Ziemlich beste Freunde: Duzen einer Partei macht Richter noch nic

Persönliche Beziehungen zu einem der Streithähne in einem Zivilprozess bringen Richter an den Rand der Befangenheit. Doch wie intensiv müssen freundschaftliche Beziehungen sein, damit der Richter auf die Auswechselbank gesetzt wird?

Dieser Frage ist das Oberlandesgericht Hamm in einer neuen Entscheidung nachgegangen.

Bekanntschaft mit einer Partei

Der Fall betraf einen Vorsitzenden Richter an einem Landgericht. Dieser stammte wie der Beklagte, ein Vorstandsmitglied eines Unternehmens aus einem kleinen Örtchen, weshalb sie sich gelegentlich duzten. Die Klägerin in dem Zivilprozess lehnte den Richter deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieser habe die enge Freundschaft zu dem Vorstand verschwiegen  Das OLG Hamm sah das anders.

Duzen aus Kinder- und Jungendzeiten gewohnt

Nahe persönliche Beziehungen eines Richters zu einer Partei können die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich begründen. Dies gilt indes nicht generell. Ob die Besorgnis der Befangenheit mit Rücksicht auf freundschaftliche Beziehungen gerechtfertigt ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab.

„Im Regelfall wird etwa eine bloße Bekanntschaft oder auch eine lockere Freundschaft nicht ausreichen, um aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (...); dagegen können über das übliche Maß persönlicher oder kollegialer Bekanntschaft hinausgehende freundschaftliche Beziehungen oder gar eine enge Freundschaft zwischen Richter und Partei Umstände darstellen, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen können“, erklärten die Hammer Richter.

Duzen allein ist unschädlich

Allein daraus, dass sich der abgelehnte Richter und eine Partei bei Zusammentreffen im Alltag duzen, könne nicht auf das Bestehen einer nahen persönlichen Beziehung geschlossen werden. Die Anrede im vorliegenden Fall sei unschwer auf die gemeinsame Herkunft aus einem kleineren Ortsteil mit einer überschaubaren Einwohnerzahl zurückzuführen.

„Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich diese Form einer vertraulichen Anrede - wenn sie erst einmal in Kinder- oder Jugendzeiten begründet worden ist - mit dem Älterwerden nicht verliert, sondern auch von Erwachsenen fortgeführt wird. Sie allein ist jedenfalls kein Indiz für eine nahe persönliche Beziehung und ist deshalb nicht geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung zu rechtfertigen“, schlussfolgert das Gericht.

Lose Bekanntschaft muss nicht offengelegt werden

Auch der Umstand, dass der abgelehnte Richter die gemeinsame Herkunft und das bei alltäglichen Zusammentreffen übliche Duzen nicht im Vorfeld der mündlichen Verhandlung offenbart, sondern im Termin bewusst eine förmliche Anrede mit „Sie" gewählt hat, rechtfertigt nach Ansicht des Gerichts die Besorgnis der Befangenheit nicht.

  • Es entspreche nach wie vor üblichen und verbreiteten Gepflogenheiten, dass sich die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung - wie auch im Schriftverkehr - selbst dann nicht duzen, „wenn sie z.B. aufgrund eines gemeinsamen Ausbildungsabschnitts, eines früheren Ausbildungsverhältnisses, einer mehrjährigen Kollegialität oder auch einer freundschaftlichen Beziehung miteinander bekannt bzw. vertraut sind.

  • Vor diesem Hintergrund ist ein Hinweis darauf, dass man sich gelegentlich im Alltag duzt, jedenfalls in Fällen, in denen dem keine engere Nähebeziehung zugrunde liegt, nicht zwingend erforderlich“, betonte das Gericht.

Anderenfalls hätte man der bloßen Bekanntschaft eine ihr im gerichtlichen Verfahren nicht zukommende Bedeutung beigemessen. So liege es auch hier, da der abgelehnte Richter und das Vorstandsmitglied der Beklagten aufgrund der gemeinsamen Herkunft gerade einmal lose miteinander bekannt seien. Die Klägerin könne sich nach allem nicht mit Erfolg auf ein vermeintliches Verschweigen oder auch ein „scheibchenweises" Einräumen eines bestehenden Näheverhältnisses berufen.

(OLG Hamm, Beschluss v. 15.05.2012, I-1 W 20/12).


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