Kameramann von „Das Boot“ erhält knappe Million Nachvergütung nach dem Fairnessparagraf
Die Filmproduktion „Das Boot“ entstand in den Jahren 1980/81 unter der Regie von Wolfgang Petersen. Niemand konnte voraussehen, dass sie so exorbitant positiv beim weltweiten Publikum einschlagen würde.
Unvorhersehbarer und andauernder Publikumserfolg
Anfang der 80-er Jahre gab es bereits eine Kinoversion, eine Spielfilmfassung und zwei Fernsehfassungen als drei- und als sechsteilige Fernsehserie sowie Bild-Tonträger.
Mehr als 15 Jahre später, im Jahr 1997 war der Film immer noch so populär, dass man eine weitere, längere Spielfilmfassung als sog. Director’s Cut hergestellte, die wie die Vorproduktionen erst im Kino, dann auf diversen Bild-Tonträgern und im Fernsehen gezeigt wurden.
Fernsehausstrahlungen des Films lassen u.a. die Kassen der ARD klingeln
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von WDR und ARD mit ihren verschiedenen Fernsehprogrammen erwarben von der Produktionsfirma Lizenzen und strahlen den Film seitdem regelmäßig aus. In der ARD war der Film in den Jahren 2002 bis 2016 in insgesamt 41 Sendungen zu sehen.
Chefkameramann dringt mit Klagen auf Nachvergütung durch
Der inzwischen 84-jährige Chefkameramann der so übermäßig erfolgreichen Produktion hatte seinerzeit ca. 100.000 EUR Vergütung für seine Arbeit erhalten.
Mit dem sog. Fairnessparagrafen im Urheberrecht (§ 32a UrhG) als Anspruchsgrundlage klagte er in zwei Verfahren auf nachträglich Vergütung:
- in München gegen die Filmproduktionsfirma, den WDR und eine Firma, die DVD’s mit dem Film vertreibt sowie
- in Stuttgart gegen die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD).
Zwei OLG Verurteilten zu Nachvergütung auf Grundlage von § 32a UrhG
- Das OLG München sprach dem für die Kameraführung in „Das Boot“ mehrfach für einen Oskar nominierten Kameramann im Dezember 2017 rund 588.000 EUR zu.
- Ende September 2018 hat nun das OLG Stuttgart in ähnlicher Weise geurteilt und einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung von ca. 315.000 EUR bejaht.
Beide Gerichte haben dem Kameramann einen Anspruch auf Nachvergütung auch bei künftigen Ausstrahlungen bestätigt.
Auffälliges Missverhältnis verpflichtet zur Vergütungsanpassung
Urheber haben grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 32 UrhG). Stellt sich heraus, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung dem nicht genügt, sondern
- in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht,
- so muss die vertragliche Vergütung angepasst werden (§ 32a UrhG).
Diese sog. Fairnessregel des § 32a UrhG stellt einen gerechten Ausgleich zwischen demjenigen her, der das Werk (mit-)erschaffen hat und dem, der es zum eigenen Vorteil nutzt. Ob Top oder Flop, das lässt sich bei Kunstwerken vor der Veröffentlichung oft nicht vorhersagen und dementsprechend bei einer pauschalen Vergütungsvereinbarung berücksichtigen. Dieser Unsicherheit trägt § 32a UrhG Rechnung.
Gezogene Vorteile bemessen sich nach tariflichen Wiederholungsvergütungssätzen
Bei der Berechnung der Vorteile, die die ARD aus den Filmausstrahlungen gezogen hat, haben sich die Stuttgarter Richter der ersten Instanz die Lizenzkosten angeschaut. Die Richter beim OLG hielten das für nicht angebracht, weil es keine allgemeingültigen Preise für Filmlizenzen gibt. Die zweite Instanz hat sich vielmehr
- an den Vergütungssätzen für die Ausstrahlung von Wiederholungssendungen,
- die in den Tarifverträgen der ARD festgelegt sind, orientiert.
Gleiches hatte das OLG München in seiner Parallelentscheidung bezüglich des WDR getan.
Zinsen oder keine - das ist eine noch offene Frage
So ähnlich die Münchener und Stuttgarter Entscheidungen in zweiter Instanz ausgefallen sind, einen wesentlichen Unterschied gibt es.
- Das OLG München hat dem Kameramann Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz aus rund 60.000 EUR seit dem 8. November 2008 zugesprochen, das sind stattliche 26.400 EUR.
- Das OLG Stuttgart hingegen meint, dass der Vertragsanpassungsanspruch keine Geldschuld betreffe und deshalb keine Zinsansprüche auslöse.
Das OLG Stuttgart hat – anders als die Münchener Kollegen - die Revision zum BGH zugelassen, vermutlich wegen der Zinsfrage. Klarheit wird die Veröffentlichung des Volltextes bringen.
(OLG Stuttgart, Urteil v. 26.9.2018, 4 U 2/18).
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Hintergrund:
Urrheberrechtliche Fairnessausgleich (vormals Bestsellerparagraph)
Nach § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ("Fairnessausgleich"), der an die Stelle des § 36 Abs. 1 UrhG aF ("Bestsellerparagraph") getreten ist, kann der Urheber, der einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt hat, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, von dem anderen verlangen, dass dieser in eine Änderung des Vertrages einwilligt, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird.
Dabei ist es nach § 32a Abs. 1 Satz 2 UrhG unerheblich, ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können (BGH, Urteil v. 22. 9. 2011, I ZR 127/10).
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