Welche Gerichte sind für Klagen von Crowdworkern auf Bezahlung zuständig?
Fahrt an Busfahrer über Crowdworking-Webseite vermittelt
Ein Busfahrer im Rentenalter hatte sich auf einer sog. Crowdwork-Plattform registriert. Darüber erhielt er einen Auftrag für eine zehntägige Fahrt mit einem vom Busunternehmer bereit gestellten Reisebus, den er von A nach B und zurückfahren sollte. Das tat er. Seinem vereinbarten Nettolohn für die Fahrt von 1.400 EUR musste er dann aber hinterherlaufen und ihn schließlich einklagen.
Für Crowdworker die falsche Fährte - Klage vor dem Arbeitsgericht
Da der Busfahrer meinte für die Fahrt ein Arbeitsverhältnis begründet zu haben, suchte er sich für seine Klage das Arbeitsgericht aus, das sich jedoch für unzuständig hielt. Mit seiner Beschwerde beschäftigte sich das Hessische LAG, kam aber zu keinem anderen Ergebnis als die Vorinstanz.
Vorentscheidung: Handelt es sich um einen aut-aut oder einen sic-non-Fall
Der sich selbst vertretende Busfahrer verstand wahrscheinlich nur Bahnhof, als die angerufenen Gerichte über seinen „aut-aut-Fall“ sprachen. Als solcher – und nicht als „sic-non-Fall“ wurde sein Anspruch kategorisiert, denn er kann die Forderung
- entweder auf einen Arbeitsvertrag oder
- eine zivilrechtliche Grundlage, hier einen Werkvertrag stützen, wenn die Fahrt in Form der selbständigen Tätigkeit ausgeübt wurde.
Bei sic-non-Fällen hingegen steht und fällt die Forderung die mit der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft, denn außerhalb des Arbeitsrechts gibt es den Anspruch nicht, z.B. den auf Urlaubsabgeltung.
Arbeitsverhältnis muss (nur) schlüssig dargelegt werden
In aut-aut-Fällen ist umstritten, ob der Arbeitnehmer für die Zulässigkeit der Klage vor dem Arbeitsgericht seine Arbeitnehmereigenschaft
- nur schlüssig darlegen oder sie beweisen muss.
- Das BAG hat dies zuletzt offengelassen,
- die Landesarbeitsgerichte entscheiden das uneinheitlich.
Das Hessische LAG lässt schlüssigen Vortrag ausreichen, was dem Busfahrer aber auch nicht weiterhalf, weil die gelieferten Fakten nicht auf ein Arbeitsverhältnis hinwiesen.
Umstände des Einzelfalls geben bei Crowdworkern Aufschluss über Arbeitnehmerstatus
Das LAG wertete die Eingaben beider Seiten mit Blick auf die Frage aus, ob die Fahrt
- weisungsgebunden,
- fremdbestimmt
- und persönlich abhängig
stattgefunden hat (§ 611a Abs. 1 BGB).
Für ein Arbeitsverhältnis sprach, dass der Fahrer keinen eigenen Bus hatte, den er anbot. Die Anhaltspunkte, die auf eine selbstständige Tätigkeit hinwiesen waren zahlreicher und im Gesamtbild schwerwiegender: Der Kläger hatte auf der Crowdworker-Seite bei seinem Profil „Selbst. Fahrer“ ausgewählt, obwohl es die Option „Angestellter Fahrer“ gab. Als Rentner war seine Lebensgrundlage grundsätzlich abgesichert. Der Kontakt zwischen Fahrer und Unternehmen war einmalig und erstmalig, weitere Fahrten waren nicht geplant. Er war nicht in die Organisation des Reiseunternehmers eingebunden. Angebliche Weisungen eines mitfahrenden Busfahrers konkretisierte er nicht, insbesondere gab er nicht an z.B. in seiner Pauseneinteilung fremdbestimmt gewesen zu sein.
Der Kläger war auch keine arbeitnehmerähnliche Person i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, da er als Rentenbezieher nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bestand daher nicht.
(Hessisches LAG, Beschluss v. 14.2.2019, 10 Ta 350/18).
Hintergrund: Crowdworking
Beim Crowdworking handelt es sich um eine digitale Form des Outsourcing. Unternehmen schreiben einzelne Projekte oder kleine Arbeitsaufgaben über webbasierte Plattformen aus. Registrierte User haben die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft und ihre Fähigkeiten weltweit anzubieten und die ausgeschriebenen Arbeitsaufgaben ortsunabhängig abzuarbeiten. Unternehmen können personelle Engpässe in den eigenen Reihen auffangen, flexibel auf Auftragsspitzen reagieren und von der "Intelligenz der Masse" profitieren. Crowdworking ist somit eine moderne Form von Drittpersonaleinsatz, die sich der modernen Kommunikationsmittel bedient. Die rechtliche Einordnung von Crowdworking ist bislang noch wenig behandelt (Mit den Herausforderungen des Arbeitsrechts durch digitale Plattformen befassen sich Kocher/Hensel in NZA 2016, S. 984 ff.)
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