Probleme bei der Anfechtung von (bestätigten) Gesellschafterbeschlüssen
An einer GmbH waren drei Gesellschafter beteiligt, die zugleich Geschäftsführer waren. Nach einiger Zeit kam es zum Streit und einem der Gesellschafter, dem späteren Kläger, wurde vorgeworfen, einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit nachzugehen.
Es fanden diverse Gesellschafterversammlungen statt. Gegen die Stimmen des Klägers wurden die Einziehung seiner Geschäftsanteile, seine Abberufung als Geschäftsführer, die fristlose Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags und die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn beschlossen. Zugleich wurden seine Anträge auf Einziehung der Anteile seiner Mitgesellschafter und ihre Abberufung als Geschäftsführer abgelehnt. Die Beschlüsse wurden in nachfolgenden Gesellschafterversammlungen nochmals bestätigt.
An allen Gesellschafterversammlungen nahm der Kläger teil, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in die beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste eingetragen war (er war aufgrund eines vorangegangenen Einziehungsbeschlusses, dessen Unwirksamkeit in einem anderen Gerichtsverfahren gerichtlich festgestellt wurde, aus der Gesellschafterliste gestrichen worden).
Der Kläger ging gegen die Beschlüsse vor. Er erhob zum einen Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklagen gegen die (Bestätigungs-)Beschlüsse zu seinen Lasten (Einziehung, Abberufung, Kündigung, Ersatzansprüche) und klagte zum anderen auf Feststellung, dass die gegen seine Mitgesellschafter gerichteten Beschlüsse wirksam waren. Nachdem die Klagen zunächst teilweise erfolgreich waren, entschied zuletzt der BGH über den Fall. Er wies den Großteil der vom Kläger erhobenen Klagen aufgrund einer fehlenden Anfechtungsbefugnis zurück.
Das Urteil des BGH vom 26.01.2021 (Az. II ZR 391/18)
Der BGH setzte sich in seinem Urteil vom 26.01.2021 mit einer Vielzahl an Detailfragen rund um die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen auseinander. Besonders ausführlich befasste sich das Gericht mit der Klagebefugnis eines Gesellschafters bei negativen und positiven Beschlussfeststellungsklagen.
Der BGH ging im konkreten Fall davon aus, dass dem Kläger die Befugnis zur Beschlussanfechtung grds. fehle. Zur Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse und ebenso für positive Beschlussfeststellungsklagen seien allein die in die Gesellschafterliste eingetragenen Personen befugt (sog. negative Legitimationswirkung, § 16 GmbHG). Dies gelte sogar dann, wenn die Gesellschafterliste der materiell-rechtlichen Rechtslage widerspreche (z.B. weil wie vorliegend ein vorangegangener Einziehungsbeschluss unwirksam war). Weil der Kläger schon bei der Beschlussfassung (und bei Erhebung der Klage) nicht mehr in die Gesellschafterliste eingetragen gewesen sei, fehle ihm dementsprechend die Anfechtungsbefugnis und seien die Klagen größtenteils schon deswegen zurückzuweisen.
Beim Beschluss über die Einziehung der Geschäftsanteile nahm der BGH abweichend von diesen Grundsätzen allerdings doch eine Anfechtungsbefugnis an, obwohl der Kläger bei der Beschlussfassung nicht mehr in die Gesellschafterliste eingetragen war. Das Gericht begründete dies damit, dass bei der Einziehung wirksamer Rechtsschutz nur möglich sei, wenn die Klage gegen einen Einziehungsbeschluss unabhängig von der Eintragung in die Gesellschafterliste möglich sei. Andernfalls könnte durch die Hinterlegung einer geänderten Gesellschafterliste die Klagebefugnis des betroffenen Gesellschafters ausgehebelt und sein Ausschluss aus der Gesellschaft „zementiert“ werden.
