Grundstücksausfahrt - Wie viel Rangieren ist zumutbar?
Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks in einem Wohngebiet in Karlsruhe. Das Grundstück grenzt an eine 5,50 Meter breite Straße und einen 1,15 Meter breiten Gehweg.
Hausbesitzer empfindet vieles Rangieren als unzumutbar
Von der Stadt Karlsruhe verlangte der Hausbesitzer, das Parken gegenüber seiner Ausfahrt per Verkehrszeichen zu verbieten. Es sei nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unzulässig, weil die Fahrbahn im Sinne dieser Vorschrift schmal sei.
§ 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO lautet:
„Das Parken ist unzulässig vor Grundstückseinfahrten und -ausfahrten, auf schmalen Bahnen auch ihnen gegenüber.“
Dem Hauseigentümer missfiel, dass seit einiger Zeit nicht mehr auf dem Gehweg, sondern ausschließlich auf der Straße geparkt werde. Der Abstand zur Garagenausfahrt betrage nur noch 3,40 Meter. Er könne mit seinem 4,92 Meter langen Fahrzeug deshalb nicht mehr geradlinig aus seiner Ausfahrt hinausfahren. Für ihn würde das mehrmaliges Rangieren bedeuten, meist unter Mithilfe einer weiteren Person. Mit dieser Situation wollte sich der Mann nicht abfinden.
Stadt weigert sich, Halteverbots-Zeichen aufzustellen
Die Stadt Karlsruhe lehnte den Antrag nach einem Fahrversuch ab. Zwar sei es grundsätzlich möglich, das gesetzliche Fahrverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO im Einzelfall durch Anordnung eines Verkehrszeichens, beispielsweise durch ein Halteverbots-Zeichen, zu konkretisieren. Allerdings stufte die Behörde die Fahrbahn nicht als schmal ein. Denn der Praxistest hatte ergeben: Bei frühzeitigem Einlenken und zweimaligem Vor- und Zurücksetzen ist die Ausfahrt durchaus möglich.
VG Karlsruhe: Mehrmaliges Rangieren zumutbar
Das VG Karlsruhe machte ebenfalls einen Praxistest, in dem sogar dreimaliges Rangieren nötig war, um aus der Ausfahrt herauszukommen. Das Gericht wies die Klage des Hausbesitzers dennoch ab. Unter anderem mit der Begründung, dass auch das bei der heutigen Verkehrssituation noch adäquat sei.
VGH: „Schmal“ ist nicht konkretisierbar
Zu einer wesentlich grundsätzlicheren Einschätzung kam der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Der Begriff schmal, so wie in der StVO definiert, genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen. Denn es sei nicht möglich, den Begriff anhand anerkannter Auslegungsregeln zu konkretisieren.
Schlussfolgerung des Gerichts: Das Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ist mangels Bestimmtheit unwirksam.
Rangierversuche für Betroffene nicht vernünftig einschätzbar
Zwar hätten verschiedene Oberlandes- und Oberverwaltungsgerichte als Maßstab eine maximal zulässige Zahl von Rangiervorgängen entwickelt, die für eine Ein- oder Ausfahrt im Einzelfall zumutbar seien. Die in der Rechtsprechung als zumutbar angesehene Anzahl an Rangierversuchen variiere aber erheblich.
Ungeachtet dessen sei dieses einzelfallbezogene Kriterium zur Konkretisierung des Begriffs „schmal“ ohnehin untauglich. Denn der Adressat eines bußgeldbewehrten Verbots, also derjenige, der gegenüber einer Ausfahrt parkt, könne selbst nicht hinreichend sicher ermitteln oder verlässlich einschätzen, wie viele Rangiervorgänge im jeweiligen Einzelfall nötig seien.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen, da die Frage der Wirksamkeit des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO grundsätzliche Bedeutung hat.
(VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 8.3.2017, 5 S 1044/15)
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