Kein Reverse Charge bei Beförderungseinzelbesteuerung
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Kapitalgesellschaft, die Konzerttourneen mit hauptsächlich osteuropäischen Künstlern organisiert. Bei jeder Reise, die mehrere Tage oder Wochen dauerte, fanden Veranstaltungen in jeweils anderen Orten Deutschlands und im Ausland statt. Hierzu wurden mit den örtlichen Veranstaltern, beispielsweise Gemeinden, entsprechende Verträge abgeschlossen. Die Reisen führte die Klägerin mit Reisebussen durch, die jeweils nicht im Inland zugelassen waren. Hierfür mietete sie diese Busse mit Fahrern von im Ausland ansässigen Unternehmen an. Offenbar war die Sachverhalts-/Beleglage etwas undurchsichtig, weshalb das Finanzamt gegenüber der Klägerin Umsatzsteuer gem. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bzw. Abs. 2 Satz 1 UStG a. F. festsetzte und teilweise Zuschätzungen vornahm. Nach Ansicht der Klägerin kommt die Steuerschuldnerschaft (des Leistungsempfängers) für sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers nicht in Betracht, wenn die Leistung in einer Personenbeförderung besteht, die der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 UStG unterlegen hat (vgl. § 13b Abs. 3 Nr. 1 UStG a. F.).
Entscheidung:
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Eine Beförderungsleistung wird nach § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Erstreckt sich eine Beförderung nicht nur auf das Inland, so ist nur der Teil der Leistung steuerbar, der auf das Inland entfällt (§ 3b Abs. 1 Satz 2 UStG). Da die Klägerin als Unternehmerin von im Ausland ansässigen Unternehmen Busse anmietete, liegen die Voraussetzungen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG grundsätzlich vor. Dies gilt aber nicht, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmens in einer Personenbeförderung besteht, die der Beförderungseinzelbesteuerung unterlegen hat (§ 13b Abs. 3 Nr. 1 UStG a. F.). Unterlegen hat eine Leistung der Beförderungseinzelbesteuerung, wenn einmal eine Steuerpflicht gem. § 16 Abs. 5 UStG bestand. Im Streitfall ist jeweils auf die gesamte Reise, die mehrere Tage oder mehrere Wochen dauerte, abzustellen, eine Aufspaltung in einzelne Reiseabschnitte wäre lebensfremd. Wurde also während einer Tournee einmal die Grenze zum Drittland überquert, so unterliegt die gesamte Reise der Beförderungseinzelbesteuerung.
Praxishinweis:
Aktuell finden sich die für den Streitfall maßgebenden Vorschriften in § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 13b Abs. 5 UStG sowie in Abs. 6 Nr. 1 UStG. Nach § 13b Abs. 6 Nr. 1 UStG sind die Vorschriften der Steuerschuldnerschaft (§ 13b Abs. 1 - 5 UStG) nicht anzuwenden, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers in einer Personenbeförderung besteht, die der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 UStG unterlegen hat. Auch nach Ansicht der Finanzverwaltung findet die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers in einer Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr mit nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibussen besteht und bei der eine Grenze zum Drittland überschritten wird (vgl. Abschn. 13b.10 Abs. 1 UStAE).
Das Finanzgericht hat nun klargestellt, dass bei längerfristigen Inlandstourneen die Beförderungseinzelbesteuerung und damit nicht das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist, wenn während der einzelnen Tourneen einmal die Grenze vom Inland zum Drittlandsgebiet überquert worden ist. In diesen Fällen unterliegt nicht nur die Fahrt, welche die Grenzüberschreitung betrifft, der Beförderungseinzelbesteuerung. Einem Durchschnittsverbraucher, also einem durchschnittlichen Veranstalter, käme es nämlich ersichtlich nicht auf die Beförderung der Künstler für einzelne Fahrten, sondern darauf an, dass das Transportunternehmen die Beförderung auf der gesamten Reise übernimmt und dabei den Bus mit Fahrer zur Verfügung stellt. Die Aufspaltung in einzelne Reiseabschnitte einer Tournee wäre lebensfremd. Für den Ausschluss des § 13b UStG ist es auch unerheblich, ob die Umsatzsteuer, die auf die Beförderungseinzelbesteuerung entfällt, tatsächlich entrichtet worden ist oder ob der Unternehmer gem. § 16 Abs. 5b UStG nachträglich zur allgemeinen Besteuerung optiert.
FG München, Urteil v. 13.11.2014, 14 K 2681/12, Haufe Index 7619090
-
Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO ist unwiderruflich
6765
-
Vermietung an den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
675
-
Abschreibung für eine Produktionshalle
674
-
Abzug von Fahrtkosten zur Kinderbetreuung
512
-
Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
472
-
Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen
454
-
Sonderausgabenabzug für einbehaltene Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus anderen Einkunftsarten
444
-
Anschrift in Rechnungen
429
-
Neue Grundsteuer B in Baden-Württemberg ist verfassungsmäßig
421
-
Teil 1 - Grundsätze
412
-
Erschütterung des Anscheinsbeweises für eine private Fahrzeugnutzung
23.12.2024
-
Auftragsprüfung bei einem Steuerberater
23.12.2024
-
Sichere Übermittlung einfach signierter Dokumente aus dem beA
23.12.2024
-
Verfassungsmäßigkeit des grundsteuerlichen Bewertungsrechts im Bundesmodell
20.12.2024
-
Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Werbeaufwendungen
19.12.2024
-
Alle am 19.12.2024 veröffentlichten Entscheidungen
19.12.2024
-
Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen
18.12.2024
-
Verluste im Rahmen eines Steuerstundungsmodells nach § 15b EStG
18.12.2024
-
Verurteilung zweier Angeklagter wegen Steuerhinterziehung durch Cum-Ex-Geschäfte
18.12.2024
-
Innerorganschaftliche Zinsaufwendungen für den Erwerb einer Beteiligung
18.12.2024