1. Reaktion auf BVerfG-Beschluss zu § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG
Mit dem JStG 2018 hebt der Gesetzgeber die bisher geltende quotale Verlustuntergangsnorm des § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG rückwirkend ersatzlos auf (§ 34 Abs. 6 Satz 1 KStG n.F.).
Hintergrund für die Streichung ist der Beschluss des BVerfG vom 29.3.2017 (2 BvL 6/11), mit dem die Regelung des § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG in der Fassung vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2015 für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt wurde. Der Gesetzgeber war durch das BVerfG aufgefordert worden, bis Ende 2018 eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen.
Wegen § 10a Satz 10 GewStG, der die entsprechende Anwendung des § 8c KStG im Gewerbesteuerrecht vorsieht, gilt die ersatzlose Aufhebung entsprechend für gewerbesteuerliche Verlustvorträge.
Erstmalige Anwendung: Die nun nach vorn gerückten Sätze 1 bis 3 des § 8c Absatz 1 KStG (ohne den bisherigen quotalen Verlustuntergang) finden nach § 34 Abs. 6 Satz 1 KStG n.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 Anwendung.
Keine Änderung für Anteilserwerbe über 50 Prozent (bisheriger Satz 2)
Das FG Hamburg ist auch von der Verfassungswidrigkeit des bisherigen § 8c Abs. 1 Satz 2 (künftig Satz 1) KStG (vollständiger Verlustuntergang bei schädlichen Erwerben von mehr als 50 Prozent) überzeugt und hat daher mit Beschluss vom 29.8.2017 (2 K 245/17) dem BVerfG auch diese Norm zur verfassungsrechtlichen Klärung vorgelegt (anhängig unter 2 BvL 19/17).
Eine Regelung zu dem bisherigen Satz 2 (neuer Satz 1) enthält der Gesetzesbeschluss allerdings nicht. Die Begründung des Regierungsentwurfs weist ausdrücklich darauf hin, dass das BVerfG (bisher) die verfassungsrechtliche Frage des Satzes 2 offengelassen hat. Betroffene Verfahren sollten daher bis zu einer Entscheidung des BVerfG weiterhin offengehalten werden.
2. Wiederanwendung der Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG)
Die Europäische Kommission hatte mit Beschluss vom 26.1.2011 (ABl. L 235 vom 10.9.2011, S. 26) festgestellt, dass § 8c Abs. 1a KStG eine unionsrechtswidrige Beihilfe darstellt. Daraufhin wurde durch § 34 Abs. 6 Satz 1 KStG a.F. (vormals § 34 Abs. 7c KStG, eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften; BGBl 2011 I S. 2592) die Anwendung von § 8c Abs. 1a KStG für Beteiligungserwerbe, die nach dem 31.12.2007 erfolgt sind, suspendiert.
Der EuGH hat nun kürzlich mit seinen Urteilen vom 28.6.2018 (C-203/16 P, C-208/16 P, C-219/16 P, C-209/16 P) den Beschluss der Europäischen Kommission für nichtig erklärt. Nach rechtskräftigem Abschluss des Gerichtsverfahrens wird mit § 34 Abs. 6 Satz 3 und 4 KStG n.F. die Suspendierung aufgehoben und § 8c Abs. 1a KStG nunmehr rückwirkend rehabilitiert. Nach § 34 Abs. 6 Satz 4 KStG n.F. bleibt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8c Abs. 1a KStG ein nach dem 31.12.2007 erfolgter Beteiligungserwerb bei der Anwendung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG n.F. unberücksichtigt.
Erstmalige Anwendung: § 34 Abs. 6 Satz 3 KStG n.F. ordnet die rückwirkende Anwendung der Sanierungsklausel an. § 8c Abs. 1a KStG in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 22.12.2009 (BGBl 2009 I S. 3950) ist damit erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen, die nach dem 31.12.2007 erfolgt sind, anzuwenden.
3. Organschaft: Neuregelung variabler Ausgleichszahlungen (§ 14 Abs. 2 KStG)
Die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft setzt u.a. voraus, dass die Organgesellschaft ihren ganzen Gewinn an den Organträger abführt. Diese Voraussetzung sah der BFH in seinem Urteil vom 10.05.2017 (I R 93/15) bei einer Ausgleichszahlung an einen außenstehenden Gesellschafter, die neben einem festen auch einen variablen (am Ertrag der Organgesellschaft orientierten) Bestandteil enthielt, als nicht gegeben an.
