Studentenappartement als Wohnung

Ein Studentenwohnheim mit Appartements von 20 qm Wohnfläche ist nicht von der Grundsteuer befreit.

Hintergrund

Eine Anstalt öffentlichen Rechts (A) errichtete zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe, Einrichtungen des studentischen Wohnens zu schaffen, ein Studentenwohnheim. Darin befinden sich 22,10 qm große 1-Zimmer-Appartements mit je einem Wohnraum mit eigener Küchenzeile, einer Diele und einem Bad sowie außerdem mehrere größere Raumeinheiten, die jeweils aus einem Aufenthaltsraum mit Kücheneinrichtung, zwei Bädern und gesondert abschließbaren Wohnräumen bestehen. Die Raumeinheiten dürfen nur als studentischer Wohnraum genutzt werden. Diese Nutzungsbeschränkung ist durch eine im Grundbuch für die Dauer von 50 Jahren eingetragene Dienstbarkeit gesichert.

A beantragte aufgrund der ausschließlich studentischen Nutzung die Befreiung von der GrSt. Das FA entsprach dem nicht und stellte für das Studentenwohnheim als Mietwohngrundstück einen im Ertragswertverfahren ermittelten Einheitswert fest. Die dagegen gerichtete Klage wurde vom FG abgewiesen.

Entscheidung

Grundbesitz, der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse), die ausschließlich gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, unmittelbar für diese Zwecke benutzt wird, ist von der GrSt befreit (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, b i.V.m. § 7 GrStG). Jedoch ist Grundbesitz, der zugleich Wohnzwecken dient, nur unter besonderen Voraussetzungen befreit, z.B. Gemeinschaftsunterkünfte der Bundeswehr, Schülerheime usw. (§ 5 Abs. 1 GrStG). Wohnungen sind nach § 5 Abs. 2 GrStG aber stets steuerpflichtig, auch wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 GrStG vorliegen. Bei Räumen, die den Begriff der Wohnung erfüllen, ist daher stets das Überwiegen des Wohnzwecks anzunehmen und die GrSt-Pflicht gegeben. Der BFH hat bereits entschieden, dass diese Einschränkung der Steuerbefreiung verfassungsgemäß ist (zuletzt BFH v. 11.4.2006, II R 77/04, BFH/NV 2006, 1707).

Sodann führt der BFH aus, dass die von der Rechtsprechung entwickelte typologische Umschreibung des bewertungsrechtlichen Begriffs der Wohnung auch für den Wohnungsbegriff i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG gilt. Unter einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinn ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist erforderlich, dass die Einheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet und zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sind. Für Bewertungsstichtage ab 1.1.1974 wird zudem eine bauliche Abgeschlossenheit mit eigenem Zugang gefordert. Für Studentenwohnheime gilt dasselbe wie für abgeschlossene Appartements in einem Altenheim oder Altenwohnheim. Hier liegt nach der Rechtsprechung des BFH eine Wohnung vor, wenn ein Wohn-Schlafraum mit Kochgelegenheit mit den üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur vorhanden ist und die Gesamtwohnfläche mindestens 20 qm beträgt.

Aus § 181 Abs. 9 Satz 4 BewG, wonach das Vorhandensein einer Wohnung eine Wohnfläche von mindestens 23 qm voraussetzt, ergibt sich nichts anderes. Denn diese Vorschrift betrifft die ErbSt ab 1.1.2009 und nicht die Einheitsbewertung. Die Mindestanforderungen an eine Wohnung für die Einheitsbewertung werden dadurch nicht berührt.

Hiervon ausgehend erfüllen sowohl die 1-Zimmer-Appartements als auch die größeren Raumeinheiten (abschließbare Zimmer mit Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsbad) die Voraussetzungen einer Wohnung. Sie weisen die erforderliche Mindestgröße auf und ermöglichen objektiv die Führung eines selbständigen Haushalts. Bei den größeren Raumeinheiten kommt es auf deren Gesamtwohnfläche und nicht auf die Fläche der einzelnen Wohnräume an.

Hinweis

Der BFH stellt klar, dass die Wohnungsgröße von 23 qm nur für Zwecke der Bedarfsbewertung gilt. Im Bereich der allgemeinen Bewertung gilt weiterhin die von der Rechtsprechung anhand der Verkehrsauffassung herausgearbeitete Mindestgröße von 20 qm (BFH-Urteil v. 17.5.1990, II R 182/87, BStBl II 1990, 705). 

Der BFH musste das Verfahren nicht bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung aussetzen (Vorlagebeschluss des BFH v.  22.10.2014, II R 16/13, BStBl II 2014, 957; Az. BVerfG 1 BvL 11/14). Das FA hatte die Feststellung des Einheitswerts insoweit für vorläufig erklärt, so dass kein Rechtsverlust droht. Sollte aufgrund einer Entscheidung des BVerfG der Einheitswertbescheid aufzuheben oder zu ändern sein, wäre dies aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks von Amts wegen vorzunehmen.

BFH, Urteil v. 4.12.2014, II R 20/14, veröffentlicht am 25.3.2015


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