Rechtliche Vorbehalte gegen den Immunitätsausweis

Im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie wird von der Bundesregierung die Einführung eines digitalen Immunitätsausweises erwogen, mit dem Personen nachweisen können, dass sie die Virus-Erkrankung überwunden haben. Doch dieses Konzept stößt auf Widerstand von Verfassungsrechtlern. Auch der Datenschützer und Ärzte äußern sich skeptisch.

Bereits bei der geplanten Einführung einer Corona-Tracking-App gab es viele skeptische Stimmen und vor allem Datenschützer stellten umfangreiche Anforderungskataloge auf, deren Berücksichtigung sicherstellen soll, dass die zu entwickelnden Apps allen Datenschutzgrundsätze Rechnung trägt.

Bei der Reform des Infektionsschutzgesetzes steht der Immunitätsnachweis im Raum

Während die Fertigstellung der Tracking-App auch wegen Kontroversen um den Datenschutz immer noch auf sich warten lässt, mittlerweile ist von einer Fertigstellung im Juni die Rede, plant die Bundesregierung einen weiteren rechtlich umstrittenen Schritt. In einem neuen Entwurf für eine weitere Reform des Infektionsschutzgesetzes wurde die Einführung eines Immunitätsnachweises vorgeschlagen, mit der sich Personen nach einer überstandenen Infektion mit dem Corona-Virus ihre Immunität bescheinigen lassen können.

Dies setzt allerdings voraus, dass wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, dass nach einer überstandenen Erkrankung eine solche Immunität tatsächlich vorhanden ist und die Person somit weder erneut erkranken noch andere anstecken kann. Bislang gibt es zwar starke Hinweise, dass dies so ist, ein allgemein anerkannter, wissenschaftlicher Nachweis allerdings, dass tatsächlich alle genesenen Personen immun sind, steht noch aus. Ebenso ist derzeit noch weitgehend unklar, wie lange eine solche Immunität anhält.

Kritik am Immunitätspass kommt aus unterschiedlichen Lagern

Doch neben der momentan wissenschaftlich noch etwas unklaren Lage, auf die etwa auch der Leiter des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, bei seiner Kritik aufmerksam macht, gibt es auch aus anderen Lagern erhebliche Zweifel an solchen Immunitätsnachweisen, die vor allem in digitalisierter Form als Immunitäts-App verfügbar gemacht werden sollen.

Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass die Freiheit zur Ausnahme wird

Grundlegende rechtliche Bedenken äußern etwa Juristen, die verfassungsrechtliche Probleme darin sehen, dass die auf die Wahrung der freiheitlichen Grundrechte ausgerichtete deutsche Verfassung durch die Einführung derartiger Regelungen gewissermaßen auf den Kopf gestellt würde. Denn statt die Freiheit als den Normalfall anzusehen, wäre hier die Vielzahl der Einschränkungen die Norm, und die zusätzlichen Freiheiten, die den Inhabern eines solchen Immunitätsausweises offen stünden, wären die Ausnahme von dieser Regel. Im Ergebnis würde der Immunitätspass ja dazu führen, dass der Inhaber mit günstigem Serostatus im Fall einer Seuche mehr Freiheitsrechte in Anspruch nehmen könnte als andere Personen.

Es gibt aus ethische Bedenken gegen den Immunitätspass

Kritiker der Einführung weisen auch auf ethische Probleme hin, die sich durch die Maßnahme ergeben könnten. So wird etwa befürchtet, dass viele Menschen versuchen könnten, sich absichtlich zu infizieren. Vor allem jüngere und gesunde Personen, für die das Virus keine so große Gefahr bedeutet, könnten versucht sein, eine Ansteckung absichtlich herbeizuführen, um nach überstandener Krankheit in den Genuss der Vorteile des Immunitätsnachweises zu gelangen.

Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten

Deutlich ablehnend gegenüber den Plänen zur Einführung des Immunitätsnachweises äußert sich auch der Bundesdatenschutzbeauftragte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf: So weist er etwa darauf hin, dass sich durch die Neuregelung der Charakter eines Impfpasses generell ändere. Seien dort bislang ausschließlich Eintragungen nach einer tatsächlichen Impfung durch den Arzt vorgenommen worden, sollen nun auch medizinische Befunde bzw. Bewertungen wie eben zur Immunität gegen eine Krankheit eingetragen werden. Bei diesen Informationen handele es sich jedoch um Gesundheitsdaten,

„deren Verarbeitung nach Artikel 9 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) grundsätzlich untersagt und nur unter den in Artikel 9 Absatz 2 DSGVO genannten Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig“ sei.

Grundsätzlich dürfe daher niemand diese Informationen erfragen. Abgesehen vom behandelnden Arzt sei die Nutzung dieser Daten nur auf einer eigenen gesetzlichen Grundlage erlaubt, die den Zweck eindeutig benennt und den Kreis der Berechtigten festlege.

Bundesdatenschutzbeauftragte sieht Gefahr missbräuchlicher Nutzung und Diskriminierung

Angesichts der aktuellen Lage und der vorherrschenden Verunsicherung bestehe hier daher ein erhebliches Potenzial zu einer missbräuchlichen Nutzung dieser Daten. Schließlich drohe durch die Einführung eines solchen Nachweises eine Diskriminierung der Personen, die den Nachweis nicht erbringen könnten. So gebe es etwa schon Berichte darüber, dass auch private Unternehmen und Einrichtungen ihre Angebote ausschließlich für Personen zugänglich machen wollen, die den Immunitätsnachweis erbringen können.

Ethikrat für die Beurteilung des Vorhabens eingeschaltet

Nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag zeichnet sich mittlerweile ein heftiger Widerstand vor allem aus Kreisen der SPD gegen den Immunitätsnachweis ab. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat wohl auch deshalb die Pläne zunächst auf Eis gelegt und will nun eine Stellungnahme des Ethikrats einholen, bevor weitere Schritte unternommen werden.


Diese Änderungen des IfSG sind geplant

Der Gesetzentwurf, für den noch nicht klar ist, wie es mit dem Immunitätsausweis weiter geht, enthält weitere Änderungen des IfSG. Neu sind unter anderem

  • die Einführung einer gesetzlichen Meldepflicht zu COVID-19 und SARS-CoV-2-Infektionen sowie
  • die Pflicht zur Meldung negativer Labortests.
  • Tests zu COVID-19 sollen symptomunabhängig Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung werden.

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