Häftlinge haben Anspruch auf unvoreingenommene medizinische Behandlung
Ein 40 Jahre alter drogenabhängiger Angeklagter war im Januar 2014 vom LG Bielefeld wegen unerlaubter Einfuhr von und unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Aufgrund der seitens des Angeklagten eingelegten Revision war das Urteil noch nicht rechtskräftig, so dass er weiter den Status eines Untersuchungshäftling hatte.
Drogensubstitution während der Haft aus disziplinarischen Gründen abgebrochen?
Der Angeklagte hatte vor seiner Inhaftierung nicht nur mit Drogen gehandelt, er war auch selbst drogenabhängig. Bereits vor seiner Inhaftierung hatte der Angeklagte daher eine Substitutionsbehandlung mit Polamydon begonnen. Der Anstaltsarzt hatte nach der Inhaftierung die Fortsetzung der Substitutionsbehandlung angeordnet.
Zwischen dem Angeklagten und dem Anstaltspersonal kam es häufiger zu Reibereien. Als der Angeklagte sich diversen Anordnungen des Personals nicht in der gewünschten Form fügte, entschied der Anstaltsarzt, die Substitutionsbehandlung zu beenden und begann damit, die verabreichten Polamydondosen zu reduzieren.
Der Anstaltsarzt hat gegen seine ärztlichen Pflichten verstoßen
Der Angeklagte bemängelte, dass die Absetzung der Substitutionsbehandlung nicht auf medizinischen Gründen beruhe, sondern offensichtlich dazu diene, sein sonstiges Verhalten zu sanktionieren. Er stellte daher einen Antrag bei der Strafkammer des LG Bielefeld auf Erlass einer vorläufigen Anordnung mit dem Ziel, die Substitutionsbehandlung fortzusetzen. Die angerufene Strafkammer des LG folgte der Argumentation des Angeklagten und erließ die vom Angeklagten begehrte Anordnung.
In einer weiteren Anordnung knapp vier Wochen später stellte die Strafkammer ausdrücklich fest, dass der Anstaltsarzt rechtswidrig gehandelt habe, indem er die erste einstweilige Anordnung nicht befolgt und die Substitutionsbehandlung dennoch beendet habe.
Verfahren gewonnen – Ziel im 1. Anlauf verfehlt
Scheinbar im Widerspruch zu seiner Entscheidung stellte das LG gleichzeitig fest, dass der Angeklagte keinen Anspruch auf Wiederaufnahme der Substitution habe. Die Strafkammer begründete dies damit, dass es sich hier um eine medizinische Entscheidung handle, die allein im Ermessen des Anstaltsarztes liege. Medizinisch seien Gründe dafür denkbar, nach dem Absetzen der Substitutionsbehandlung diese nicht sofort wieder aufzunehmen. Die hierzu erforderlichen medizinischen Erwägungen könne das LG nicht selbst anstellen. Dies müsse dem Anstaltsarzt überlassen bleiben.
Kein Vertrauen mehr in die Integrität des Anstaltsarztes
Im Anschluss an diese Entscheidung beantragte der Angeklagte die Verlegung in eine andere Haftanstalt. Zur Begründung führte er aus, ihm fehle jegliches Vertrauen darin, dass der Anstaltsarzt über die mögliche Fortführung einer Substitutionsbehandlung aufgrund medizinischer Indikation entscheide.
Er habe den Eindruck, für den Anstaltsarzt seien andere, nicht medizinisch begründete Erwägungen entscheidend. Eine angemessene ärztliche Behandlung erwarte er in der bisherigen Haftanstalt nicht.
Verlegungsantrag hatte Erfolg
Für die Bedenken und den Vertrauensverlust des Angeklagten zeigte das OLG Verständnis. Aufgrund des bisherigen Sachverhalts und des Geschehensablaufs seien die Zweifel des Angeklagten an einer angemessenen Krankenbehandlung, die allein nach medizinischen Gesichtspunkten erfolge, nachvollziehbar begründet.
Der Angeklagte habe Anspruch auf eine Entscheidung über die Fortsetzung seiner Substitutionsbehandlung allein aufgrund medizinischer Indikation und nicht auf der Grundlage sachfremder Erwägungen. Mit diesen Gründen gab der Senat dem Verlegungsantrag statt. Der Beschluss ist inzwischen rechtskräftig.
(OLG Hamm Beschluss vom 03.07.2014 - 3 Ws 213/14).
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