Wann darf ein Anwalt fliegen, wie früh muss er morgens aufstehen?
Es ging um Reisekosten im Zusammenhang mit einen Rechtsstreit vor dem LG Weiden in der Oberpfalz.
Mit dem Flieger zum Rechtsstreit in die Oberpfalz
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Anwalt eines Nebenintervenienten, der dem Beklagten beigetreten war, Erstattung umfangreicher Reisekosten. Der Anwalt war weder in Weiden, noch am Geschäftssitz des Nebenintervenienten in Frankfurt tätig, sondern hatte seinen Kanzleisitz in Köln. Für die beiden Gerichtstermine um 10 Uhr und 11 Uhr flog er jeweils von Düsseldorf bis Nürnberg und nahm von dort ein Taxi bzw. einen Leihwagen. Das erbrachte zusammen stolze Summe 1.130,76 EUR.
Anwaltskosten müssen notwendig sein
Grundsätzlich hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Insbesondere sind Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und dort auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung dieses Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Kein anwaltlicher Spezialist in der Nähe?
Unter diesem Gesichtspunkt sei die Partei im Regelfall gehalten, einen in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes (oder am Gerichtsort) ansässigen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren, befand das Gericht. Der Nebenintervenient meinte dagegen, er habe einen Anwalt in Köln ausgewählt, weil es in Frankfurt keine Spezialisten für Managerhaftpflichtfälle gebe. Da er dies aber nicht beweisen konnte, hielt das Gericht die Einschaltung eines Kölner Anwalts für nicht notwendig, so dass dessen Reisekosten nur auf Basis der Strecke Frankfurt-Weiden zu berechnen war.
Anwalt muss nicht mit den Hühnern aufstehen
Hinsichtlich der jeweils am Verhandlungstag vom Anwalt geltend gemachten Flugkosten rechnete das Landgericht mit einer Bahnfahrt 2. Klasse gegen. Wäre der Anwalt von Frankfurt nach Weiden mit der Bahn gefahren, hätte er rund vier/fünf Stunden gebraucht.
Da er dann jeweils schon vor sechs Uhr in der Früh hätte anreisen müssen, sei eine Übernachtung in Höhe von 100,- Euro anzunehmen.
Diesen Betrag plus Taxigebühren, Abwesenheitsgeld in Höhe von 60 € pro Tag und die Bahnfahrt durfte der fliegende Anwalt abrechnen – mehr nicht.
Wörtlich heißt es in dem Beschluss: „Eine Anreise am Vortag wäre somit zwar nicht zwingend erforderlich gewesen. Allerdings ist davon auszugehen, dass auch ein in Frankfurt ansässiger fiktiver Rechtsanwalt nicht am Frankfurter Hauptbahnhof wohnhaft ist, vielmehr erst von seiner Wohnung aus dorthin anreisen muss. Hierfür ist eine Fahrzeit von mindestens 30 Minuten anzusetzen, weiterhin ein „Zeitpuffer“ von mindestens 15 Minuten. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes hätte der Rechtsanwalt die Reise von Frankfurt nach Weiden i.d. OPf. zur Wahrnehmung beider Gerichtstermine jeweils unzumutbar früh - bereits vor 6 Uhr -antreten müssen; er hätte in jedem Falle bereits vor 6 Uhr aufstehen müssen.
Notfalls Übernachtungskosten
Ein derart frühes Aufstehen zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins ist - auch im Sommer - unzumutbar. Weder einer Partei noch einem Rechtsanwalt kann abverlangt werden, die in einer Rechtssache notwendig werdenden Reisen zur Nachtzeit zu beginnen. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21 Uhr bis 6 Uhr anzusehen“, klärt das Gericht auf.
Der Anwalt durfte also nicht fliegen, nur schlafen und lediglich 316,00 EUR für seinen Reiseaufwand.
(OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. 12. 2012, 12 W 2180/12).
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