Auto gegen Rad - Haftung bei erzwungener Vorfahrt im Rondell

Eine Radfahrerin verschätzt sich und wird in einem Rondell von einer vorfahrtsberechtigten Autofahrerin erfasst, die den Unfall aber eigentlich hätte verhindern können. Wie sieht die Haftungsverteilung aus?

Eine 78-jährige Radlerin stößt in einem Rondell, in dem rechts vor links gilt, mit einer Autofahrerin zusammen, die Vorfahrt hatte.

Was ist ein Rondell?

Um ein Rondell handelt es sich, wenn weder ein Kreisverkehrsschild noch ein Vorfahrt-gewähren-Zeichen aufgestellt ist, dann gilt weiterhin »rechts-vor-links«.

Die unbeschilderten Rondelle sehen den »echten« Kreisverkehren ziemlich ähnlich, sind aber meistens kleiner im Durchmesser.

Sie stammen oft aus der Zeit vor 2001, als es noch keine Kreisverkehrsbeschilderung gab, sie kommen heute gelegentlich auch in Wohngebieten vor. (Quelle: fahrtipps.de)

Zurück zur Rentnerin: Bei dem Unfall zog sie sich einen Bruch des Schienbeinkopfes zu, der mehrfach operativ versorgt werden musste.

In ihrer Klage machte sie u.a. Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 Euro, Schadensersatz für beschädigte Kleidung, Kosten für die Anmietung und den späteren Erwerb eines Seniorenbettes und eines Ergometers sowie einen Haushaltsführungsschaden geltend.

Verletzte Radlerin künftig auf Rollator angewiesen

Zudem führte die 78-Jährige an, dass sie seit dem Unfall in ihrer Mobilität sehr eingeschränkt sei: Sie sei auf einen Rollator angewiesen, könne nicht mehr Radfahren und nicht mehr an Studienreisen teilnehmen – kurzum, ihre Lebensqualität habe seit dem Unfall deutlich abgenommen.

Warum sie das Verschulden bei der von rechts kommenden und damit vorfahrtsberechtigten Autofahrerin sah?

Sie habe beim Einfahren in das Rondell das Fahrzeug der Beklagten zwar von rechts kommen sehen, aber angenommen, dass sie ihre Rondellausfahrt noch vor dem Auto der Beklagten verlassen könne, weil diese sehr langsam gefahren sei.

Bevor sie den kleinen Kreisverkehr verlassen wollte, habe sie mit ihrem rechten Arm ein Handzeichen gegeben, um die Fahrtrichtung anzuzeigen. Erst als sie sich bereits auf der Höhe der Straße befunden habe, auf der sie den kleinen Kreisverkehr verlassen wollte, sei die Beklagte mit ihrem VW Golf ungebremst in das Rondell eingefahren und es sei zum Zusammenstoß gekommen.

Landgericht sah keinen Vorfahrtsverstoß der Radfahrerin

Das Landgericht Münster hatte in seinem Urteil eine Haftungsverteilung von 80 Prozent zu 20 Prozent zu Gunsten der Radfahrerin gesehen.

Einen Vorfahrtsverstoß der Radfahrerin sah das Landgericht nicht, weil der Unfall sich nicht auf Höhe der Straße ereignet habe, auf der die bevorrechtigte Pkw-Fahrerin in das Rondell eingefahren war, sondern erst im Bereich der nachfolgenden Einmündung, wo der Anstoß des Beklagtenfahrzeugs vorne links erfolgt sei.

OLG setzt Mitverschuldens-Anteil der Radlerin hoch

Das OLG Hamm kam zu einer deutlich anderen Haftungsverteilung.

Es sah bei der klagenden Radfahrerin den Mitverschuldensanteil bei 60 Prozent und nicht wie das Landgericht bei 20 Prozent. Der Radfahrerin sei sehr wohl eine Vorfahrtsverletzung im Sinne des § 8 Abs. 1 StVO anzulasten, aus folgenden Gründen:

  • als die Autofahrerin in den Unfallbereich eingefahren sei, habe die Radfahrerin das Fahrzeug der Beklagten als bevorrechtigtes Fahrzeug erkennen können und auch erkannt
  • den Vorrang des Pkw hätte sie beachten und ihn vor dem Überqueren des Rondells passieren lassen müssen
  • vor dem Pkw hätte die Radfahrerin nur dann in das Rondelleinfahren dürfen, wenn sichergestellt gewesen wäre, dass sie die Fläche auch vor der vorfahrtsberechtigten Autofahrerin hätte räumen können

 Die 40-prozentige Mithaftung der Autofahrerin begründete das Gericht damit, dass auch sie ein gravierendes Verschulden an der Entstehung des Unfalls treffe:

  • Die Autofahrerin habe ihre allgemeine Rücksichtsnahmepflicht aus § 1 Abs. 2 StVO verletzt, weil sie beim Einfahren in das Rondell die bereits in das Rondell eingefahrene Radfahrerin offensichtlich übersehen habe
  • Hätte die Pkw-Fahrerin auf die Radlerin geachtet, wäre der Unfall für sie zu vermeiden gewesen, indem sie ihre Einfahrt ins Rondell zurückgestellt hätte
  • Zwar sei die Autofahrerin bevorrechtigt gewesen. Das gebe ihr aber nicht das Recht, ihr erkennbar durch die Radfahrerin verletztes Vorfahrtsrecht ohne Rücksicht durchzusetzen, also zu erzwingen.

Grundsätzlich treffe den Wartepflichtigen, also in diesem Fall die Radfahrerin, gegenüber dem bevorrechtigten Verkehr ein überwiegendes Verschulden. Ein Verschätzen gehe zu Lasten des Wartepflichtigen, so das OLG.

(OLG Hamm, Urteil v. 17.01.2017, 9 U 22/16).

Vorsicht Falle: Rechts vor links auch im Kreisverkehr?

Hintergrund:

Vielen Verkehrsteilnehmer wissen nicht, dass keine automatische Vorfahrtsregelung für den Kreisverkehr existiert.

  • Sind keine Verkehrszeichen an den Einfahrten zum Kreisverkehr aufgestellt, gelte immer die allgemeine Regel „rechts vor links“.
  • Erst dann, wenn an den Einfahrten sowohl das Schild Nr. 215 „Kreisverkehr“ als auch das Schild Nr. 205 „Vorfahrt gewähren“ ausgestellt sind, haben nach der Straßenverkehrsordnung die Fahrer innerhalb des Kreisverkehrs Vorfahrt gegenüber den Einfahrenden.

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Verkehrsunfall