Ausgleichszahlung für rechtswidrig geleistete Mehrarbeit ist Arbeitslohn
Hintergrund
A stand als Feuerwehrbeamter im Dienst der Stadt. In 2002 bis 2007 betrug seine wöchentliche Arbeitszeit - über die zulässige Höchstarbeitszeit hinaus - teilweise mehr als 48 Stunden. Die Stadt gewährte A daher in 2012 für die rechtswidrig geleistete Mehrarbeit eine Ausgleichszahlung von 14.500 EUR. Das FA behandelte bei der Veranlagung für 2012 den Betrag als ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn für mehrere Jahre nach der "Fünftelregelung" des § 34 Abs. 1 EStG. Mit der dagegen erhobenen Klage und der anschließenden Revision wandte A ein, nach der Rechtsprechung des EuGH handele es sich um Schadensersatz. Die Zahlung sei daher keine Gegenleistung für die individuelle Arbeitsleistung, sondern eine nicht steuerbare Entschädigung für einen im Privatvermögen eingetretenen Schaden.
Entscheidung
Der BFH bestätigt die Auffassung des FG und wies die Revision zurück. Arbeitslohn liegt vor, wenn die Einnahmen mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen. Das ist der Fall, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Kein Arbeitslohn liegt daher vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Deshalb führen Schadenersatzleistungen des Arbeitgebers nicht zu steuerbarem Arbeitslohn. Die Beurteilung, ob eine Veranlassung durch das Dienstverhältnis vorliegt, obliegt in erster Linie dem FG. Denn ob ein Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder einer andern Einkunftsart bzw. dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen ist, kann nur aufgrund der Würdigung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden.
Hiervon ausgehend hat das FG die Entschädigungszahlung zutreffend als steuerbaren Arbeitslohn beurteilt. A hat die Zahlung ausschließlich für die geleisteten (zusätzlichen) Dienste und nicht etwa unabhängig davon wegen einer Verletzung der Arbeitgeberpflichten der Stadt erhalten. Dies wird durch die konkrete Berechnung der Entschädigungszahlung in Anlehnung an das Gesetz über die Mehrarbeit von Feuerwehrleuten belegt. Die Zahlung wäre nicht geleistet worden, wenn die rechtswidrige Mehrarbeit nicht erbracht worden wäre. Sachgrund der Zahlung war daher nicht eine einen Schadensersatzanspruch begründende Handlung der Stadt, sondern allein die Erbringung der Arbeitsleistung durch A.
Das von A herangezogene Urteil des EuGH zur Überschreitung der Höchstarbeitszeit (EuGH v. 25.11.2010, C-429/09, EU:C:2010:717, BB 2010 S. 3082) führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn die Entschädigung danach Ausfluss des unionsrechtlichen Staatshaftungsrechts ist, steht dies der Einordnung als Arbeitslohn nicht entgegen. Denn nach nationalem Recht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV) ist es unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Die Erfassung als Arbeitslohn ist unionsrechtskonform, da es dem Mitgliedstaat freigestellt ist, auf welche Art und in welcher Form der Schadensersatz gewährt wird (Freizeitausgleich oder steuerbarer Arbeitslohn).
Hinweis
Entscheidend ist somit ausschließlich, ob die Zahlung als Gegenleistung für die Arbeitskraft des Arbeitnehmers geleistet wurde. Die zivilrechtliche Wirksamkeit hat keine wesentliche Bedeutung. Deshalb können auch rechtswidrige (unerlaubte) Tätigkeiten im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt werden mit der Folge, dass die entsprechenden Entgelte als Arbeitslohn zu erfassen sind. Für die Abgrenzung kommt im konkreten Fall der Würdigung des FG entscheidende Bedeutung zu. Dessen Würdigung ist für den BFH bindend, sofern sie verfahrensrechtlich einwandfrei und nicht durch Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist.
BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 2/16, veröffentlicht am 14.9.2016
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