Nur kurz zu nah aufgefahren, trotzdem Vorsatz und hohe Geldbuße?

Zu nahes Auffahren ist eine Ordnungswidrigkeit und bußgeldpflichtig. Doch ist es auch vorsätzlich seitens des Auffahrenden, wenn die Abstandsunterschreitung nur kurze Zeit währte? Das entlastet nur in Ausnahmesituationen, die ein kurzfristige Abstandsverringerung nachvollziehbar machen.

18 Meter Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 131 km/h, also weniger als 3/10 des Tachowertes, das brachte einem Autofahrer eine Geldbuße von 530 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat ein.

  • Das Gericht verdoppelte damit die Regelgeldbuße gemäß § 3 Abs. 4a BKatV von 240 auf 480 EUR.
  • Zudem nahm es noch eine Erhöhung von 50 EUR vor.

Gerichte können vom Regelsatz nach unten und oben abweichen

Grundsätzlich gilt: Ein Gericht kann bei Vorliegen von Besonderheiten vom Regelsatz nach unten oder nach oben abweichen. Angesichts des Vorsatzes, den das Gericht bei dem zu nah aufgefahrenen Autofahrer sah, verdoppelte es die Regelgeldbuße.

Der Autofahrer hatte versucht, sein Verhalten zu relativieren, indem er anführte, dass er nur für kurze Zeit so nah auf den Vordermann aufgefahren gewesen sei. Diese Argumentation verwarf das Gericht als rechtlich irrelevant.

Zwar wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung tatsächlich thematisiert, über welchen Beobachtungszeitraum und für welche gefahrene Strecke eine Abstandsunterschreitung vorlag. Mal wurde eine Dauer von drei Sekunden, mal eine Messstrecke von 150 Metern als ausreichend angesehen. Warum zog die Argumentation des "Kurzzeit-Dränglers" trotzdem nicht? 

Wann eine vorübergehende Abstandsunterschreitung zulässig sein kann

Die wesentliche Einschränkung: Auf das Vorliegen einer „nicht nur ganz vorübergehenden“ Abstandsunterschreitung komme es nur bei ganz bestimmten Verkehrssituationen an, beispielsweise

  • bei einem plötzlichen Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs,
  • oder einem abstandsverkürzenden Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs.

Derartige Situationen können kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden kann.

Entscheidend bei zu nahem Auffahren ist die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer

Dem Gesetz sei die Einschränkung der „nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung" aber nicht zu entnehmen. Auch die Rechtsprechung des BGH stelle bezüglich dieser Formulierung auf die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ab.

Das Amtsgericht verwies darauf, dass schon vor einigen Jahren entschieden bzw. bekräftigt wurde, dass tatbestandsmäßig im Sinne einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung gem. §§ 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO; § 24 StVG bereits handelt, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet.

Kein pflichtwidriges Verhalten bei plötzlichem Abbremsen oder Spurwechsel

Dabei gilt: Der Tatrichter muss Umstände, die den Betroffenen entlasten können, konkret ausschließen können. Denn ein plötzliches Abbremsen oder ein plötzlicher Spurwechsel würden die Pflichtwidrigkeit des Verstoßes entfallen lassen.

Derartige entlastende Umstände seien aber im vorliegenden Fall nicht gegeben, so das Gericht. Das Messvideo habe keine Sondersituation im Verkehrsgeschehen offenbart, sondern nur den zu nah hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug fahrenden Betroffenen.

(AG Landstuhl, Urteil v. 20.04.2021, 2 OWi 4211 Js 1233/21).

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Hintergrund: Zu nahes Auffahren und Tatvorsatz

Der Richter darf sich nicht darauf beschränken, aus der gemessenen Nähe zum vorausfahrenden Fahrzeug und der gemessenen Geschwindigkeit heraus den Vorsatz anzunehmen, sondern muss zusätzlich entweder eine offensichtliche Gefährdungssituation herausarbeiten oder aus der Verkehrssituation heraus schlussfolgern, dass man diese nur mit voller Aufmerksamkeit beherrschen kann, sich also über die Umstände bewusst sein muss (OLG Hamm, Beschluss v. 17.02.2006, 2 Ss OWi 63/06).

Eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Nichteinhaltung des Mindestabstandes setzt also eine Auseinandersetzung mit den kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen voraus und kann in der Regel nicht allein mit dem Ausmaß der Abstandsunterschreitung begründet werden.

Wie auch bei anderen Verstößen ist der Einwand des nötigenden Verhaltens anderer Fahrzeugteilnehmer selten erfolgreich und sorgt oft ungewollt für eine Vorsatzannahme. Grundsätzlich gilt: Der gegen die Vorwerfbarkeit einer auf einer Autobahn festgestellten Unterschreitung des nach § 4 Abs. 1 S. 1 StVO gebotenen Sicherheitsabstands vorgebrachte Einwand, die Abstandsunterschreitung sei durch das gefahrvolle Auffahren des Führers des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht worden, ist regelmäßig unbeachtlich, wenn auf der sog. Beobachtungsstrecke ein plötzliches Abbremsen oder ein unerwarteter Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugführers auszuschließen ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2015 - 3 Ss OWi 160/15).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium


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