Der Steuerpflichtige S hat für jedes Jahr 1 Mio. und 1 EUR Steuern nachzuzahlen. Dann ist die rechtzeitige und sonst auch vollständige und wirksame Selbstanzeige nicht strafbefreiend. Er erlangt nur ein Verfolgungshindernis, wenn er die Steuern und Zinsen und den Zuschlag nach § 398a AO binnen der ihm zu setzenden angemessenen Frist nachzahlt. Unterstellt, er habe immer im Folgejahr die Erklärungen eingereicht, wäre also steuerlich das Jahr 2003 in 2004 erklärt worden, so dass steuerlich 2003 noch zu berichtigen wäre. Dann wäre die verlängerte Strafverfolgungsverjährung von 10 Jahren nach § 376 Abs. 1 AO gegeben.
Hätte er 2003 im Mai 2004 z.B. erklärt und hätte den Einkommensteuerbescheid für 2003 am 21.08.2004 erhalten, wäre die Tat 2003 strafverfolgungsverjährt. Er müsste nach heutiger Rechtslage die Selbstanzeige ab 2004 abgeben, um im Berichtigungsverbund dem Vollständigkeitsgebot Folge zu leisten. Steuerlich könnte bis 2003 korrigiert werden. Soweit er nicht 2003 erklären würde, wäre 2003 zu schätzen, § 162 Abs. 1 AO. Dies wäre im Hinblick auf die Verweigerung der Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO problemlos aufgrund des für 2004 nacherklärten Datenbestands binnen Minuten leicht möglich. Notfalls könnte man die Zahlen aus 2004 (unverändert oder ggf. mit einem Zuschlag) nach 2003 einfach übertragen.
Dieser Steuerpflichtige müsste also nach heutiger Rechtslage für die VZ 2003 bis 2012 jeweils 1 Mio. und 1 EUR Steuern nachzahlen, ferner Zinsen, für das Jahr 2003 in Höhe von ca. 11*6 %= 66 % (=ca. 660.000 EUR), für das Jahr 2004 ca. 10*6% (= 600.000 EUR), für das Jahr 2005 ca. 9*6 %= 54 % (=ca. 540.000 EUR) usw. (§ 235 AO).
Ferner müsste der Steuerpflichtige zur Erlangung der Nichtverfolgbarkeit den derzeitigen Zuschlag von 5 % gem. § 398a Zahlen, d.h. 5 % auf jeweils 1 Mio. und 1 EUR= 50.000 EUR p.a. Zusammen müsste dieser Steuerpflichtige für die VZ 2003-2012 10 Mio. und 10 EUR Steuern, 3,9 Mio. EUR Zinsen und 500.000 EUR Zuschlag nach § 398a AO zahlen, wobei die Zahlung der Zinsen nicht Tatbestandsvoraussetzung für die Erlangung der Nichtverfolgbarkeit wäre, dem Steuerpflichtigen aber bei Nichtzahlung die Vollstreckung wegen dieser Beträge einbringen würde.
Dieser Fall würde also den Steuerpflichtigen 14.400.010 EUR nach heutiger Rechtslage kosten. Nach der Neuregelung – die jetzige Geltung bereits für eine logische Sekunde unterstellt um die Vergleichbarkeit herzustellen - würde steuerlich festsetzungsmäßig nichts ändern. Erhebungsmäßig müsste der Steuerpflichtige zwingend auch die Zinsen zahlen, um die Nichtverfolgung zu erlangen. Der Zuschlag nach § 398a AO würde sich auf 20 % der hinterzogenen Steuer, also 200.000 EUR p.a. erhöhen. Damit müsste derselbe Steuerpflichtige bei diesem Fall nach der Neuregelung 10 Mio. und 10 EUR Steuern, zwingend 3,9 Mio. EUR Zinsen und 2 Mio. EUR Zuschlag zahlen, mithin insgesamt statt der bislang rund 14,4 Mio. EUR nunmehr rd. 15,9 Mio. EUR um die Nichtverfolgung zu erreichen – bei ansonsten wirksamer Selbstanzeige.
Ob der Zuschlag verfassungskonform ist – grundsätzlich oder hier in diesen Höhen? Der Gesetzgeber wird wohl grundsätzlich frei sein, zu welchen Konditionen er die Straffreiheit gewährt. Wenn er die Erlangung der Straffreiheit oder die Nichtverfolgbarkeit an Verhaltensweisen oder Zahlungen wie Zuschläge oder ggf. erhöhte Steuersätze knüpft, dürfte dieser Tauschhandel "Strafe gegen Offenbarung und Gegenleistung" prinzipielle nicht zu beanstanden sein, solange nicht eine Sittenwidrigkeit in Sicht ist. Bedenken wird man daher gegen diese Regelung dem Grunde nach kaum mit Erfolg vorbringen können.
Eine andere Frage ist die Ungleichbehandlung untereinander: Warum soll der Steuerpflichtige, der zufällig nur knapp unter einer Schwelle liegt, so deutlich besser und der andere knapp über der Schwelle so viel schlechter behandelt werden? In obigem Beispiel soll die Steuer nur p.a. 1 EUR geringer sein, so fällt der Zuschlag von 20 % auf 15 %. Dieser Steuerpflichtige hätte bei nur 1 EUR Steuern weniger p.a. fast dieselbe Steuer- und Zinslast zu zahlen, aber nur einen Zuschlag von 150.000 EUR p.a., also nur bei 10 Jahren 1,5 Mio. EUR statt der 2 Mio. EUR Zuschlag im obigen Fall. Dies wiederholt sich natürlich parallel bei den Schwellen bei 100.000 EUR bzw. 25.000 EUR. Derjenige, der "nur" 25.000 EUR Steuern p.a. nachzahlen muss, hat keinen Zuschlag zu zahlen und wird aufgrund der wirksamen Selbstanzeige straffrei. Derjenige, der 25.001 EUR Steuern p.a. nachzahlen muss, hat einen Zuschlag von 10 %, d.h. 2.500 EUR p.a., d.h. dann also bei 10-jähriger Verfolgungsverjährung einen Zuschlag von insgesamt 25.000 EUR zusätzlich zu zahlen.
Dieser zweite Steuerpflichtige wird natürlich fragen, warum der mit nur einem Euro weniger Steuerlast pro Jahr so viel besser gestellt werden darf. Dass Grenzen irgendwo eingebaut werden müssen, könnte das eine Argument sein – das Gegenargument wäre, dass bei einer Gleichbehandlung etwa ein gleichmäßiger einheitlicher prozentualer statt stufenmäßig gestaffelter Zuschlag auch für die im Verhältnis zur Hinterziehung – also dem Handlungsunwert - gerechtere Lösung wäre. Die verfassungsrechtliche Frage betreffend der Zuschläge steckt daher wohl eher weniger in der Frage, ob diese grundsätzlich zulässig sind, sondern eher darin, ob die Mindestschwelle eine ungerechtfertigte Begünstigung der darunter liegenden Steuerpflichtigen ist, bzw. die Schwellensprünge mit den verbundenen Staffelungen der Zinssätze und die daraus folgende Ungleichbehandlung der unterschiedlich Betroffenen sachlich gerechtfertigt sind.