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung sind variable Ausgleichszahlungen mit dem Vorliegen einer Organschaft hingegen grundsätzlich vereinbar (vgl. BMF-Schreiben vom 20.4.2010, BStBl 2010 I S. 372).
Als Reaktion auf das BFH-Urteil wird mit dem neuen § 14 Abs. 2 KStG nun gesetzlich geregelt, unter welchen Voraussetzungen der ganze Gewinn noch als abgeführt gilt.
Danach gilt der ganze Gewinn auch dann als abgeführt, wenn über den mindestens zugesicherten Betrag i.S.d. § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG hinausgehende Ausgleichszahlungen vereinbart und geleistet werden, § 14 Abs. 2 Satz 1 KStG. Das gilt jedoch einschränkend nur dann, wenn
- die Ausgleichszahlungen insgesamt den quotalen Gewinnanteil am gezeichneten Kapital des Wirtschaftsjahres nicht überschreiten, der ohne Gewinnabführungsvertrag hätte geleistet werden können (§ 14 Abs. 2 Satz 2 KStG), und
- der über den Mindestbetrag nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG hinausgehende Betrag nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist (sogenannter Kaufmannstest nach § 14 Abs. 2 Satz 3 KStG). Im Bericht des Finanzausschusses des Bundestags halten die Koalitionsfraktionen fest, dass der Kaufmannstest regelmäßig dann keine Bedeutung haben soll, wenn sich die Beteiligten wie fremde Dritte gegenüberstehen und ein natürlicher Interessensgegensatz zwischen Organträger und Minderheitsgesellschafter besteht.
Erstmalige Anwendung: § 34 Abs. 6b Satz 1 KStG sieht vor, dass § 14 Abs. 2 KStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2017 und damit rückwirkend in allen offenen Fällen anzuwenden ist. Die Ausweitung der Regelung der Organschaft auf Fälle, in denen Ausgleichszahlungen in einem gewissen Umfang über den Mindestschutz des § 304 Abs. 2 Satz 1 KStG hinausgehen, ist laut Gesetzesbegründung als begünstigende Rückwirkung zulässig.
Übergangsvorschrift
In einigen Fällen, in denen die Finanzverwaltung auf Basis der BMF-Schreiben vom 13.9.1991 (IV B 7 – S 2770 – 11/91) und vom 20.4.2010 (BStBl 2010 I S. 372) die Organschaft bisher anerkannt hatte, wäre nach dem neuen § 14 Abs. 2 KStG die Organschaft nicht mehr anzuerkennen (bspw. in sogenannten Tracking-Stock-Konstellationen).
Wurde im Einzelfall die Vereinbarung von Ausgleichszahlungen bei einer Organschaft abweichend von § 14 Abs. 2 KStG nach den Grundsätzen der oben genannten BMF-Schreiben anerkannt, so sind diese Grundsätze übergangsweise auch bis letztmals für den Veranlagungszeitraum 2021 in diesen Einzelfällen weiterhin anzuwenden, § 34 Abs. 6b Satz 2 KStG.
Wird ein derartiger Gewinnabführungsvertrag einer bisher anerkannten Organschaft nach Kabinettbeschluss (1.8.2018) aber vor Ablauf der Mindestlaufzeit von fünf Jahren gekündigt, liegt nach § 34 Abs. 6b Satz 3 KStG ein wichtiger Kündigungsgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG vor. Eine vorzeitige Kündigung ist damit unschädlich für die bisherige Organschaft.
Eine Anpassung des Gewinnabführungsvertrags einer bisher anerkannten Organschaft an die Regelung des § 14 Abs. 2 KStG, die bis spätestens 31.12.2021 erfolgen sollte, gilt nach § 34 Abs. 6b Satz 4 KStG nicht als Neuabschluss. Die Anpassung löst keine erneute Mindestlaufzeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG aus.
4. Rückstellungen für Beitragsrückerstattung § 21 KStG
§ 21 KStG regelt trotz seiner Bezeichnungen im Wesentlichen die Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer. Im Grundsatz stammt die Vorschrift bereits aus dem Jahr 1977. Geänderte allgemeine gesetzliche Rahmenbedingungen und zunehmende steuerliche Zweifelsfragen machten eine grundlegende Anpassung des § 21 KStG erforderlich. Ein besonderer Änderungsdruck ergab sich zudem aus Abs. 2 a.F., der sicherstellen sollte, dass rückgestellte Beträge den Versicherungsnehmern auch zeitnah zuflossen. Die Vorschrift belastete gerade die Lebensversicherungsunternehmen nur dann nicht, wenn Zuführung und Verwendung in einem gewissen Verhältnis zueinander standen.
