Welche Anwaltskosten muss der Unfallverursacher dem Unfallopfer erstatten?
Das OLG Saarbrücken hatte in einem Rechtsfall über die Notwendigkeit angefallener Anwaltskosten zu entscheiden:
Ausgangspunkt: volle Haftung des Unfallverursachers
Bei einem von einer anderen Person verursachten Unfall brach sich ein Mann den Oberschenkel. Die Kosten, die dieser Unfall bei ihm nach sich zog, waren erheblich.
- Behandlungskosten, Schmerzensgeld, Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden wurden auf 40.000 Euro geschätzt.
- Der Verunfallte beauftragte einen Rechtsanwalt damit, diese Positionen beim Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherer geltend zu machen.
Per Gerichtsentscheid wurde festgestellt, dass der zu 100 % für die Folgen des Unfalls haftet.
Unfallmeldung beim eigenen privaten Unfallversicherer durch den Anwalt
Darüber hinaus übergab der Geschädigte seinem Anwalt ein Formular für die Schadensmeldung bei seinem privaten Unfallversicherer, das dieser ausfüllte und mit einem Anschreiben an den Versicherer versandte. Die Anwaltsrechnung dafür belief sich auf knapp 730 Euro, die ebenfalls vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners verlangt wurden.
Zuletzt wurde vor dem OLG Saarbrücken über den Streitwert, die Entstehung diverser Rechtsanwaltsgebühren und v.a. über die Ersatzfähigkeit der Anwaltskosten für die Meldung des Schadens beim eigenen Versicherer gestritten.
Sämtliche Anwaltskosten grundsätzlich als Schadenspositionen denkbar
Rechtsverfolgungskosten, die ohne Unfall nicht entstanden wären, zählen dem Grundsatz nach zu den Aufwendungen des Geschädigten, die vom Verursacher erstattet werden müssen.
Zur Schadensabwicklung gehört auch die Entscheidung, den Schadensfall (s)einem Versicherer zu melden. Voraussetzung ist aber, dass
- die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den gegebenen Umständen
- mit Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten
- erforderlich und zweckmäßig war.
Art des Schadens oder persönliche Verhinderung können einen Anwalt rechtfertigen
Das OLG nennt zwei Fallkonstellationen, in denen es die Hilfe eines Anwalts für die Schadensmeldung beim eigenen Versicherer für erforderlich und zweckmäßig hält. Es stützt sich dabei auf eine BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2006 (Urteil v. 10.1.2006, VI ZR 43/05):
- Der Geschädigte verlangt von seinem privaten Unfallversicherer Leistungen, die sich ganz oder teilweise von den Ansprüchen unterscheiden, die vom Schädiger zu erbringen sind.
- Der Geschädigte ist geschäftlich ungewandt oder aus anderen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage den Schaden bei seinem Versicherer selbst anzumelden.
Wer Hände und Hirn uneingeschränkt nutzen kann, braucht keinen Anwalt
Der Mann mit dem Oberschenkelbruch hatte hier keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass er von seinem Unfallversicherer andere Leistungen als vom Unfallgegner verlangen kann, z.B. eine Invaliditätsentschädigung, sodass die erste Fallalternative schnell abgehandelt war.
Die zweite Variante sahen sich die Richter etwas gründlicher an.
Das LG hatte mit Blick auf dessen Krankenhausaufenthalt noch Verständnis dafür, dass sich der Unfallgeschädigte eines Anwalts bedient hatte und sprach ihm die Erstattung der Kosten zu.
Das OLG kehrte diese Entscheidung zu Lasten des Verunfallten um. Dieser war nach dem Unfall zwei Wochen in stationärer Behandlung. An dem Tag, an dem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, setzte sein Anwalt die Anspruchsanmeldung in Form eines Fragebogens an den privaten Unfallversicherer auf. Hier war das OLG der Meinung, dass der Geschädigte das ohne Weiteres selbst hätte erledigen können. Es war „nur“ sein Bein verletzt, sodass er am Schreiben oder Telefonieren nicht gehindert gewesen sei. Wenn er dennoch diese relativ simple Erstmeldung des Schadens einem Rechtsanwalt überträgt, gehen die Kosten hierfür auf seine eigene Kappe.Die Revision wurde nicht zugelassen.
(OLG Saarbrücken, Urteil v. 19.7.2018, 4 U 26/17).
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Hintergrund:
Notwendige Anwaltskosten
Der Schädiger bzw. dessen Versicherer haften für die im Zuge der Unfallregulierung entstandenen Anwaltskosten aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB), aus Gefährdungshaftung (§ 7 StVG, § 115 Abs. 1 VVG) oder aus vertraglicher Übernahme, beispielsweise im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis verursachten Rechtsverfolgungskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 10.01.2006, VI ZR 43/05) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
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