Zur Anfechtung von Beschlüssen bei nicht ordnungsgemäß einberufener Versammlung
Hintergrund
Die Klägerin ist Gesellschafterin der beklagten GmbH. Sie hält einen Anteil am Stammkapital in Höhe von 34 %. Ergebnisverwendungsbeschlüsse können nach der Satzung nur mit einer ¾-Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden; Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen.
Der Geschäftsführer der Beklagten lud zu einer Gesellschafterversammlung. Die Tagesordnung sah u.a. die „Feststellung des Jahresabschlusses 2008 und die Zuweisung des Gewinns in Höhe von € 200.000 in die freiwillige Gewinnrücklage“ vor. Bei der Versammlung stimmte die Klägerin gegen die Bildung einer freiwilligen Rücklage. Sodann sollte darüber entschieden werden, ob der Gewinn in Höhe von € 200.000 vorgetragen werden solle. Die Klägerin rügte die entsprechende Beschlussfassung und wies darauf hin, dass die Beschlussfassung über einen Gewinnvortrag nicht rechtzeitig mitgeteilt worden war. Die Klägerin nahm an der Abstimmung daher nicht teil. Die restlichen Gesellschafter stimmten für den Gewinnvortrag. Das Zustandekommen dieses Beschlusses wurde festgestellt.
Mit der Klage ficht die Klägerin den Beschluss an und begehrte die vollständige Ausschüttung des Jahresüberschusses. Sie ist der Auffassung, dass keine ordnungsgemäße Ladung zur Beschlussfassung über einen Gewinnvortrag vorliege, und der Beschluss daher unwirksam sei. Das Landgericht Koblenz wies die Klage ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Das Urteil des OLG Koblenz
Zunächst hat das OLG Koblenz klargestellt, dass in dem geschilderten Fall eine ordnungsgemäße Ladung vorliege und die Klägerin ihre Anfechtungsklage daher nicht auf Mängel der Ladung stützen könne. Die Beschlussfassung in Bezug auf den Vortrag des Gewinns sei von der mitgeteilten Tagesordnung umfasst. Denn stimmen die Gesellschafter gegen die angekündigte Bildung einer Gewinnrücklage, sei für die Gesellschafter zugleich absehbar, dass über eine alternative Gewinnverwendung (etwa in Form des Gewinnvortrags) beschlossen werden müsse. Da sich die Klägerin bei der Beschlussfassung enthalten hatte, sei der Beschluss auch mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden. Dabei stellte das OLG Koblenz klar, dass es der Klägerin auch unter gleichzeitiger Rüge unbenommen gewesen sei, an der Beschlussfassung aktiv teilzunehmen und somit das Zustandekommen des Beschlusses zu verhindern.
Dies gelte insbesondere auch dann, wenn tatsächlich eine nicht ordnungsgemäße Ladung vorliege und die Gesellschaftsversammlung sich daher nach § 51 Abs. 3 GmbHG (sog. Vollversammlung) richte. § 51 Abs. 3 GmbHG regelt, dass Beschlüsse im Rahmen einer nicht ordnungsmäßig berufenen Versammlung nur gefasst werden können, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind. Daneben müsse aber auch das Einvernehmen aller Gesellschafter mit der Abstimmung und Abhaltung der Versammlung vorliegen. Ein solches Einvernehmen bestehe jedoch dann nicht, wenn ein Gesellschafter dies entsprechend rügt. Einer solchen Rüge des Gesellschafters stehe aber die gleichzeitige, aktive Teilnahme des Gesellschafters an der Beschlussfassung nicht entgegen.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Koblenz zeigt, dass die Stimmenthaltung bei „möglicherweise“ fehlerhaft einberufenen Gesellschafterversammlungen auch gefährlich sein kann. Im vorliegenden Fall stellte sich für den Gesellschafter im Nachhinein heraus, dass die Ladung ordnungsgemäß war, sodass
- der Beschluss nicht anfechtbar war und
- seine Stimmenthaltung zu der wirksamen Beschlussfassung (gegen seine Intension) geführt hatte.
Für die Praxis bedeutet dies: Sollte ein Gesellschafter Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung haben, so sollte dieser daher nicht nur der Beschlussfassung widersprechen, sondern zugleich an ihr auch aktiv teilnehmen. Damit ist er sowohl für den Fall
- einer doch ordnungsgemäßen als auch
- einer nicht ordnungsgemäßen Ladung abgesichert.
Im ersten Fall geht der Widerspruch lediglich ins Leere, der Gesellschafter konnte seine Interessen bei der Abstimmung aber trotzdem wahrnehmen. Wichtig ist, dass der widersprechende Gesellschafter bei vorsorglicher Teilnahme an der Abstimmung deutlich macht, dass er seinen Widerspruch aufrechterhält. Andernfalls besteht das Risiko, dass seine Teilnahme an der Abstimmung als stillschweigendes Einvernehmen mit der Abhaltung der Versammlung und Beschlussfassung gedeutet werden könnte.
Rechtsanwälte
Dr. Hendrik Thies und
Dr. Meike Kapp-Schwoerer,
Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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