzesentwurf vom 17.02.2016 (Bundestagsdrucksache 18/7560) ist eine Änderung des § 802 d Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgesehen, wonach ergänzt werden soll, dass ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung unbeachtlich ist. Das Gesetz wurde allerdings noch nicht beschlossen.
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