Mitverschulden des Beifahrers bei Unfallschaden durch Übermüdung des Fahrers?
Der Unfall ereignete sich nachts, der Fahrer war zumindest übermüdet, eventuell sogar kurz eingenickt. Er fuhr in seinem Firmenwagen, Fahrzeughalter war also sein Arbeitgeber, Unfallopfer seine Ehefrau.
Beifahrerin klagte wegen Haushaltsführungsschaden
Vor Gericht kam der Fall, weil die Ehefrau des Fahrers, die auf dem Beifahrersitz saß, von der Haftpflichtversicherung des Auto-Halters, dem Arbeitgeber des Ehemanns, Schmerzensgeld forderte sowie einen unfallbedingten Haushaltsführungsschaden geltend machte.
Unfall geschah ohne Fremdeinwirkung
Der Unfall hatte sich nachts, ohne Fremdeinwirkung, gegen 01:45 auf einer Bundesstraße ereignet. Das Auto kam von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Dabei erlitt die Ehefrau des Fahrers erhebliche Verletzungen: einen Speichenbruch (Radiusfraktur), eine Prellung der Halswirbelsäule sowie eine Fraktur des ersten Mittelhandknochens (Bennet-Fraktur).
Haftpflichtversicherung sah 1/3 Mitverschulden bei Beifahrerin
Die Haftpflichtversicherung des Pkw-Halters, also des Arbeitgebers des Mannes, sah bei der Ehefrau ein Mitverschulden an dem Unfall von mindestens einem Drittel. Begründung: Der Unfall habe sich ereignet, weil der Ehemann nach einer langen Flugreise übermüdet gewesen und während der Fahrt eingeschlafen sei, denn es sei keine andere Ursache plausibel,. Diese Übermüdung könne der Mandantin nicht verborgen geblieben sein.
Die Frau treffe ein Mitverschulden, sie hätte, so der Versicherer, die Übermüdung ihres Mannes bemerken müssen.
- Die Frau hatte dagegen argumentiert, dass einen Mitfahrer nur dann ein (Mit)-Verschulden treffe,
- wenn für ihn bereits bei Fahrantritt erkennbar sei, dass der Fahrer wegen Übermüdung fahruntüchtig ist.
- Zudem setze ein Mitverschulden voraus, dass der Beifahrer, der eine Fahruntüchtigkeit des Fahrers vermutet, überhaupt die Gelegenheit hat, das Fahrzeug noch zu verlassen.
Gericht: Frau hat auf Fahrtüchtigkeit ihres Mannes vertraut
Das Landgericht Münster schloss sich der Argumentation der Versicherung nicht an. Zwar sah auch das Gericht es als wahrscheinlich an, dass der Ehemann aufgrund seiner Übermüdung fahruntüchtig war. Es sei aber nicht zu widerlegen, dass die Frau auf die Fahrtüchtigkeit ihres Ehemannes vertraut habe. Für das Vertrauen in die Fahrtüchtigkeit spreche, dass die Frau selbst auch eingeschlafen war.
Versicherung muss Mitverschulden des Beifahrers beweisen
Die Beweislast für das Mitverschulden eines Beifahrers liege bei der Haftpflichtversicherung. Entscheidend ist allein, ob es für die Frau vor ihrem Einschlafen und vor dem Beginn der Autofahrt erkennbar war, dass ihr Mann fahruntüchtig war. Diesen Beweis habe die Versicherung aber nicht erbringen können.
Im Ergebnis hat das Gericht der Frau ein Schmerzensgeld von 13.500 Euro zugestanden sowie einen Haushaltsführungsschaden von neun Euro pro Stunde.
(LG Münster, Urteil v. 29.01.2018, 012 O 131/16)
Hintergrund
Haushaltsführungsschaden
Wird eine Person, die den Haushalt führt, infolge eines vom Unfallgegner zu verantwortenden Unfalls so verletzt, dass sie vorübergehend oder aber mit bleibenden Folgen ganz oder teilweise den Haushalt nicht mehr führen kann, so steht dieser verletzten Person gem. § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB ein Anspruch auf den sog. Haushaltsführungsschaden zu.
Dieser Schadenersatz wegen vermehrter Bedürfnisse wird unabhängig davon gewährt, ob es sich bei der geschädigten Person um (Nur-)Hausfrauen oder (Nur-)Hausmänner (BGH, Urteil vom 04.12.1984, VI ZR 117/83) oder um Berufstätige handelt, wenn sie auch in ihrer Haushaltsführung beeinträchtigt sind.
Anspruchsberechtigt kann der Geschädigte aber nicht nur in Hinblick auf seine eingeschränkte Eigenversorgung sein, sondern auch, soweit es um die Versorgung anderer geht. Dies gilt nach der Rechtsprechung aber nur dann, wenn deren Versorgung rechtlich geschuldet ist (BGH, Urteil v. 25.09.1973, VI ZR 49/72).
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