Abzugsfähigkeit von Einkommensteuerschulden bei der Erbschaftsteuer
Vor dem FG München wurde folgender Fall verhandelt: Die Kläger sind ausweislich des Erbscheins gesetzliche Erben des 2016 verstorbenen Erblassers. Der Erblasser war Inhaber eines (verpachteten) land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Nach dem Tod des Erblassers erklärten die Kläger rückwirkend für einen Zeitpunkt vor dem Tod des Erblassers im Jahr 2016 die Betriebsaufgabe. Aufgrund der (von den Klägern erklärten) Betriebsaufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Erblassers entstand ein ertragsteuerlicher Veräußerungsgewinn und darauf entfallende Einkommensteuer.
Einkommensteuerschulden bei der Erbschaftsteuer
Ausgehend vom Veräußerungsgewinn sowie Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft setzte das Finanzamt Einkommensteuer und ausgehend von der eingegangenen Erbschaftsteuererklärung mit Erbschaftsteuerbescheiden Erbschaftsteuer für die einzelnen Erwerber fest. Hierbei lies das Finanzamt die geltenden gemachten Einkommensteuerschulden, den Solidaritätszuschlag sowie die Kirchensteuer betreffend den Veranlagungszeitraum 2015 zum Abzug als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd (wie beantragt, jeweils anteilig bei den Klägern) zum Abzug zu. Die auf den Veranlagungszeitraum 2016 entfallende Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag sowie die Kirchensteuer lies das Finanzamt ebenfalls jeweils anteilig bei den Klägern zum Abzug als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu. Die die Betriebsaufgabe betreffenden Steuern berücksichtigte das Finanzamt nicht. Gegen die Erbschaftsteuerbescheide legten die Kläger Einspruch ein, die das Finanzamt mit gesonderten Einspruchsentscheidungen als unbegründet zurückwies.
Hiergegen richteten sich Klagen. Die Kläger beantragten, die Erbschaftsteuerbescheide dahingehend zu ändern, dass weitere Nachlassverbindlichkeiten in Höhe der auf die Betriebsaufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Erblassers entfallenden Steuern zum Abzug zugelassen werden und die Erbschaftsteuer entsprechend anteilig herabgesetzt wird bzw. hilfsweise die Revision zuzulassen. Dagegen beantragte das Finanzamt, die Klagen abzuweisen.
Nach Auffassung des Finanzgerichts München ist die Klage unbegründet. Es erläutert seine Auffassung unter anderem wie folgt: Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO auf die Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen.
Wirtschaftliche Belastung
Der Abzug setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben. An dieser wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn der Erblasser als Schuldner davon ausgehen konnte, die Verpflichtungen unter normalen Umständen nicht selbst erfüllen zu müssen. Mit dem zusätzlichen Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung wird zwar vom Zivilrecht abgewichen, dem steht jedoch gegenüber, dass Leistungen des Erben aus dem Nachlass auch ohne rechtliche Verpflichtung in besonders gelagerten Ausnahmefällen als Nachlassverbindlichkeiten in Betracht kommen, wenn sie eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung darstellen. Bei Übertragung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall hat das Finanzamt zu Recht in den Erbschaftsteuerbescheiden die von den Klägern geltend gemachten Steuerschulden nicht zum Abzug zugelassen.
Kein Abzug als Nachlassverbindlichkeiten
Die Voraussetzungen für den Abzug der Kosten für die aus der Betriebsausgabe resultierenden Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 10 Abs. 5 ErbStG liegen im Streitfall nicht vor. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören diejenigen Steuerschulden, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits rechtlich entstanden sind. Namentlich die Einkommensteuer entsteht grundsätzlich gemäß § 38 AO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums.
Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gehören aber nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Die Festsetzung der Steuer ist nicht Voraussetzung ihrer Entstehung, sondern setzt nach § 85 Satz 1 AO die Entstehung voraus. Steuerschulden können aber wie andere Nachlassverbindlichkeiten nur dann abgezogen werden, wenn sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben.
Kein Abzug bei fehlender wirtschaftlicher Belastung
Fehlt die wirtschaftliche Belastung, findet der Abzug nicht statt. Da im Streitfall erst die Erben nach dem Tod des Erblassers die Betriebsaufgabe erklärt haben, fehlt in jedem Fall die wirtschaftliche Belastung des Erblassers durch die (aus der Betriebsaufgabe resultierenden) Einkommensteuerschulden im Zeitpunkt des Erbfalls, sodass eine Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausscheidet. Das Gericht ist auch der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Einkommensteuerschulden nicht im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom Erblasser „herrühren”, da erst durch die Betriebsaufgabeerklärung der Erben der Steuertatbestand ausgelöst worden ist. Aus dem Begriff „herrühren” ergibt sich nämlich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen; zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch „verhaltene”, noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über. Hieran fehlt es jedoch im Streitfall, da erst die Kläger als Erben nach dem Tod des Betriebsinhabers (Erblassers) die Betriebsaufgabe erklärt und damit die Steuerentstehung begründet und veranlasst haben. Maßgeblich für die Berücksichtigung der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist jedoch, dass der Erblasser bis zu seinem Ableben selbst Steuertatbestände verwirklicht und damit das spätere Entstehen der Steuerschuld begründet hat.
Das Finanzgericht hat hat die Revision nicht zugelassen.
FG München Urteil vom 16.09.2020 - 4 K 2701/19 (veröffentlicht am 25.06.2021)
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