Eine Sternstunde des Bundestags zum heiklen Thema Tod
Von einer weitgehenden Freigabe der Sterbehilfe bis hin zum Verbot reichen die am 2.7.diskutierten Gesetzentwürfe. Eindringlich haben einige Abgeordnete von persönlichsten Erfahrungen im Umgang mit Sterbenden berichtet und damit ihre unterschiedlichen Haltungen zur Frage der Sterbehilfe begründet. Unterschiedliche Erfahrungen, divergierende Schlussfolgerungen - dies war für einige das Argument, dass die persönliche Erfahrung des Sterbens völlig unterschiedliche Wertungen und Einstellungen mit sich bringt und deshalb den Betroffenen ein möglichst großer Entscheidungsspielraum verbleiben müsse.
Die aktuelle Gesetzeslage
Eine klare gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe existiert nicht. § 216 StGB bestimmt lediglich, dass eine Tötung auf Verlangen grundsätzlich rechtswidrig und damit eine Straftat ist.
- Eine aktive Sterbehilfe ist hiernach eindeutig unzulässig. Nicht strafbar ist dagegen der Freitod und auch die Beihilfe hierzu ist straflos.
- Damit ist auch ein Arzt, der einem todkranken Patienten auf dessen Wunsch ein tödliches Medikament besorgt, das dieser selbst einnimmt, grundsätzlich strafrechtlich nicht belangbar.
- Voraussetzung ist allerdings, dass der Patient geistig in der Lage ist, eine freie Entscheidung zu treffen.
- Strittig ist hier aber schon wieder die Frage, ob der Arzt sich einer unterlassenen Hilfeleistung schuldig macht, wenn er einem Patienten nach Einnahme eines tödlichen Medikaments und dem hierdurch bedingten Eintritt einer gesundheitlichen Verschlechterung medizinisch nicht beisteht.
Darüber hinaus kann ein Arzt, der einem todkranken Patienten bei dessen Selbstmord assistiert, nach der ärztlichen Berufsordnung in einigen Bundesländern seine Zulassung verlieren.
Die vier Entwürfe
- Die größte Zahl an Abgeordneten versammelt sich zurzeit hinter dem Unionsentwurf um den Bundesgesundheitsminister Gröhe. Dieser sieht ein Verbot jeder organisierten Sterbehilfe vor, gleichgültig ob geschäftsmäßig oder nicht geschäftsmäßig. Statt einer ausdrücklichen Gestattung des ärztlich assistierten Suizids drängt diese Gruppe auf eine massive Stärkung der Hospiz- und Palliativmedizin.
- Eine Gruppe um den Bundestagsvizepräsidenten und evangelischen Theologen Peter Hintze und den Gesundheitsfachmann der SPD Karl Lauterbach möchte den ärztlich assistierten Suizid zulassen. Hierzu soll die Bestimmung zur Patientenverfügung - § 1901 a BGB - entsprechend erweitert werden. Die Gesetzesergänzung soll flankiert werden durch eine Ergänzung der Berufsordnung der Ärzte dahingehend, dass der ärztlich assistierte Suizid keine Konsequenzen für die Zulassung hat.
- Eine kleinere Anzahl von Abgeordneten um die Grünenpolitikerin Renate Künast möchte Sterbehilfevereine grundsätzlich zulassen unter der Voraussetzung, dass diese nichtkommerziell, d.h. ohne Gewinnerzielungsabsicht arbeiten. Dies ist der liberalste Vorschlag, der aber keine Aussicht auf eine Mehrheit haben dürfte.
- Schließlich existiert auf der anderen Seite der Vorschlag einer Gruppe um den CDU-Abgeordneten Hubert Hüppe, wonach Sterbehilfe wie auch der ärztlich assistierte Suizid grundsätzlich verboten und unter Strafe gestellt werden sollen.
Der Tod darf kein Ausweg für Hoffnungslose sein
Hüppe begründet seine Forderung nach einem Totalverbot unter anderem mit der Befürchtung, dass sonst der Druck auf Schwerkranke, Alte und Behinderte, Menschen mit Neigung zu Depressionen, die ihre Existenz als nutzlos ansehen, wachsen könnte, um Hilfe zu einer Selbsttötung zu bitten.
Dies Menschen könnten um Hilfe zu Selbsttötung bitten nur um anderen nicht zur Last zu fallen. Aus einer Kultur der Lebensfreude könne so sehr schnell eine Kultur des Todes werden. Eine gut aufgestellte Hospiz -und Palliativmedizin sei heute fast immer in der Lage, die letzten Tage und Wochen des Lebens eines Menschen erträglich zu gestalten.
Selbstbestimmung bedeutet auch selbstbestimmtes Sterben
Hintze weist demgegenüber darauf hin, dass Menschen durch Gesetz nicht gezwungen werden dürfen, sich einem qualvollen Leiden bis zu ihrem Tod zu unterziehen. Die Palliativmedizin stoße auch heute in einigen Fällen an ihre Grenzen. Hier müsse das Recht auf Selbstbestimmung auch ein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben einschließen.
Nach dem Willen der Gruppe um Hintze bleibt die Beihilfe zum Selbstmord grundsätzlich straflos und auch wer als Angehöriger eine sterbewilligen Person zum Beispiel zum Sterben in die Schweiz begleitet, kann hierfür strafrechtlich nicht belangt werden.
Der Tod als absurde ärztliche Dienstleistung
Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery ist strikt gegen den ärztlich assistierten Suizid. Es sei grotesk, dass Patienten durch die Hand ihres Arztes sterben sollten, sie sollten vielmehr an der Hand des Arztes in den Tod begleitet werden.
- Die Ärztefunktionär und CDU-Mitglied Rudolf Henke gibt zu bedenken, welche aberwitzigen Folgen die Freigabe des ärztlich assistierten Suizids mit sich bringen würden.
- So müsse für die Dienstleistung „Ärztliche Assistenz beim Freitod“ eine eigene Abrechnungsziffer bei den Arztgebühren geschaffen werden.
- Es stelle sich auch die Frage, wie der Arzt sich zu verhalten habe, wenn das tödliche Medikament nicht einwandfrei wirke.
- Dürfe der Arzt dann nachhelfen? Oder müsse er dann zusehen, wie der Patient sich bis zum Tod vor Schmerzen winde.
Fehlender Fraktionszwang heizt die Debatten spürbar an
Die Debatte im Bundestag hinterließ den Eindruck, dass sämtliche Abgeordnete sich äußerst ernsthaft mit dem Thema befasst hatten. Die Art und Form der Debatte scheint zu belegen, dass eine Entscheidung der Abgeordneten frei von Fraktionszwängen eine geeignete Methode ist, zu zwar scharf geführten, aber dennoch würdevollen und lebendigen Diskussionen im hohen Haus beizutragen. Endgültige Antworten auf sämtliche aufgeworfenen Fragen wird es wohl nicht geben, aber das Nachdenken darüber geht tief. Die Eindrücke aus der Debatte können die Abgeordneten nun mit in die Sommerpause nehmen. Anfang November soll dann ein Beschluss gefasst werden.
Vgl. zum Thema auch:
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