Anspruch auf Neuerteilung des Führerscheins nach Jahrzehnten ohne Fahrpraxis?
Drei Jahre lang war ein Kläger im Besitz einer Fahrerlaubnis gewesen, zwischen 1990 und 1993, dem Jahr, in dem ihm der Führerschein wegen Alkohols am Steuer entzogen worden war. Nach 26 Jahren, im Jahr 2018, beantragte er eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Doch die Behörde lehnte dies ab.
Neuerteilung der Fahrerlaubnis richtet sich nach § 16 Abs. 1 und 17 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung
Auf seine Klage hin entschied das Verwaltungsgericht Trier, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis hat. Im Mittelpunkt stand die Frage, wann von Tatsachen auszugehen ist, die die Annahme rechtfertigen, dass ein Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und 17 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt, ein Fahrzeug zu führen.
In diesem Fall ordnet die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnisprüfung an.
Bei extrem langer Zeit ohne Fahrpraxis begründete Zweifel am Kenntnis- und Eignungsstand
Zur Beantwortung der Frage, wann von Tatsachen auszugehen ist, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse nicht mehr besitzt, stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob begründete Zweifel vorliegen.
Hierbei komme dem Zeitfaktor – also die Zeit vorhandener oder fehlender Fahrpraxis – eine wesentliche Bedeutung zu. Im vorliegenden Fall spiegelt sich der Zeitfaktor in zwei Komponenten wider: der fehlenden Fahrpraxis über einen Zeitraum von 26 Jahren sowie der Tatsache, dass der Mann vor diesem Zeitraum auch nur knapp drei Jahre eine Fahrerlaubnis besessen hatte.
Allein schon die extrem lang fehlende Fahrpraxis von 26 Jahren reiche für sich genommen aus, um anzunehmen, dass der Kläger nicht mehr über die erforderlichen praktischen Kenntnisse für das sichere Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr verfüge, so das Gericht.
In der Rechtsprechung würden auch durchaus kürzere Zeiten fehlender Fahrpraxis für die Annahme des Fehlens der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne des § 20 Abs. 2 FeV als ausreichend erachtet (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss v. 15.2.2016, 3 D 89/15 zu einer fehlenden Fahrpraxis von 20 Jahren).
Fahren eines Mofas belegt nicht Befähigung zum Führen von Kfz
Der lange Zeitraum der fehlenden Fahrpraxis gekoppelt mit der kurzen Zeit der vorhergehenden Fahrpraxis rechtfertigten, dass der Mann seine Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 20 Abs. 2 FeV durch eine Fahrerlaubnisprüfung nachweisen muss. Das werde auch nicht dadurch kompensiert, dass der Mann seit 2012 mit einem fahrerlaubnisfreien Mofa am Straßenverkehr teilgenommen hatte. Denn es komme ausschließlich auf die erlaubnispflichtige Teilnahme am Straßenverkehr an.
Anordnung einer Fahrprüfung war zwingend
Die Fahrerlaubnisbehörde hat in einem solchen Fall eine Fahrprüfung anzuordnen. Die Regelung des § 20 Abs. 2 FeV räume der Behörde auch insoweit kein Ermessen ein.
(VG Trier, Urteil v. 10.3.2020, 1 K 2868/19.TR).
Hintergrund: Erst- und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis
Die Fahrerlaubnis-Verordnung regelt die Eignung in den §§ 11–14 FeV für die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis. Von § 11 FeV sind allgemeine Eignungszweifel – vorwiegend im medizinischen Bereich wie auch Auffälligkeiten im Sozialverhalten, charakterliche Eignungszweifel – umfasst. § 12 FeV regelt die Anforderungen an das Sehvermögen. § 13 FeV befasst sich mit der Alkoholproblematik, § 14 FeV mit Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel.
Für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis verweist § 20 Abs. 1 FeV auf die Vorschriften für die Ersterteilung.
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