Dies gälte entsprechend, wenn der Gesellschafter – wie vorliegend – schon bei Fassung des Einziehungsbeschlusses nicht mehr in der Gesellschafterliste geführt würde, da er sich auch in solchen Fällen gegen die Einziehung seiner (ihm materiell noch zustehenden) Geschäftsanteile zur Wehr setzen können müsse (siehe auch Urteil des BGH vom 10.11.2020, Az. II ZR 211/19).
Im Ergebnis sah der BGH den Einziehungsbeschluss als nichtig an, weil das Einziehungsentgelt nicht aus freiem Vermögen der GmbH bezahlt werden konnte. Dieser Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften führe zur Nichtigkeit nicht nur des Einziehungsbeschlusses, sondern – weil der Mangel insofern fortbestand – auch aller Bestätigungsbeschlüsse hierzu.
Hinweis: Vielfältige Fallstricke bei Gesellschafterbeschlüssen im Gesellschafterstreit
Das Urteil des BGH zeigt eindrücklich, wie viele rechtliche Facetten ein Gesellschafterstreit annehmen kann. Es erinnert auch daran: Gerade wenn eine Vielzahl verschiedener Gesellschafterbeschlüsse in Rede steht (Einziehung, Abberufung, Kündigung, Geltendmachung von Ersatzansprüchen…) und diese ggf. sogar noch in weiteren Beschlüssen bestätigt werden, ist für alle Beteiligten erhebliche Sorgfalt geboten. Jedes Versäumnis kann sich zu ihren Lasten auswirken.
Betroffene Gesellschafter sollten darauf achten, dass sie gegen Gesellschafterbeschlüsse zu ihren Lasten rechtzeitig vorgehen. Dazu sollten sie nicht nur Klagefristen im Blick haben, sondern auch die Bedeutung der Gesellschafterliste nicht unterschätzen. Denn sobald eine neue Gesellschafterliste im elektronischen Handelsregister hinterlegt ist, in der sie nicht mehr eingetragen sind, verlieren sie ihre Gesellschafterrechte – und zwar auch dann, wenn sie materiell-rechtlich noch Gesellschafter sind. Gefährdet sind dadurch nicht nur ihre Stimmrechte und Teilnahmerechte in der Gesellschafterversammlung, sondern auch die Möglichkeit zum Vorgehen gegen Abberufungsbeschlüsse u.Ä. Lediglich Vergütungsansprüche und die Möglichkeit, sich gegen Vorwürfe und gegen ihn geltend gemachte Ersatzansprüche zu wehren, verliert der betroffene Gesellschafter nicht. Um die Nachteile aufgrund der negativen Legitimationswirkung der Gesellschafterliste zu vermeiden, müssen betroffene Gesellschafter ggf. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Hinterlegung einer neuen Gesellschafterliste vorgehen. Nur dadurch können sie sich schnell gegen einen Verlust ihrer (formellen, aber extrem wichtigen) Gesellschafterstellung schützen.
Wie das Urteil des BGH zeigt, gilt das gerade in Konstellationen, in denen Gesellschafterbeschlüsse durch nachfolgende Beschlüsse (die auch von einem geänderten Gesellschafterkreis gefasst werden können) bestätigt werden. Fehlt es an der Klagebefugnis gegen den Bestätigungsbeschluss und ist dieser Bestätigungsbeschluss deswegen nicht (mehr) angreifbar, schlägt dies nach dem BGH nämlich ausdrücklich auf die Ursprungsbeschlüsse durch. Mit anderen Worten: Ist ein wirksamer Bestätigungsbeschluss vorhanden, können Mängel im ursprünglichen Beschluss nicht mehr angegriffen werden. Auch das sollten betroffene Gesellschafter im Hinterkopf behalten.
Die Gesellschaft und die Gesellschafter auf der „Gegenseite“ sollten umgekehrt Gesellschafterbeschlüsse gründlich vorbereiten und durchführen. Ihnen ist zu empfehlen, die geltenden Formalien (insbesondere Einberufungsformen und –fristen) zu beachten. Außerdem sollten sie in unsicheren Konstellationen die Möglichkeit, über Bestätigungsbeschlüsse Rechtssicherheit zu schaffen, in Betracht ziehen.
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