Dieses Verhältnis war aufgrund der andauernden Niedrigzinsphase nicht mehr gewahrt und die bisherigen zeitlich begrenzten Regelungen konnten das Problem ebenfalls nicht lösen. Folge war, dass Versicherungsunternehmen Aufwendungen mindestens temporär nicht abziehen konnten, auch wenn diese den Versicherungsnehmern schließlich zuflossen.
§ 21 Abs. 1 KStG a.F. regelt die steuerliche Abziehbarkeit der als Beitragsrückerstattungen bezeichneten Aufwendungen als Betriebsausgaben. Die Vorschrift bezweckt eine Mindestbesteuerung, indem festgelegt wird, dass Erträge aus der Anlage des Eigenkapitals nicht steuermindernd an den Versicherungsnehmer weitergeleitet werden können.
Der Zweck des § 21 Abs. 1 KStG soll mit der Neufassung durch das JStG 2018 grundsätzlich beibehalten werden. Allerdings soll die Methode vereinfacht und sichergestellt werden, dass die aufsichtsrechtlich zu gewährenden Beträge steuerlich abziehbar sind.
So wird weiterhin die Höhe der vom Versicherungsunternehmen gewinnmindernd gebuchten Beträge mit einem steuerlichen Höchstbetrag verglichen. Dieser ermittelt sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KStG-E. Nur bis zu diesem Höchstbetrag sind die Aufwendungen steuerlich abziehbar. Die Regelung zum steuerlichen Höchstbetrag nach § 21 Abs. 2 KStG a.F. entfällt, so dass es nicht mehr zu einer zwangsweisen Auflösung der Rückstellung kommt, wenn die Beträge nicht zeitnah verwendet werden. Künftig sollen auch für steuerliche Zwecke die aufsichtsrechtlichen Höchstbeträge maßgeblich sein. Unklar bleibt allerdings, wie der Nettoertrag des Eigenkapitals ermittelt werden soll und folglich, welche Erträge und Aufwendungen anteilig auf das in der Vorschrift selbst definierte Eigenkapital entfallen.
Die bisherige Unterscheidung in Abs. 1 nach Lebens- und Krankenversicherung (Nr. 1) und Schaden- und Unfallversicherung (Nr. 2) wird als nicht mehr praxisgerecht angesehen. Künftig wird unterschieden nach Versicherungen, die nach Art der Lebensversicherung (Nr. 1) betrieben werden und den übrigen Versicherungsgeschäften (Nr. 2). Für erstere bestimmt sich die Höhe der abziehbaren Beitragsrückerstattungen nach dem jeweiligen Jahresergebnis, für die Versicherungen nach Nr. 2 ist weiterhin der versicherungstechnische Überschuss maßgeblich. Diese Zuordnung wurde allerdings deutlich ausformuliert.
§ 21 Abs. 2 KStG-E schließt die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG für Rückstellung für erfolgsabhängige und künftig auch erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen aus. Damit unterliegt diese Rückstellung nicht dem Abzinsungsgebot, wenn die Restlaufzeit am Bilanzstichtag zwölf Monate übersteigt.
Erstmalige Anwendung: Gemäß § 34 Abs. 8 Satz 2 KStG-E soll die Neufassung des § 21 KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2019 anzuwenden sein.
5. Folgeänderungen zum InvStG 2018 in Organschaftsfällen
Mit dem JStG 2018 werden in § 15 KStG Folgeänderungen des InvStG 2018 in Organschaftsfällen aufgenommen.
Um systemwidrige Ergebnisse im Rahmen der ertragsteuerlichen Organschaft zu vermeiden, bleiben mit Wirkung ab dem VZ 2019 die Regelungen zu den rechtsformabhängigen Steuerfreistellungen für Investmentfonds und für Spezial-Investmentfonds bei der Einkommensermittlung der Organgesellschaft unberücksichtigt (§ 15 Satz 1 Nr. 2a Satz 1 KStG). Sind in dem, dem Organträger zugerechneten Einkommen bestimmte Investmenterträge bzw. Aufwendungen enthalten, sind die entsprechenden Steuerbefreiungsvorschriften bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden (§ 15 Satz 1 Nr. 2a Satz 2 KStG). Dabei gilt der Organträger als Anleger i.S.d. § 2 Abs. 10 InvStG (§ 15 Satz 1 Nr. 2a Satz 3 KStG).